Anlässlich des “Rare Diseases Day” weist die PHARMIG darauf hin, dass europäische Referenznetzwerke künftig stärker in nationale Gesundheitssysteme eingebunden werden müssen, um die Versorgung bei seltenen Erkrankungen zu verbessern.
Der Tag für seltene Erkrankungen am 28. Februar gibt ihnen wieder mehr Aufmerksamkeit: In der EU leben derzeit über 30 Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Da es in den einzelnen Ländern oft nur wenige Betroffene gibt, fehlt vor Ort häufig das notwendige Wissen für die richtige Diagnose und Behandlung. Zwar teilen hochspezialisierte Krankenhäuser ihr Fachwissen grenzüberschreitend in 24 Europäischen Referenznetzwerken (ERNs), aber diese Netzwerke sind nach wie vor zu wenig in die nationalen Gesundheitssysteme integriert. Diese stärker einzugliedern und besser für Patient:innen zugänglich zu machen, ist das Ziel des EU-Projekts JARDIN (Joint Action on Integration of ERNs into National Healthcare Systems).
Europäische Referenzwerke nutzen
Dazu sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG: „Die Vernetzung von Wissen und Expertise ist ein ganz essenzieller Schritt, um die Versorgung von Personen mit einer seltenen Erkrankung weiter zu verbessern. Dafür müssen alle Mitgliedsländer an einem Strang ziehen und die Europäischen Referenznetzwerke für seltene und komplexe Krankheiten in ihrem jeweiligen nationalen Gesundheitssystem verankern.“
Mit einem Budget von 18,75 Millionen Euro bis 2027 wird das Projekt in Österreich von der Medizinischen Universität Wien koordiniert. Ziel ist es, konkrete Empfehlungen zu entwickeln, die in ein Rahmenwerk einfließen. Dieses soll sicherstellen, dass Behandlungspfade und Überweisungssysteme zur fachlichen Beratung optimiert werden. Im Fokus stehen zudem die bessere Nutzung Europäischer Referenznetzwerke und Programme für nicht diagnostizierte Krankheiten. Darüber hinaus sollen Qualitätssicherungsmodelle implementiert und die Verwaltung sowie der Austausch von Gesundheitsdaten und Wissen zwischen ERNs und nationalen Infrastrukturen verbessert werden.
Schneller Umsetzung gefordert
Dazu Herzog: „Damit Empfehlungen schneller vom Papier in die Praxis kommen, ist die aktive Teilnahme Österreichs an den verschiedenen Arbeitspaketen entscheidend. Nur so können die gemeinsam entwickelten Strategien und Maßnahmen besser an die Spezifika und Strukturen unseres Gesundheitssystems angepasst und mit denen der anderen EU-Mitgliedsstaaten verknüpft werden.“ Das biete, so Herzog, Vorteile für die Versorgung, aber auch für die Forschung.
Eine der größten Herausforderungen bei der Arzneimittelforschung im Bereich seltener Erkrankungen besteht darin, die passenden Expert:innen und ausreichend Studienteilnehmende für klinische Prüfungen zu finden. „Werden die Empfehlungen des Projekts umgesetzt und Expertisezentren leichter zugänglich gemacht, können diese als wichtige Anlaufstellen für Betroffene dienen. Die Teilnahme an einer klinischen Prüfung kann für Menschen mit seltenen Erkrankungen lebensverändernd sein. Auch bieten sie die Chance, sehr früh an eine Therapie zu kommen. Immerhin gibt es erst für knapp fünf Prozent der seltenen Erkrankungen eine zugelassene spezifische Therapie“, erklärt Herzog.
30 Prozent Neuzulassungen mit “Orphan Drug”-Status
Wie intensiv hier geforscht wird, zeigt der im letzten November erschienene Bericht der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), wonach von rund 4.500 laufenden klinischen Prüfungen in der EU an die 20 Prozent Teilnehmer:innen mit seltenen Erkrankungen einbeziehen. Ein Drittel der in den letzten fünf Jahren neu zugelassenen Medikamente hatte den Status eines Orphan Drugs, also eines Arzneimittels, das speziell zur Behandlung einer seltenen Erkrankung entwickelt wurde. Derzeit sind in Europa 147 Orphan Drugs zugelassen und 2.700 weitere Therapien befinden sich in Entwicklung.
Langes Warten auf Diagnose
Von seltenen Erkrankungen und allen damit einhergehenden Schwierigkeiten im Alltag sind in Österreich rund 450.000 Menschen betroffen, wenn auch jede einzelne Krankheit für sich genommen nur wenige Personen betrifft. Aufgrund des meist sehr spezifischen Krankheitsbildes ist der Weg von den ersten Symptomen bis hin zur korrekten bestätigten Diagnose bei Rare Diseases oftmals kompliziert und besonders belastend. Die aktuellen Ergebnisse der europaweiten Rare Barometer-Umfrage durchgeführt von EURORDIS, der European Organisation for Rare Diseases, legen deutlich dar, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen hierzulande im Vergleich zum restlichen Europa deutlich schlechter gestellt sind. Denn während der europäische Schnitt für die Dauer einer Diagnosestellung bei 4,7 Jahren liegt, müssen Betroffene in Österreich für eine korrekte bestätigte Diagnose mit einer durchschnittlichen Dauer von 7,3 Jahren rechnen – sie warten also rund zweieinhalb Jahre länger.
PHARMIG
APA