Fehlendes flächendeckendes Darmkrebs-Screening in Österreich


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Redaktion

Insbesondere die Vorsorgekoloskopie spielt eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und Vermeidung von Darmkrebs.AdobeStock_341069450/Kzenon

In Österreich steht die Darmkrebsvorsorge seit längerem im Fokus der Diskussion, jedoch fehlt es nach wie vor an einem flächendeckenden, organisierten Screeningprogramm. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern, wie etwa Deutschland, das bereits seit über 20 Jahren ein solches Programm als Kassenleistung anbietet, gibt es in Österreich zwar Bewusstsein und fachliche Unterstützung für Darmkrebsvorsorge, doch divergierende Interessen innerhalb des föderalen Gesundheitssystems behindern die Umsetzung. Besonders Uneinigkeiten zwischen den Bundesländern und Akteuren im Gesundheitswesen erschweren die Einführung eines einheitlichen, nationalen Programms.

Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Europa und auch in Österreich eine der führenden Ursachen für krebsbedingte Todesfälle. Statistiken aus dem „White Book“ der UEG (United European Gastroenterology) zeigen, dass die Zahl der Neuerkrankungen an Krebsarten der Verdauungsorgane zwischen 2000 und 2019 europaweit um 26 % gestiegen ist. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Darmkrebs, dessen Inzidenz in diesem Zeitraum um 33 % zugenommen hat. 2019 starben in Europa 19 % mehr Menschen an Darmkrebs als im Jahr 2000. Auch in Österreich sind die Zahlen alarmierend: 2019 waren mehr als 20.000 Frauen und über 23.000 Männer mit Darmkrebs diagnostiziert, und jährlich gibt es rund 5.000 Neudiagnosen. Etwa 2.500 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen dieser Erkrankung.

Lebensstil als Hauptursache

Ein Großteil der Ursachen für Darmkrebs ist auf den Lebensstil zurückzuführen. Risikofaktoren wie eine ungesunde, ballaststoffarme Ernährung, hoher Fett- und Salzgehalt in der Nahrung, übermäßiger Alkohol- und Nikotinkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel tragen erheblich zur Entstehung der Krankheit bei. Präventivmaßnahmen, insbesondere die Vorsorgekoloskopie (Darmspiegelung), spielen eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und Vermeidung von Darmkrebs. Mit dieser Untersuchung können Polypen, die Vorstufen von Krebs sein können, frühzeitig entdeckt und entfernt werden, was die Erkrankung in vielen Fällen verhindern oder zumindest ihre Heilungschancen deutlich verbessern kann.

Nationales Screeningprogramm gefordert

Trotz der klaren wissenschaftlichen Belege und der Unterstützung durch Fachgesellschaften, wie die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH), ist ein nationales Screeningprogramm in Österreich bislang nicht umgesetzt worden. Der Ruf nach einem organisierten, qualitätsgesicherten Darmkrebs-Screening ab 45 Jahren wird von einer breiten Allianz aus Fachleuten, der Krebshilfe und PatientInnenvertretungen laut erhoben. Die Hauptursachen für das Ausbleiben eines solchen Programms sind weniger das fehlende Bewusstsein oder wissenschaftliche Zweifel, sondern vielmehr die unterschiedlichen Herangehensweisen und Interessen innerhalb des föderalen Gesundheitssystems. Unterschiedliche Vorgehensweisen in den Bundesländern, unklare Zuständigkeiten und bürokratische Hürden haben bislang verhindert, dass eine landesweite Lösung gefunden wurde.

UEG Week: Internationale Fachleute in Wien

Im Rahmen der UEG Week, dem größten europäischen Gastroenterologie-Kongress, der vom 12. bis 15. Oktober 2024 in Wien stattfindet, nutzen österreichische Fachleute und Vertreter aus Politik, Gesundheitswesen und PatientInnenorganisationen die Gelegenheit, sich mit internationalen ExpertInnen auszutauschen und Best-Practice-Beispiele anderer Länder zu studieren. Ziel ist es, innovative Lösungsansätze für die Einführung eines flächendeckenden Vorsorgeprogramms in Österreich zu entwickeln. Über 12.000 Fachleute aus mehr als 120 Ländern diskutieren in Wien die neuesten Forschungsergebnisse und Entwicklungen in der Gastroenterologie, wobei die Prävention und Früherkennung von Darmkrebs ein zentrales Thema ist.

Appell an die Politik

Die österreichischen Vertreter, wie die ÖGGH und die Krebshilfe, richten während des Kongresses einen eindringlichen Appell an die Gesundheitspolitik. Sie fordern eine zügige Umsetzung eines nationalen Screeningprogramms, um die hohen Erkrankungs- und Sterblichkeitsraten zu senken. Die Vorteile eines solchen Programms sind klar: Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können nicht nur viele Menschenleben retten, sondern auch das Gesundheitssystem entlasten, indem kostenintensive Behandlungen im Spätstadium vermieden werden.

Die Forderungen werden auch von Akteuren wie der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) unterstützt, die betont, dass eine Vorsorgekoloskopie sowohl die Diagnose als auch die Therapie von Darmkrebs ermöglichen kann. Durch eine frühzeitige Erkennung können therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, die in vielen Fällen zu einer Heilung führen. Die ÖGK unterstreicht die Bedeutung der Vorsorge und ruft die Bevölkerung dazu auf, diese wichtige Untersuchung wahrzunehmen.

Insgesamt herrscht unter den Fachleuten Einigkeit darüber, dass ein nationales, organisiertes Darmkrebsscreening dringend notwendig ist, um die alarmierenden Zahlen zu reduzieren. Sie fordern die österreichische Gesundheitspolitik auf, endlich die notwendigen Schritte zur Implementierung eines qualitätsgesicherten Programms zu unternehmen, das flächendeckend und einheitlich organisiert ist. Die Zeit drängt, denn jede Verzögerung kostet Menschenleben.



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