Josef Smolle, ÖVP: “Apotheken sind schützenswerter Pfeiler der Gesundheitsversorgung”


von

Ulrike Krestel

Apotheken sind wesentlicher Teil der essentiellen Infrastruktur in der Gesundheitsversorgung, die es zu schützen gilt, so ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle.Parlamentsdirektion/Raimund Appel

Die Österreichische Volkspartei sieht die Apotheken als wesentlichen Teil der unverzichtbaren Infrastruktur in der Gesundheitsversorgung, die es zu schützen, zu erhalten und weiterzuentwickeln gilt, sagt ÖVP-Gesundheitssprecher Dr. med. univ. Josef Smolle im Interview mit TARA24. Die flächendeckende Apothekenlandschaft soll gesichert und der Verkauf von OTC-Medikamenten außerhalb von Apotheken verhindert werden. Was das Impfen betrifft, strebt man einen Konsens mit allen Beteiligten an. Zudem bekennt sich die Partei zur im Jahr 2024 beschlossenen Gesundheitsreform.

TARA24: Welche gesundheitspolitischen Schwerpunkte wird die ÖVP in der kommenden Legislaturperiode setzen?

Dr. med.-univ. Josef Smolle: Entsprechend der Strategie „digital vor ambulant vor stationär“ streben wir an, dass Patientinnen und Patienten rasch den Weg zum „best point of care“ finden. Die Erstberatung über 1450 wird um Möglichkeiten zur Terminbuchung und direkte Telekonsultation ausgeweitet. Der kassenärztliche Bereich wird in der Allgemeinmedizin, in den Primärversorgungszentren und im fachärztlichen Bereich quantitativ ausgebaut und durch einen neuen Gesamtvertrag an die modernen Leistungsanforderungen angepasst. Im Spitalsbereich werden die Reformbestrebungen mit Schwerpunktsetzungen und Konzentration von Spezialleistungen, wie im Finanzausgleich vorgesehen, intensiviert.

Werden Sie die Ziele der beschlossenen Gesundheitsreform unterstützen? Welche Punkte priorisieren sie?

Smolle: Die Ziele der Gesundheitsreform im Rahmen des Finanzausgleichs 2024-2028 wurden von uns wesentlich entwickelt. Wir werden die Umsetzung intensiv begleiten und vorantreiben. Die Prioritäten entsprechen den oben angeführten. Besonders wichtig erscheint uns, dass die kassenärztliche Tätigkeit wieder zum vorrangig angestrebten Arbeits- und Lebensmodell des ärztlichen Nachwuchses wird.

Apotheken spielen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung vor Ort. Wie plant die ÖVP die Position und Aufgaben der Apotheken zu stärken? Wie stehen Sie zu Einführung von Impfen in der Apotheke?

Smolle: Wir stehen zur stabilen, flächendeckenden Apothekenlandschaft und werden diese auch in Zukunft absichern. Dazu gehören die strikte Ablehnung des Verkaufs von OTC-Medikamenten außerhalb von Apotheken und des Fernabsatzes von verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Beim Thema Impfen, werden wir uns, wie auch bei anderen Themen, für tragfähige gemeinsame Lösungen im Sinne der Patientinnen und Patienten mit guten Abläufen und der Wahrung hoher Sicherheitsstandards einsetzen. Entsprechende Vorschläge werden wir gerne unterstützen und umsetzen.

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Apotheken für die öffentliche Gesundheit sind. Wie wird die ÖVP diese Erfahrungen nutzen, um Apotheken in Zukunft noch stärker in Präventionsmaßnahmen einzubeziehen?

