Die europäische Pharmaindustrie steht an einem Scheideweg. Der aktuelle Bericht „Economic Footprint of the Pharmaceutical Industry in Europe“, erstellt von PricewaterhouseCoopers (PwC), zeichnet ein ambivalentes Bild: Zwar leistet die Branche einen enormen wirtschaftlichen Beitrag, doch in der globalen Forschungs- und Entwicklungsspirale droht Europa den Anschluss zu verlieren. Darauf macht der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (PHARMIG) in einer Aussendung aufmerksam.
Im Jahr 2022 trug die pharmazeutische Industrie der EU-27 beachtliche 311 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei – das entspricht zwei Prozent des gesamten BIP. 2,3 Millionen Arbeitsplätze gehen dabei direkt oder indirekt auf das Konto der Branche, die zwischen 2016 und 2022 ein jährliches Beschäftigungswachstum von 2,1 Prozent verzeichnete. Dennoch, heißt es in der Aussendung, werde die Investitionskluft zu den USA und China immer größer.
Der Bericht zeigt, laut PHARMIG, eine besorgniserregende Dynamik, und das trotz steigender Investitionen in Forschung und Entwicklung. Diese kletterten von 27,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 46,2 Milliarden Euro im Jahr 2022, was ein Plus von 4,4 Prozent bedeutet. Demgegenüber stehen jedoch die USA mit einem Wachstum von 5,5 Prozent und China mit 20,7 Prozent.
Deutlich werde diese Entwicklung, wenn man die Entdeckung neuer Moleküle betrachtet – ein entscheidender Indikator für die Entwicklung innovativer Arzneimittel: Zwischen 2018 und 2023 wurden in Europa nur 91 neue Wirkstoffe entdeckt, während die USA mit 187 deutlich dynamischer agierten (China: 75).
Bessere Rahmenbedingungen gefordert
Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Unsere Branche ist nicht nur ein Innovationsmotor, sondern auch ein Garant für wirtschaftliche Stärke und öffentliche Gesundheit. Sie ermöglicht den Zugang zu moderner Medizin, stärkt die Wirtschaftskraft und reduziert langfristig Kosten im Gesundheitswesen.“
Um Europa im internationalen Wettbewerb zu stärken, fordert Herzog bessere Rahmenbedingungen: „Faire Erstattungspreise, gezielte Förderungen für Unternehmensansiedlungen und eine innovationsfreundliche Politik sind unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas nachhaltig zu sichern.“ Dabei dürfe man nicht auf das „Gießkannenprinzip“ setzen, sondern müsse gezielt fördern, betont Herzog.
Auch politischer Handlungsbedarf
Bereits im September mahnte der sogenannte Draghi-Report der EU umfassende politische Maßnahmen an, um Europas Position in Forschung, Produktion und Innovation zu sichern. Herzog unterstreicht diese Forderungen: „Die pharmazeutische Industrie ist ein strategischer Schlüssel für Europas Zukunft. Ohne langfristig verlässliche Rahmenbedingungen verlieren wir wichtige Investitionen – und damit die Chance, Krankheiten effizient zu bekämpfen und die globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“