Für die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist ein niederschwelliger und wohnortnaher Zugang zu Gesundheitsleistungen von zentraler Bedeutung. Deshalb werde man den Ausbau der Kompetenzen und damit die Aufwertung des Berufs der Apothekerinnen und Apotheker vorantreiben, erklärt SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher, gegenüber TARA24. Um Engpässe bei Medikamenten zu vermeiden, müsse die EU ihre strategische Unabhängigkeit stärken. Dazu gehören sichere Lieferketten sowie die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Forschung für eine nachhaltige pharmazeutische Industrie in Europa. Es bedürfe zudem EU-weiter Investitionen in medizinische Forschung und der Vorratshaltung notwendiger medizinischer Ausrüstung.
TARA24: Welche gesundheitspolitischen Schwerpunkte wird die SPÖ in der kommenden Legislaturperiode setzen?
Philip Kucher: Österreichs Gesundheitssystem war lange Zeit ein Vorbild für andere Länder. Unabhängig vom Einkommen konnten die Menschen darauf vertrauen, als Patient:innen gut versorgt zu werden. Die SPÖ will das Gesundheitssystem wieder aufbauen. Man muss sich darauf verlassen können, dass man einen Termin bei der Ärztin oder beim Arzt bekommt, wenn man ihn braucht.
Grundsätzlich haben wir drei Forderungen für ein besseres Gesundheitssystem:
Das ist zum einen die staatlich garantierte medizinische Termingarantie: Wenn jemand bei Beschwerden nicht innerhalb von 14 Tagen einen Termin bei der Fachärztin oder dem Facharzt der Wahl bekommt, muss eine eigene Terminservicestelle (1450) einen Behandlungstermin bei Kassenvertragsärzt:innen, Patient:innenversorgungszentren oder in einer eigenen Einrichtung der Sozialversicherung anbieten. Wahlärzt:innen sollen im Bedarfsfall Kassenpatient:innen behandeln. Sie werden eingeladen, vertraglich an einem solchen Programm gegen Versorgungsengpässe teilzunehmen. Viele Wahlärzt:innen sind von sich aus bereit, bis zu 10 Prozent ihrer Kapazitäten zum Kassentarif zur Verfügung zu stellen. Sollte das nicht ausreichen, ist als ultima ratio auch eine gesetzliche Verpflichtung vorstellbar.
Weiters fordern wir eine Verdoppelung der Medizinstudienplätze und Vorreihung jener Studierenden, die sich für den Dienst im öffentlichen Gesundheitssystem freiwillig verpflichten.
Zum Dritten bedarf es zusätzlicher öffentlicher Mittel, die bereits 2018 in Form einer Patientenmilliarde versprochen wurden. Diese Mittel müssen tatsächlich auch dem Gesundheitssystem zugeführt werden.die privaten Ausgaben zum Gesundheitssystem steigen jährlich und haben bereits ein extrem hohes Niveau erreicht.
Werden Sie die Ziele der beschlossenen Gesundheitsreform unterstützen? Welche Punkte priorisieren sie?
Kucher: Für die SPÖ ist der niederschwellige, wohnortnahe Zugang zu Gesundheitsleistungen von zentraler Bedeutung. Alle Maßnahmen, die dieses Ziel verfolgen, werden von uns auch unterstützt.
Apotheken spielen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung vor Ort. Wie plant die SPÖ, die Position und Aufgaben der Apotheken zu stärken? Wie stehen Sie zu Einführung von Impfen in der Apotheke?
Kucher: Apotheken beziehungsweise Apotheker:innen leisten eine wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die SPÖ fordert seit langem den Ausbau des niederschwelligen Zuganges zu wichtigen Gesundheitsleistungen, insbesondere auch im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention. Hier können insbesondere Apotheken einen wesentlichen Beitrag leisten und damit auch an Randzeiten oder unterversorgten Gebieten ein ergänzendes Angebot darstellen. Insbesondere Impfmöglichkeiten in öffentlichen Apotheken würden einen zusätzlichen niederschwelligen, serviceorientierten und unkomplizierten Zugang zu Impfungen ermöglichen und damit die Durchimpfungsraten in Österreich erhöhen.
Wie stehen Sie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere in Bezug auf die elektronische Verschreibung und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern? Welche Rolle sehen Sie für Apotheken in der Zukunft im Hinblick auf die Telemedizin und digitale Gesundheitsberatung?