Smolle: Die zeitliche und örtliche Abdeckung des gesamten Bundesgebietes durch die öffentlichen Apotheken während der gesamten Zeit der Pandemie war ein unschätzbarer Beitrag zur Krisenbewältigung. Die Apotheken nehmen mit ihren ca. 400.000 täglichen Kundinnen- und Kunden-Kontakten eine wesentliche Rolle im Gesundheitswesen ein, wofür wir ausdrücklich danken möchten. Musste sich bisher die Mitwirkung an der Prävention allerdings auf situationsbezogene Beratungsgespräche beschränken, so wurde mit der jüngsten Gesetzesnovelle die Möglichkeit zur Erhebung ausgewählter Präventions-relevanter Befunde geschaffen, wodurch das Tätigkeitsfeld sinnvoll erweitert worden ist. Im Übrigen ist jedes Fachgespräch an der Tara eine Chance, Gesundheitskompetenz in die Bevölkerung zu bringen.

Wie stehen Sie zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere in Bezug auf die elektronische Verschreibung und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern?

Smolle: Das E-Rezept ist nach der vollständigen Ausrollung ein Best-Practice-Beispiel für Digitalisierung im Gesundheitswesen. Es schafft – abgesehen von den Vorteilen im individuellen Prozessablauf – weitere Nutzungsmöglichkeiten. Dazu zählen eine automatisierte Vor-Abklärung möglicher Arzneimittel-Interaktionen oder -Unverträglichkeiten, die wiederum Anlass für ein aufklärendes Gespräch sein können, ebenso wie das Einspielen der Verfügbarkeiten der Arzneimittel in die Ordinationssoftware-Systeme der Ärzteschaft.

Welche Rolle sehen Sie für Apotheken in der Zukunft im Hinblick auf die Telemedizin und digitale Gesundheitsberatung?

Smolle: Das wesentliche Asset unseres flächendeckenden Systems öffentlicher Apotheken ist der unmittelbare zwischenmenschliche Kontakt zu den Kundinnen und Kunden bzw. Patientinnen und Patienten. Diese wichtige direkte Interaktion im Gesundheitswesen soll auch in Zukunft ein zentrales Anliegen sein.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um die pharmazeutische Industrie in Österreich zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf Forschung und Entwicklung?

Smolle: Positive Standortfaktoren sind die hohe Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die guten sozialen und infrastrukturellen Gegebenheiten und die Forschungsprämie als Incentive für Investitionen in zukunftsorientierte Entwicklungen. Ebenso wichtig ist die intensive Zusammenarbeit zwischen Industrie und akademischen Einrichtungen sowie mit den Kliniken in Hinblick auf Arzneimittelstudien. Diese Studien schaffen nicht nur neue Erkenntnisse, sondern sie sind auch ein Weg, innovative Therapien frühzeitig für die Patientinnen und Patienten bereitstellen zu können und das medizinische Versorgungsniveau stets auf dem höchsten internationalen Stand zu halten. Schließlich sind auch die Förderprogramme für die angewandte Forschung und für die Grundlagenforschung wichtige Beiträge der öffentlichen Hand zur Standortattraktivierung.

Österreich ist ein Pharmastandort, und die Pharmaindustrie einer der wichtigsten Wachstumsmärkte. Die Tendenzen gehen jedoch immer mehr Richtung Zentralisierung und damit weg aus Österreich. Wie bleibt Österreich als Industrie- und Wirtschaftsstandort attraktiv?

Smolle: In der Arzneimittelproduktion haben sich Österreich und Europa in den letzten Jahrzehnten in hohem Maß von fernöstlichen Ländern und den USA abhängig gemacht. Hier bedarf es aktiver Maßnahmen eines Re-Shorings, das sowohl innerstaatlich als auch auf EU-Ebene gefördert werden muss. Überlegungen dazu betreffen die sektorale Ermöglichung direkter Förderungen ebenso wie die Berücksichtigung nationaler und europäischer Wertschöpfung in der Vergabe- und Preispolitik. Wir schätzen die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für die Gesundheitsversorgung ebenso wie ihren wirtschaftlichen Beitrag und werden uns für eine gute Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen einsetzen. All dies ist nicht nur von volkswirtschaftlichem Interesse, sondern dient mindestens ebenso der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln. Dabei geht es um eine koordinierte Weiterentwicklung im Rahmen einer Strategie und Schwerpunktsetzung für Life Sciences, wie es auch im ÖVP-Wahlprogramm angesprochen wird.  

