Fiona Fiedler, NEOS: “Apotheken sollen Patientenflüsse im Gesundheitssystem steuern”


von

Ulrike Krestel

Wir wollen ehrliche Debatten zu einer bestmöglichen Nutzung von Kompetenzen im besten Sinne der Patient:innen und daher auch eine Aufwertung der Apotheke als Ort der Gesundheit, so NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler.NEOS

Für die NEOS war die Gesundheitsreform lediglich eine Neuverhandlung des Finanzausgleichs. Nun müsse man endlich ins Handeln kommen, betonte NEOS-Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. Apotheken sollten in Zukunft eine noch größere Rolle übernehmen, etwa bei der Beratung zur Selbstmedikation, insbesondere zur Vermeidung von potenziell inadäquaten Medikationen (PIM). Auch die Einführung von PCR-Tests sei ein Fortschritt, beispielsweise für das Grippemonitoring, und könnte zudem Arztbesuche verringern. Hinsichtlich der Standortsicherung der Pharmaindustrie sind Ausbildung und Forschungspolitik zentrale Ansätze.

TARA24: Welche gesundheitspolitischen Schwerpunkte werden die NEOS in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Fiona Fiedler: Die wichtigsten Änderungen wären die Einführung von Vorsorge- und Präventionsprogrammen, strukturierte Versorgungsprogramme für chronische Krankheiten, eine Erweiterung des Mutter-Kind-Passes sowie eine tatsächliche Stärkung des niedergelassenen Bereichs. Gleichzeitig muss zur Entlastung des Personals sowie des Gesundheitssystems die Digitalisierung forciert werden – um Patient:innen ihre Befunde leichter zugänglich zu machen, Mehrfachuntersuchungen zu verhindern und den Bürokratieaufwand in der Dokumentation zu reduzieren.

Langfristig muss diese Legislaturperiode genutzt werden, um Struktur- und Finanzierungsreformen einzuleiten, sodass beim nächsten Finanzausgleich die Finanzierungsströme vereinfacht werden, weniger Mittel im System versickern und Patient:innen und eine Verbesserung des Gesundheitszustands endlich wieder im Mittelpunkt stehen.

Werden Sie die Ziele der beschlossenen Gesundheitsreform unterstützen? Welche Punkte priorisieren sie?

Fiedler: Die groß angekündigte Gesundheitsreform war de facto nur die regelmäßige Neuverhandlung des Finanzausgleichs und hat leider auch nicht ausreichende Neuerungen gebracht. Wichtig ist – ehrlich gesagt bei fast allen Aspekten davon – endlich in die Umsetzung zu kommen. So steht beispielsweise die Diagnoseerfassung im niedergelassenen Bereich seit 1999 in diesen Verträgen, in der Praxis gibt es diese allerdings noch immer nicht. Das gleiche gilt für die echte Verlagerung von stationär zu ambulant, für die Digitalisierung, mehr Vorsorge etc. Das Wichtige wird es also sein, endlich ins Tun zu komen.

Apotheken spielen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung vor Ort. Wie planen die NEOS die Position und Aufgaben der Apotheken zu stärken? Wie stehen Sie zu Einführung von Impfen in der Apotheke?

Fiedler: Apotheken sollten jedenfalls eine wichtigere Rolle spielen: etwa, um die Patientenflüsse im Gesundheitssystem besser zu steuern. Bei Behandlung stellt sich die Frage, was genau als Behandlung verstanden wird. Oft übernehmen Apotheken dies bei OTC-Produkten schon durch pharmazeutische Beratung oder der Beratung bei Selbstmedikation, die zur Verhinderung bzw. Reduktion von potenziell inadäquaten Medikamenten, PIM einen wichtigen Beitrag leistet. Auch dass jetzt PCR-Tests möglich sind, könnte beispielsweise für das Grippemonitoring einen Fortschritt bedeuten und teilweise sogar Arztbesuche reduzieren – was für die Verbreitung von Infektionen auch einen positiven Aspekt hat. Ein weiteres klassisches Beispiel für eine gute Nutzung dieser Kompetenzerweiterung wäre auch Impfen in der Apotheke – um Ärzt:innen, Patient:innen und das gesamte Gesundheitssystem zu entlasten.

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Apotheken für die öffentliche Gesundheit sind. Wie werden die NEOS diese Erfahrungen nutzen, um Apotheken in Zukunft noch stärker in Präventionsmaßnahmen einzubeziehen?

Fiedler: Für chronische Krankheiten gibt es in vielen Ländern die Möglichkeit, in Apotheken als niederschwelligster Gesundheitseinrichtung beispielsweise Werte zu Kontrollen zu nutzen – solche Angebote könnten im Rahmen einer erweiterten Vorsorge sehr wohl angedacht werden, um Apotheken als vollwertige Gesundheitseinrichtungen zu nutzen.

Wie stehen Sie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere in Bezug auf die elektronische Verschreibung und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern?

