HIV: Kein Virusnachweis, keine Ansteckung


von

Ulrike Krestel

Dr. Michael Skoll FA für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Michael Hofbauer HIV-Betroffener und Aktivist, Wiltrut Stefanek Obfrau Selbsthilfeverein PULSHIV, Mag.a Andrea Brunner, GF Aids Hilfe Wien.APA/Rudolph

1,3 Millionen HIV Neuinfektionen pro Jahr und 630.000 Todesfälle weltweit. Das ist die Bilanz, die Experten im Rahmen einer Pressekonferenz gezogen haben. Nach wie vor herrschen Missverständnisse und Unwissen bezüglich Übertragungswege und Ansteckungsrisiko. Nun wurde ein Perspektivenpaper präsentiert, das aufklären soll und Vorbehalte gegenüber HIV-Betroffenen aus dem Weg räumen soll. Plus: Mag.a Maria Simonitsch, Inhaberin der Marien Apotheke mit HIV-Schwerpunkt, erzählt aus dem Apothekenalltag.

„Menschen haben Sex. Nicht wenige auch ungeschützt“, sagt Dr. med. univ. Michael Skoll, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des Welttages der sexuellen Gesundheit am 4. September. Ungeschützter Geschlechtsverkehr ist schließlich für eine Reihe von STDs (Sexual Transmitted Diseases), verantwortlich. Darunter HIV, das in den 80ger Jahren gekommen und bis heute geblieben ist.

Gut behandelbar

Nach wie vor leben weltweit etwa 40 Millionen Menschen mit dem HI-Virus, mehr als die Hälfte davon sind weiblich (53 %), 1,4 Millionen sind Kinder. Allein 2023 wurden, ähnlich wie im Jahr davor, 1,3 Millionen Neuinfektionen und 630.000 HIV-assoziierte Todesfälle registriert. In Österreich liegt die Anzahl der Personen, die mit dem Virus leben, inklusive einer geschätzten Dunkelziffer, zwischen 8.000 bis 9. 000 Betroffenen.

Obwohl die Infektion mittlerweile bis zur dauerhaften Nichtnachweisbarkeit der Viruslast behandelbar ist, herrschen nach wie vor Vorurteile – sowohl was die Übertragungswege, als auch das Ansteckungsrisiko betrifft. Fakt ist: Ist die Viruslast im Blut nicht mehr nachweisbar, beträgt die Ansteckungsgefahr gleich Null.

Zur Eliminierung von HIV, haben die Vereinten Nationen nun die so genannten UNAIDS-95 %-Ziele formuliert, die auch für Österreich Anwendung finden. So sollen bis 2030 global 95 Prozent aller Menschen mit HIV ihren Status kennen, 95 % davon sollen Zugang zur HIV-Therapie haben und weitere 95 % davon sollen das Therapieziel einer Viruslast unter der Nachweisbarkeitsgrenze erreichen.

Aufholbedarf bei Aufklärung

Darüber hinaus soll es Null Diskriminierung von Menschen mit HIV geben, heißt es in dem Paper, das vom Pharmaunternehmen Gilead Sciences Österreich in Kooperation mit den AIDS-Hilfen Österreich und der Initiative PULSHIV erstellt wurde.  Wie es um das Wissen um HIV schließlich tatsächlich bestellt ist, zeigt eine Umfrage, die in dem Paper veröffentlicht wurde. Demnach glauben 74 Prozent der Befragten, dass  HIV/AIDS eine gefährliche Krankheit ist, 26 Prozent lehnen ausgewählte Interaktionen mit Menschen mit HIV ab und 10 bis 16 Prozent würden mit einer HIV-positiven Person keine Freundschaft beginnen, kein Haus vermieten oder nicht neben dieser Platz nehmen wollen. Demgegenüber stehen zumindest 77 Prozent, die der Meinung sind, dass HIV-Infektion eine kontrollierbare chronische Erkrankung ist.