Der Zugang zu leistbaren Medikamenten ist ein zentrales Thema in der Versorgung. Welche Strategien verfolgen Sie, um Preisanstiege bei Medikamenten zu kontrollieren und gleichzeitig die Verfügbarkeit sicherzustellen?

Smolle: Zwar sind innovative Therapien initial oft sehr teuer, aber generell zeigen die Arzneimittelpreise im weiteren Verlauf eine sinkende Tendenz. Manche Medikamente, die zur Zeit ihrer Einführung auf Grund der Kosten chefarztpflichtig waren, liegen nun preislich unter der Rezeptgebühr. Wir halten einerseits einen ausreichenden Patentschutz als Incentive für Forschung für wichtig, sehen aber ebenso den wichtigen kostendämpfenden Effekt, wenn Generika und Biosimilars auf den Markt kommen. In der Verfügbarkeit therapeutischer Innovationen ist Österreich eines der führenden Länder, und diese Position wollen wir im Interesse der Patientinnen und Patienten auch in Zukunft beibehalten.

Stichwort Lieferengpässe: Wie kann man sicherstellen, dass der Zugang zu innovativen Medikamenten für die Bevölkerung gewährleistet bleibt. Was braucht es auf globaler Ebene, um die Versorgung in Europa und in Österreich zu stärken.

Smolle: Den raschen Zugang zu neuen Therapien halten wir durch gezieltes Horizon Scanning und zeitnahe, fachkundige Anwendungsempfehlungen zusammen mit transparenten Preisverhandlungen aufrecht. Um Lieferengpässe im Niedrigpreissegment zu vermeiden, setzen wir im Sinn unserer ökosozialen Marktwirtschaft auf eine Vielfalt der Anbieter und eine Diversifizierung der Lieferketten. Darum treten wir für eine entsprechende Elastizität bei der Preisgestaltung ein, indem wir das Preisband für einen adäquaten Toleranzbereich nutzen und dieses ebenso wie die Generika- und Biosimilars-Preisregelung ins Dauerrecht überführen möchten. Damit schaffen wir Planbarkeit und verhindern, dass durch ungebremsten Preisdruck ein Anbieter nach dem anderen aus dem Markt austritt, und dadurch Engpässe und einseitige Abhängigkeiten entstehen. Hinsichtlich Standortsicherung und Wiederansiedlung müssen wir auf europäischer Ebene agieren. Wir werden nicht sämtliche Arzneimittel allein in Europa und schon gar nicht allein in Österreich produzieren können, aber wir müssen anstreben, aus einseitiger Abhängigkeit wieder zu symmetrischen, wechselseitig vorteilhaften Wirtschaftsbeziehungen zu kommen. Zudem beruht Lieferfähigkeit auch darauf, dass in der gesamten Lieferkette einschließlich Großhandel und Apotheken deren Leistungen in der Preisgestaltung berücksichtigt werden.

Warum sollten Apotheker und pharmazeutisches Fachpersonal die ÖVP wählen? Welche Vorteile versprechen Sie speziell dieser Berufsgruppe?

Smolle: Die ÖVP sieht die Apotheken als wesentlichen Teil der essentiellen Infrastruktur in der Gesundheitsversorgung, die es zu schützen, zu erhalten und weiterzuentwickeln gilt. Somit tritt unsere Politik für verlässliche, stabile rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Apotheken und ein Tätigkeitsfeld, das der hochwertigen Ausbildung und Qualifikation in der Branche entspricht, ein. Dabei geht es uns in der Gesundheitspolitik nicht um Vorteile für bestimmte Berufsgruppen, sondern um ein funktionierendes Gesundheitssystem mit Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten, und hierfür sind die Apotheken unabdingbare, hoch geschätzte Partner, deren gedeihliche Entwicklung uns ein großes Anliegen ist



Newsletter

Bleiben Sie stets informiert!