Die Medizinischen Universität Wien hat die Entwicklung der Lebensqualität älterer Menschen in Österreich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren in einer großen, repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen ab 65 Jahren untersucht. Dabei wurden erstmals nicht nur die Variablen Geschlecht, Gesundheitszustand und Region, sondern auch Zusammenhänge mit sozioökonomischen Faktoren berücksichtigt. Das Ergebnis: Die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität im Alter weist über die Jahre zwar leichte Verbesserungen auf, bleibt aber im Ländervergleich weiterhin zurück. Insbesondere die Zahl der Lebensjahre bei guter Gesundheit liegt hierzulande unter dem europäischen Durchschnitt.
Ein multidisziplinäres Forschungsteam vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien wertete Daten der österreichischen Gesundheitsbefragung der Statistik Austria aus 2006, 2014 und 2019 von 10.056 Personen ab einem Alter von 65 Jahren aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die selbstberichtete Lebensqualität in einigen Bereichen leichte Verbesserungen erfahren hat. Dazu zählen etwa ein Rückgang von Bildungsungleichheiten, höhere Einkommen und Fortschritte im Zugang zu sozialen Unterstützungsangeboten, die sich insbesondere in einer besseren Bewertung psychischer und sozialer Lebensqualitätsaspekte widerspiegeln. Trotz dieser Entwicklungen bleiben jedoch deutliche Unterschiede bestehen: Jüngere Senior:innen, Personen mit höherem Einkommen oder Bildungsgrad sowie Bewohner:innen westlicher Bundesländer berichten von einer signifikant höheren Lebensqualität. Demgegenüber sind Personen im hohen Alter, Menschen mit niedrigem Einkommen oder chronischen Erkrankungen und Bewohner:innen in Wien und im übrigen Osten Österreichs besonders benachteiligt.
Gesunde Lebensjahre unter Durchschnitt
Im europäischen Vergleich, so berichten die Studienautor:innen zudem, bleibt Österreich weiterhin zurück: Während in zahlreichen EU-Länder in den letzten Jahrzehnten die gesunden Lebensjahre pro Person gesteigert werden konnten, stagnieren diese Werte in Österreich seit 2008. 2021 lag die durchschnittliche Zahl der Lebensjahre in guter Gesundheit hierzulande mit 61,3 Jahren bei Frauen und 61,5 Jahren bei Männern unter dem EU-Durchschnitt (64,2 bzw. 63,1 Jahre). Besonders auffällig ist auch der regionale Unterschied in Österreich: Bewohner:innen westlicher Bundesländer wie Tirol oder Vorarlberg erleben deutlich mehr gesunde Lebensjahre als jene im Osten.
Einkommen und Bildung als Einflussfaktoren
Was das Forschungsteam außerdem überraschte: Obwohl Frauen in vielen Lebensqualitätsbereichen schlechter abschneiden, heben sich diese Unterschiede nahezu vollständig auf, wenn Faktoren wie Einkommen und Bildung berücksichtigt werden. „Dies unterstreicht die zentrale Rolle sozioökonomischer Bedingungen als Hebel zur Verbesserung der Lebensqualität im Alter. Davon würden vermutlich vor allem Frauen profitieren, die in Österreich ja durchschnittlich erheblich weniger Pension erhalten als Männer“, verdeutlicht Erstautor Richard Felsinger.
Diskrepanz zwischen Lebenserwartung und Gesundheit
Insgesamt zeigen die Studienergebnisse, wie stark sozioökonomische, geschlechterspezifische und regionale Ungleichheiten in Österreich die Lebensqualität im Alter prägen. Trotz der Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit durch die alternde Bevölkerung und der bereits bekannten Diskrepanz zwischen Lebenserwartung und gesunden Lebensjahren in Österreich gab es bisher nur wenig Wissen über die Lebensqualität und das Wohlbefinden älterer Menschen. „Unsere Analyse kann eine fundierte Grundlage für maßgeschneiderte Maßnahmen durch die Politik darstellen, damit ältere Menschen nicht nur länger, sondern auch gesünder und erfüllter leben können“, so Felsinger.