Viruslast unter der Nachweisgrenze

„Das HI-Virus (human immunodeficiency virus) greift bestimmte Zellen des menschlichen Immunsystems an. Eine unbehandelte HIV-Infektion führt zum Verlust dieser Immunzellen und damit zu einer verminderten Funktionsfähigkeit des Immunsystems“, erklärt Skoll. Bereits seit den 90 Jahren stehen antiretrovirale Kombinationstherapien zur Behandlung einer Infektion zur Verfügung, die es ermöglichen, die Lebensqualität der Betroffenen erheblich zu verbessern und den Ausbruch von AIDS zu verhindern. Zahlreiche Studien konnten belegen, dass die Infektion von Betroffenen, deren Viruslast im Blut aufgrund der korrekten und regelmäßigen Einnahme der Therapie unter der Nachweisgrenze liegt, auf sexuellem Weg nicht übertragen werden kann, betont auch der Experte.

Keine Stigmata in der Apotheke

Direkt aus der Apothekenpraxis erzählt Mag.a Karin Simonitsch. Mit ihrer Marien Apotheke im 6. Wiener Gemeindebezirk feiert sie heuer ihr 30-jähriges Jubiläum zur HIV-Kompetenz. “Damals mussten Patient:innen den Tag rund um die Medikamenteneinnahme planen”, sagt die Apothekerin. Um einen Monatsvorrat mit nach Hause zu nehmen waren zwei große Säcke notwendig, mitterweile passt die Medikamentenschachtel in eine Handtasche.

Die Frage, ob es in der Offizin zu Vorurteilen gegenüber Kund:innen bzw. der Apotheke selbst wegen ihrens Schwerpunktes kommt, verneint sie. Was jedoch auffällt, ist dass sogar Betroffene ihrer Krankheit bewerten. “Das hat hier natürlich mit dem Grund der Übertragung zu tun. Geschlechtsverkehr oder die Verwendung von Spritzen sind sogar in den Augen der Betroffenen negativ konnotiert. Aber: Alkohol trinken und Rauchen scheinen erlaubt zu sein. Hier frag niemand nach der Ursache für Lungenkrebs oder Leberzirrhose,” so Simonitsch. Generell sollte man darauf verzichten, Krankheiten zu bewerten, besser sollte man alle Energie in die Vermeidung solcher stecken.

Grundsätzlich bemerkt die Apothekerin auch ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein von Risikogruppen, was die HIV-Prophylaxe betrifft. Nachdem die monatliche Dosis seit April vom Bund finanziert wird, bemerkt sie auch in der Apotheke eine erhöhte Nachfrage. “Die Personen möchten ihre Mitmenschen schützen, was eigentlich bei jeder Erkrankung der Fall sein müsste.”

Initiative gegen Stigmatisierung

Nichtsdestotrotz sind Personen, die mit einer HIV-Infektion leben (und diese nicht tabuisieren) mit Vorurteilen konfrontiert. Das wissen aus Erfahrung die beiden HIV-Betroffenen Michael Hofbauer und Wiltrud Stefanek. Letztere ist Obfrau der Vereins PULSHIV und lebt sein über 30 Jahren mit der Infektion. Ich begegne immer wieder Menschen die im privaten, beruflichen, aber auch im medizinischen Bereich aufgrund ihres HIV-Status diskriminiert werden. Häufig ist dabei einfach Unwissenheit ein treibender Faktor! Die Botschaft, dass wir unter HIV-Therapie nicht ansteckend sind, muss verbreitet werden. Eine Unwissenheit, die auch Gesundheitspersonal betrifft: Mag.a Andrea Brunner, Geschäftsführerin der AIDS Hilfe Wien, berichtet, dass 70 Prozent aller gemeldeten Diskriminierungen in Österreich im Gesundheitswesen stattfinden. Dies beinhaltet beispielsweise die Verweigerung einer Behandlung, Terminverlegungen ans Ende der Ordinationszeit und abwertendes Verhalten seitens des Pflege- und ärztlichen Personals.

Umso wichtiger ist es laut Brunner und den Experten konkrete Maßnahmen zur Aufklärung zu setzen. Diese wurden in dem Perspektivenpapier HIV in Österreich und beinhalten unter anderem folgende Punkte:

  • Mehr Bildung für Gesundheitspersonal
  • Mehr Information für Allgemeinbevölkerung
  • Mehr Awareness für die Adhärenz von Betroffenen
  • Mehr Ressourcen für psycho-soziale Angebote
  • Stereotypen von Betroffenen in der öffentlichen Wahrnehmung auflösen

Statistik der Österreichischen Aidsgesellschaft



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