Kucher: Die SPÖ bekennt sich zum Einsatz modernster Technologien mit dem Ziel, den Menschen in Österreich eine raschere und bessere Gesundheitsversorgung zu bieten. Neben den zahlreichen Vorteilen gilt es auch Herausforderungen, die bei der virtuellen Versorgung von Patient:innen zu berücksichtigen sind, zu bewältigen. Dazu gehören insbesondere Datenschutz und Datensicherheit. Bei der Übermittlung von medizinischen Daten ist ein hoher Schutz erforderlich.
Sehr gutes Beispiele für die Einbindung der Apotheker:innen ist das E-Rezept und über ELGA die eMedikationsliste. Damit haben z.B. Hausärzt:innen oder Krankenhäuser, sofern sie ELGA verwenden, einen aktuellen Überblick über die verordneten und in der Apotheke abgegebenen Medikamente. Damit können diese besser auf unerwünschte Wechselwirkungen überprüft werden. Es können so auch unnötige Doppelverschreibungen vermieden werden. Um eine bessere Beratung beim zusätzlichen Kauf von rezeptfreien Medikamenten anzubieten, können Apotheker:innen ebenfalls auf die eMedikationsliste zugreifen.
Welche Maßnahmen sind notwendig, um die pharmazeutische Industrie in Österreich zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf Forschung und Entwicklung?
Kucher: Eine wichtige Frage für produzierende Unternehmen sind planbare und konkurrenzfähige Energiepreise. Wir werden es uns auf Dauer nicht leisten können, Energiepreise zu haben, die weit über jenen der USA oder China liegen. Standortsichernd wirkt zudem direkte und indirekte Forschungsförderung, damit soll es auch gelingen die Produktion einer pharmazeutischen Grundversorgung im Inland zu halten und eine gewisse Unabhängigkeit von ausländischer Produktion, speziell in Krisenfällen, zu erreichen. Die Forschungsprämie als indirekte Förderung soll auch die Headquater in Österreich halten und richtet sich eher an größere Unternehmen. Für KMUs sind direkte Forschungsförderungen über die Agenturen (z.B. FFG) geplant. Zudem sollen Forschungskooperationen mit Universitäten gestärkt werden. Unternehmen, die auch in Europa produzieren, sollen Vorrang haben.
Der Zugang zu leistbaren Medikamenten ist ein zentrales Thema in der Versorgung. Welche Strategien verfolgen Sie, um Preisanstiege bei Medikamenten zu kontrollieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit sicherzustellen?
Kucher Wir brauchen umgehend ausreichende und qualitativ hochwertige Versorgungsforschung. Diese umfasst einerseits die Zugänglichkeit von Daten, das Management von Schnittstellen, aber auch Evidenz und Konzepte, wie wir die Medikamentenversorgung in unserem Land langfristig sicherstellen. Das System der Preisgestaltung funktioniert in Österreich relativ gut, es braucht allerdings langfristige Regelungen, die auch den Pharmaunternehmen Sicherheit geben, und keine einjährigen Befristungen, die zu Unsicherheiten führen und einen möglichen Abzug vom österreichischen Markt zur Folge haben.
Stichwort Lieferengpässe: Wie kann man sicherstellen, dass der Zugang zu innovativen Medikamenten für die Bevölkerung gewährleistet bleibt. Was braucht es auf globaler Ebene, um die Versorgung in Europa und in Österreich zu stärken?
Kucher: Die Europäische Union muss ihre strategische Unabhängigkeit stärken, damit es zu keinen Engpässen bei Grundmedikamenten und lebensrettenden Medizinprodukten kommt. Dazu gehören sichere Lieferketten wie auch die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Forschung für eine nachhaltige pharmazeutische Industrie in Europa. Es braucht EU-weite Investitionen in medizinische Forschung sowie Vorratsbildung von notwendiger medizinischer Ausrüstung und Medikamenten. Die SPÖ unterstützt Initiativen für eine gemeinsame europäische öffentliche Forschung zu Impfstoffen, lebensrettenden Medikamenten und Antibiotikaresistenzen.
Warum sollten Apotheker und pharmazeutisches Fachpersonal die SPÖ wählen? Welche Vorteile versprechen Sie speziell dieser Berufsgruppe?
Kucher: Die SPÖ weiß um die wichtige Rolle der Apotheker:innen und des pharmazeutischen Fachpersonals innerhalb des Gesundheitssystems. Daher werden wir am Ausbau der Kompetenzen und damit an der Aufwertung des Berufes Apotheker:in und pharmazeutisches Fachpersonal ebenso wie an der Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen weiterarbeiten.
Zum Schwerpunkt NR-Wahlen:
Interviews mit den Standesvertretern und Gesundheitssprechern