Neue Nikotinprodukte locken die Jugend, Alkohol bleibt – entgegen dem internationalen Trend – ein Dauerbrenner und der Konsum illegaler Drogen bringt immer mehr Todesopfer. Österreich hat offensichtlich ein Drogenproblem.
Der Nikotinkonsum nimmt bei Schülern rasant zu, berichtete der Wiener Drogenexperte Martin Busch am Mittwoch. Sie konsumieren es zunehmend mit Nikotinbeuteln und E-Zigaretten, die als Lifestyleprodukte vermarktet werden, kritisierte er: “Dadurch könnte es nach Jahren des Rückgangs wieder mehr Menschen mit Nikotinabhängigkeit geben”. Laut Drogenbericht 2024 ist Österreich zudem ein Alkohol-Hochkonsumland und die Zahl der Todesfälle durch illegale Substanzen steigt.
Weniger Zigaretten, mehr “neue Nikotinprodukte”
Die Jugendlichen rauchen zwar immer weniger Zigaretten, aber dieser positive Trend würde durch vermehrten Konsum der “neuen Nikotinprodukte” teils zunichte gemacht, so Busch, der das “Kompetenzzentrum Sucht” der Gesundheit Österreich GmbH leitet. Während anno 2002 noch 22 Prozent der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler täglich rauchten, waren es 2022 nur mehr vier Prozent. Drei Prozent konsumierten allerdings 2022 jeden Tag Nikotinbeutel und zwei Prozent E-Zigaretten. Problematisch daran ist, dass Nikotin schnell abhängig macht, zugesetzte Geschmacksstoffe im Verdacht stehen, krebserregend zu sein, und die langfristigen Folgen von hochdosiertem Nikotinkonsum kaum abschätzbar sind.
Insgesamt rauchen in Österreich 21 Prozent der Menschen (ab 15 Jahren) täglich Zigaretten, so der Experte. Nachdem diese Quote bei Männern seit 30 Jahren und bei Frauen seit einem Jahrzehnt geschrumpft ist, wären in den vergangenen paar Jahren keine signifikanten Rückgänge mehr zu verzeichnen. Knapp ein Drittel der Raucherinnen und Raucher würde aber an ein Aufhören denken. “Dies stellt ein großes Potenzial zur Senkung der Zahl von Betroffenen dar”, sagte er.
Alkoholkonsum sinkt – aber langsam
Langfristig ginge hierzulande auch der Pro-Kopf-Konsum von Alkohol zurück. Weil dies andernorts aber rascher passiert, wird Österreich zunehmend zu einem Hochkonsumland für diese “psychoaktive Substanz”, hieß es. 15 Prozent der Menschen nehmen hier Alkohol in gesundheitsschädlichem Ausmaß zu sich. Bei Männern ist dies häufiger der Fall (19 Prozent), als bei Frauen (elf Prozent). “Männer sterben schließlich drei- bis viermal häufiger an alkoholbedingten Ursachen als Frauen”, so Busch.
Bei Verkehrsunfällen spielt Alkohol heutzutage eine viel geringere Rolle als vor ein paar Jahrzehnten, berichtete er. So gab es 1971 noch 420 Todesfälle aufgrund von Alkoholeinfluss im Straßenverkehr, 2022 forderte dies “nur” 26 Todesopfer trotz der dreifachen Anzahl zugelassener Kraftfahrzeuge.
Kokainkonsum steigt, Heroin bleibt Spitzenreiter
Bei illegalen Drogen von Cannabis bis Heroin sei die Konsumsituation stabil. Etwa ein Fünftel der Menschen (zwischen 15 und 64 Jahren) habe schon einmal Cannabis probiert, 90.000 haben zumindest einmal “gekokst” (Kokain konsumiert, Anm.), so der Experte. Beim Kokainkonsum gäbe es einen deutlichen Anstieg, allerdings “noch immer auf sehr hohem Niveau”, sagte er: “Der risikoreiche Drogenkonsum wird aber vom Konsum von Opioiden wie zum Beispiel Heroin dominiert”. Schätzungen zufolge sind davon 35.000 bis 40.000 Menschen in Österreich betroffen, und zwar vorwiegend Männer über 25 Jahren in Ballungszentren wie Wien.
Während die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten “stabil ist”, gäbe es kürzlich aber zunehmend tödliche Überdosierungen. Von 2009 bis 2014 wurden die “direkt drogenbezogenen Todesfälle” in Österreich viel weniger, die Zahl sank von 206 auf 122. Bis 2023 hat sie sich davon schließlich mehr als verdoppelt, in diesem Jahr gab es nämlich 256 Drogentode. “Die aktuelle Datenlage lässt keine eindeutige Interpretation der Ursachen zu”, erklärte Busch. Ein Teil des Anstiegs könnte auf alternde Konsumenten mit langer Suchthistorie zurückzuführen sein. “Sie sind zwar gut in das Drogenhilfssystem integriert, werden mit zunehmendem Alter jedoch multimorbid, was ihre Toleranzgrenze senkt und letztlich ihr Sterberisiko erhöht”, sagte er: “Eine andere Erklärung könnte die gestiegene Reinheit der Substanzen sein, die das Risiko für Überdosierungen erhöht”. In der selben Menge sei dann nämlich mehr von dem gefährlichen Wirkstoff enthalten.
APAMED