Invasive Pilzinfektionen, die vor allem immungeschwächte Patient:innen betreffen und häufig tödlich enden, geraten zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. Doch eine Pandemie durch Pilzinfektionen hält die Innsbrucker Mykologin Michaela Lackner für unwahrscheinlich. Epidemien seien hingegen realistisch, erklärte sie im Gespräch mit der APA. Trotz einer insgesamt guten Lage in Österreich müsse man sich auf potenzielle Gefahren vorbereiten, insbesondere angesichts der zunehmenden Resistenzen gegen Medikamente.
Weltweit sind etwa 1,7 Milliarden Menschen von Pilzinfektionen betroffen, wobei jährlich mehr als 1,5 Millionen Menschen daran sterben. Auch in Österreich treten jährlich rund 130.000 Pilzinfektionen auf, die vor allem schwer kranke Menschen, wie Lebertransplantierte oder Blutkrebspatient:innen, betreffen. Diese Patient:innen tragen aufgrund ihrer Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko, dass eine zusätzliche Pilzinfektion tödlich verläuft, so Lackner, Professorin für Experimentelle Mykologie an der Medizinischen Universität Innsbruck und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für medizinische Mykologie.
Kein Alarmismus
Im Zusammenhang mit möglichen Epidemien erinnerte Lackner an zwei Schimmelpilz-Ausbrüche, die während der Corona-Pandemie in Indien und Brasilien auftraten. In diesen Fällen hätten sich die Pilzinfektionen innerhalb von Krankenhäusern ausgebreitet, wo neue, anfällige Patientengruppen auftraten. Für Österreich sieht Lackner aufgrund der höheren Hygienestandards jedoch keine unmittelbare Gefahr für vergleichbare Ausbrüche. Kleinere Infektionscluster könnten jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Von Alarmismus rät Lackner ab. Österreich sei in Bezug auf Resistenzen noch in einer vergleichsweise guten Lage, mit einem niedrigen Resistenzniveau im einstelligen Bereich. So liegt die Resistenzrate bei Azolen, die gegen Hefepilze in der Medizin und Landwirtschaft eingesetzt werden, bei rund vier Prozent. Anderswo, etwa in den Niederlanden und Großbritannien, seien die Resistenzraten bereits zweistellig. Auch wenn diese Entwicklung in Österreich nicht ausgeschlossen sei, drohe vorerst kein Engpass bei der Behandlung, betonte Lackner.
Prävention notwendig
Dennoch gäbe es auch hierzulande therapeutische Lücken, besonders bei Schimmelpilz-Infektionen und seltenen Pilzerkrankungen, die von vornherein resistent sind oder durch unvorhergesehene Mutationen erschwert werden. Vor diesem Hintergrund müsse man sich besser auf künftige Herausforderungen vorbereiten, so Lackner. Dazu gehöre eine verstärkte Prävention, eine gezielte Medikamentenverwendung und die Berücksichtigung der Problematik, dass Pilzmittel wie Azole auch in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Diese breite Nutzung trage zur Entstehung resistenter Pilzstämme bei. Lackner plädiert deshalb für einen „One-Health-Ansatz“, bei dem bestimmte Substanzklassen der Humanmedizin vorbehalten bleiben sollten.
Besonders wichtig sei die Entwicklung neuer Medikamente. Lackner sieht es als entscheidend an, die nächste Generation von Azolen zu erforschen, um resistente Erreger bekämpfen zu können. An der Medizinischen Universität Innsbruck wurde daher das interdisziplinäre PhD-Programm MYCOS ins Leben gerufen, das sich auf die Erforschung von Resistenzmechanismen und neuen Therapieansätzen konzentriert. 11 Doktoranden und ein Team aus 12 Forschern sollen in den kommenden drei Jahren neue Erkenntnisse liefern, um langfristig wirksame Medikamente zu entwickeln. Lackner betonte jedoch, dass die Umsetzung neuer Substanzen in klinischen Studien Zeit und erhebliche finanzielle Mittel erfordere.
Der Weg zu neuen Therapien sei lang, doch bei einem optimalen Verlauf könnten erste Medikamente in etwa zehn Jahren für Patient:innen verfügbar sein. Die größte Herausforderung bestehe darin, Substanzen zu entwickeln, die den Pilz effektiv bekämpfen, ohne den Betroffenen zu schaden, so Lackner. Gleichzeitig appellierte sie an die staatliche und industrielle Seite, die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, um klinische Studien zu ermöglichen.
APAMED