Europa verliert an Boden bei der Medikamentenforschung


von

Ulrike Krestel

Klinische Studien bieten Patient:innen oft schon fünf bis zehn Jahre vor der Markteinführung Zugang zu neuen, oft lebensrettenden Medikamenten. AdobeStock_983449772/peopleimages.com

Trotz eines globalen Anstiegs klinischer Prüfungen um 38 Prozent, sinkt der Anteil solcher Studien zur Entwicklung neuer Medikamente im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) dramatisch. Während Europa an Attraktivität verliert, profitieren andere Regionen wie die USA und China. Das berichtet Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (PHARMIG) mit Berufung auf einem Bericht, der von IQVIA im Auftrag des europäischen Pharmaverbandes EFPIA und von Vaccines Europe durchgeführt wurde.

Laut dem Bericht „Assessing the clinical trial ecosystem in Europe“, der heute veröffentlicht wurde, hat sich die Zahl der klinischen Forschungsprojekte im EWR zwischen 2013 und 2023 halbiert. Der Anteil sank von 22 Prozent auf 12 Prozent, was bedeutet, dass etwa 60.000 Patient:innen weniger an klinischen Studien in EWR-Ländern teilnehmen können. Diese Verschiebung zugunsten anderer Regionen führt nicht nur zu einem Wettbewerbsnachteil für Europa, sondern auch zu einer verzögerten Verfügbarkeit innovativer Therapien für europäische Patient.

Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, warnt vor den Konsequenzen: „Immer weniger klinische Forschung in Europa bedeutet, dass Patientinnen und Patienten seltener von neuen Arzneimitteln profitieren und Innovationen verspätet verfügbar sein könnten.“

Wert klinischer Prüfungen für das Gesundheitssystem

Klinische Studien bieten Patient:innen oft schon fünf bis zehn Jahre vor der Markteinführung Zugang zu neuen, oft lebensrettenden Medikamenten. Zudem entlasten sie die Gesundheitssysteme, da die Kosten der Studienmedikation von der pharmazeutischen Industrie übernommen werden. In Österreich sparen klinische Prüfungen dem Gesundheitssystem jährlich etwa 100 Millionen Euro. Zusätzlich schaffen sie eine wirtschaftliche Wertschöpfung von rund 144 Millionen Euro pro Jahr, wie eine Studie des Instituts für Pharmaökonomische Forschung (IPF) zeigt.

Europaweit beläuft sich dieser Vorteil, laut dem IQVIA-Bericht, auf eine jährliche Entlastung der Gesundheitssysteme um 1 bis 1,5 Milliarden Euro.

Appell an die Politik: Bürokratie abbauen, Forschung fördern

Trotz des hohen Mehrwerts stagniert die Zahl der klinischen Prüfungen in Europa. Alexander Herzog fordert deshalb politische Maßnahmen, um diesen negativen Trend umzukehren. „Wir brauchen eine stärkere nationale Forschungsstrategie und -förderung, schnellere Genehmigungsverfahren und eine bessere Vernetzung der Forschungszentren,“ betont Herzog. Er plädiert zudem für die Vereinfachung länderübergreifender klinischer Studien, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Medikamentenforschung wieder zu stärken.



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