Paxlovid-Schwund: Ministerium wendet sich direkt an Apotheken


von

Ulrike Krestel

und

Astrid Janovsky

20.000 Packungen Paxlovid scheinen verschollen.AdobeStock_586377658

Gesundheitsminister Johannes Rauch untersucht weiterhin den Verbleib zahlreicher Packungen Paxlovid. Dabei scheint das Ministerium der Unterstützung durch die Apothekerkammer nur bedingt zu vertrauen, denn es wandte sich vergangene Woche mit einem Schreiben direkt an die Apotheken. Die Apothekerkammer bestätigte gegenüber TARA24, dass sie über diesen Brief an die Apotheken nicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Das Ministerium wiederum betont die Wichtigkeit der Transparenz und verweist auf eine vorab übermittelte Kammerinformation.

Was bisher geschah

In Summe hatte der Bund 180.000 Packungen Paxlovid beschafft, von denen zwischen März 2022 und Ende November 2023 insgesamt 123.000 Packungen an die öffentlichen Apotheken ausgeliefert wurden. 57.000 Packungen gingen an Krankenhäuser und ärztliche Hausapotheken. Die Apothekerkammer berichtete monatlich über die von den Apotheken abgegebenen Packungen Paxlovid, allerdings nur über jene, die über die pharmazeutische Gehaltskasse mit den Sozialversicherungen abzurechnen waren. Abgaben auf Privatrezept oder Notfallabgaben wurden laut Ministerium nicht erfasst.

Nun ist das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) seit einem halben Jahr auf der Suche nach “mindestens” 20.000 Packungen Paxlovid. In einer Aussendung vom 12. Dezember 2023 kritisierte Rauch die Kammer bereits scharf: “Ich erwarte mir, dass da Klarheit geschaffen wird.” Man werde alle Schritte setzen, um von der Kammer restlose Transparenz zu erhalten. Man habe 123.000 Dosen für die öffentlichen Apotheken beschafft. Diese seien zunächst lange Zeit herumgelegen und nicht verschrieben worden. Bis Ende Oktober wurden davon 77.000 abgerechnet. “Wo die restlichen sind, konnte mir die Kammer nicht erklären.”

Kammer bezog bereits Stellung

Die Kammer wiederum wies die Kritik des Ministers prompt zurück: Von den 123.000 an die öffentlichen Apotheken ausgelieferten Packungen wurden bis Ende November 2023 insgesamt 90.000 Packungen auf Kassenrezept abgegeben (von 37 Apotheken fehlten zum Zeitpunkt der Aussendung noch die Abrechnungszahlen). Nach internen Datenauswertungen wurden 15.000 Packungen auf Privatrezept (u.a. an Touristen, Ärzte, Lehrer, Beamte, Rechtsanwälte, Gemeindebedienstete etc.) abgegeben. Rund 4.600 Packungen wurden nach einem Informationsschreiben des Ministeriums aufgrund abgelaufener Haltbarkeit in den Apotheken fachgerecht entsorgt.

Verdacht gegen Apotheke

Weiter heißt es in der Aussendung vom Dezember 2023, dass die Apothekerkammer nach Bekanntwerden von Verdachtsmomenten gegen eine einzelne Apotheke wegen einer Veruntreuung von etwa 2.000 Packungen bereits am 16. Januar 2023 unverzüglich eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht und damit zum schärfsten zur Verfügung stehenden Mittel gegriffen habe, um bestmöglich zur Klärung dieser Verdachtsmomente beizutragen.

Bundesminister Rauch hatte indes auf der Plattform X den illegalen Verkauf durch Apotheken in den Raum gestellt. (siehe unten Post vom Jänner 2024)

Schreiben vom Ministerium

Nachdem der Konflikt beigelegt schien, wird nun erneut in den Apotheken nach Unregelmäßigkeiten bei der Medikamentenausgabe geforscht. Bis zum 7. August müssen alle Apotheken einen Nachweis über die Verwendung aller bezogenen Paxlovid-Packungen vorlegen. Obwohl der Link zur entsprechenden Umfrage direkt von der Kammerinfo versendet wurde, möchte das Ministerium offensichtlich sicherstellen, dass diese Aufforderung auch tatsächlich jede Offizin erreicht. Deshalb wurden die österreichischen Apotheken zwei Tage nach dem Versand der Kammerinfo direkt angeschrieben, ohne die Apothekerkammer darüber zu informieren. Eine gänzlich unübliche Vorgehensweise.

Auf Anfrage von TARA24 hob das Ministerium die Bedeutung der Transparenz hervor, da es sich um einen dreistelligen Millionenbetrag aus Steuermitteln handelt, und verwies auf die zuvor übermittelte Kammerinformation: “Für das antivirale COVID-19-Therapeutikum Paxlovid hat der Bund einen dreistelligen Millionenbetrag aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt. Uns war es deshalb wichtig, die Apotheker:innen direkt und deutlich auf die Notwendigkeit hinzuweisen, den Nachweis über die Abgabe sämtlicher Packungen des Medikaments Paxlovid zu erbringen, und auch auf mögliche Konsequenzen hinzuweisen. Die Apothekerkammer hat ihre Mitglieder über die Kammerinfo ebenfalls informiert.”

Keine verpflichtende Dokumentation

Für die Apotheken stellt sich diese Anforderung als nahezu unlösbares Problem dar. Im fraglichen Zeitraum waren sie nicht dazu verpflichtet, detaillierte Dokumentationen zu führen. Stattdessen lag der Fokus darauf, das Notfallmedikament schnell und unbürokratisch an die Patient:innen abzugeben. Zusätzlich führte die Verlängerung der Haltbarkeit zu Verwirrung: Einige Apotheken hatten die vermeintlich abgelaufene Ware bereits fachgerecht entsorgt, bevor die Verlängerung bekanntgegeben wurde.

Schwarze Apotheken-Schafe?

Ob dem Gesundheitsministerium nach dem 7. August eine lückenlose Dokumentation der Abgabe vorgelegt werden kann, bleibt in Anbetracht der damaligen Umstände abzuwarten. Sollten tatsächlich einige wenige Apotheken illegale Verkäufe getätigt haben und damit eine ganze Branche in Misskredit bringen, ist zu hoffen, dass dies vollständig aufgeklärt werden kann.

BM Johannes Rauch auf X
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