Fiedler: Bisher war die Ausgestaltung des Gesundheitstelematikgesetzes eines der größten Hindernisse. Durch die Pandemie ist hier Bewegung hineingekommen, jetzt gilt es, die Vorgaben zwischen verschiedenen Gesundheitseinrichtungen bestmöglich abzustimmen und so für eine Umsetzung zu sorgen, die in jedem Setting die Intereessen der Patient:innen im Mittelpunkt hat. Durch eMedikation und die so erweiterten Möglichkeiten von Pharmazeuten, ihr Fachwissen zu nutzen, wurden erste Schritte gesetzt, langfristig kann auch über Angebote von Telemedizin in Apotheken nachgedacht werden.

Welche Rolle sehen Sie für Apotheken in der Zukunft im Hinblick auf die Telemedizin und digitale Gesundheitsberatung?

Fiedler: Sollten Apotheken sozusagen als Portal zu Ärzt:innen genutzt werden können, spricht wenig dagegen. In anderen Ländern haben derartige Projekte ja auch sehr gute Ergebnisse für die Gesundheitsversorgung gebracht.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um die pharmazeutische Industrie in Österreich zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf Forschung und Entwicklung?

Fiedler: Österreich investiert viel in Forschung, allerdings ist es oft schwierig, die Interessen der akademischen Forschung auch unternehmerisch zu nutzen und beispielsweise auch bei Medikamentenstudien gibt es große bürokratische Hürden. Hier braucht es Verbesserungen und Ansätze zur Entbürokratisierung, da es ohnehin hohe EU-Anforderungen zu erfüllen gibt und Mehrgleisigkeiten lediglich Hindernisse darstellen. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass auch die pharmazeutische Industrie stark unter dem Arbeitskräftemangel leidet und dementsprechend in der Debatte berücksichtigt werden muss.

Österreich ist ein Pharmastandort, und die Pharmaindustrie einer der wichtigsten Wachstumsmarkt. Die Tendenzen gehen jedoch immer mehr Richtung Zentralisierung und damit weg aus Österreich. Wie bleibt Österreich als Industrie- und Wirtschaftsstandort attraktiv?

Fiedler: Gerade in der Pharmaindustrie sind internationale Lieferketten wichtig, da nur die wenigsten Produkte ihren gesamten Produktionskreislauf an einem Standort durchlaufen. In den letzten Jahren gab es hier einen regen Austausch, viele Produktionsstätten stehen aufgrund der hohen Lohnnebenkosten sowie der gestiegenen Energie-, Produktions- und Transportkosten aber stark unter Druck. In Österreich und ganz Europa kann – neben einer sinnvollen Steuerung bei Arbeitskräftemangel, Energie- und Lohnnebenkosten – deshalb der größte Standortvorteil durch Innovation und gute Forschungsanbindung gewonnen werden. Deshalb zählen Ausbildung und Forschungspolitik zu wichtigen Ansätzen der Standortsicherung in der Pharmazie gehören.

Der Zugang zu leistbaren Medikamenten ist ein zentrales Thema in der Versorgung. Welche Strategien verfolgen Sie, um Preisanstiege bei Medikamenten zu kontrollieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit sicherzustellen?

Fiedler: Das österreichische Gesetz regelt Medikamentenpreise relativ strikt und verhindert starke Preisanstiege. Im internationalen Vergleich ist deshalb die Verfügbarkeit in Folge der großen Konkurrenz das größere Problem. Wichtig ist aber jedenfalls, dass es sowohl bei günstigeren Generika als auch bei hochpreisigen und innovativen Medikamenten unterschiedliche Preisbindungsmechanismen gibt, die die verschiedenen Bedingungen abbilden.

Stichwort Lieferengpässe: Wie kann man sicherstellen, dass der Zugang zu innovativen Medikamenten für die Bevölkerung gewährleistet bleibt. Was braucht es auf globaler Ebene, um die Versorgung in Europa und in Österreich zu stärken.

Fiedler: Die ersten Schritte sind auf einer nationalen Ebene immer leichter zu setzen. Hier wären langfristig verbindliche Pläne zur Preisgebung von Vorteil und durch eine Sätrkung des Forschungsstandorts könnte auch die Bindung an die produzierenden Zweige gestärkt werden. Auf EU-Ebene muss aus dem neuen Paket zur Pharmalegislation eine europaweite Strategie zur Stärkung auch des Produktionsstandortes entwickelt werden – denn all die neuen Pläne bringen wenig, wenn die europäischen Länder infolgedessen in einen Standortwettbewerb treten.

Warum sollten Apotheker und pharmazeutisches Fachpersonal die NEOS wählen? Welche Vorteile versprechen Sie speziell dieser Berufsgruppe?

Fiedler: NEOS stehen für faktenbasierte und zukunftsorientierte Gesundheit, die sowohl menschliche, persönliche Aspekte wie Qualität der Versorgung oder gesunde Lebensjahre etc., als auch die wirtschaftlichen Aspekte, wie Leistbarkeit für Staat und Patient:innen, sowie Rentabilität für Gesundheitsdienstleister, im Fokus hat. Wir stehen für ehrliche Debatten, die die bestmögliche Nutzung von Kompetenzen im besten Sinne der Patient:innen ermöglicht und daher auch eine Aufwertung der Apotheken als Orte der Gesundheit zum Ziel hat.

Zum Schwerpunkt NR-Wahlen:
Interviews mit den Standesvertretern und Gesundheitssprechern



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