Taucht ein neuer Krankheitserreger in Österreich oder irgendwo auf der Welt auf, will das neue Ignaz Semmelweis Institut für Infektionsforschung (ISI) sich möglichst sofort komplett an dessen Fersen heften. Der Virologe Florian Krammer skizzierte gegenüber der APA, was das ISI, dessen offizieller Start am 1. Jänner ansteht, angesichts einer tatsächlichen „Krankheit X“ tun würde. Bis zum Vollausbau steht noch viel Aufbau an, so der Neo-Leiter des Instituts.
Insgesamt fünf Professuren an den Medizinischen Unis in Innsbruck, Graz und Wien bzw. der Medizinfakultät in Linz sowie der Veterinärmedizinischen Uni Wien umfasst das „interuniversitäre Institut“ dessen Implementierungsphase Ende des Jahres ausläuft. Mit Beginn 2025 übernimmt dann der in New York tätige Virologe Krammer den operativen ISI-Chefsessel von Interimsleiterin Sylvia Knapp.
Institut soll im Pandemie-Fall rasch reagieren können
Im nächsten Schritt geht es an die Besiedelung von neu geschaffener Laborfläche an der Medizinischen Universität Wien und die Etablierung von dort ansässigen Forschungsgruppen. Im Vollausbau soll die Infrastruktur so weit sein, dass man in möglichst kurzer Zeit Testverfahren und Impfstoffkandidaten für neu auftretende Erreger bis in klinische Testphasen bringen kann, so Krammer, der schon in der frühesten Phase der Covid-19-Pandemie mit einem Test auf den neuen SARS-CoV-2-Erreger aufwarten konnte.
Auch die Idee zum ISI entstand im Verlauf der Pandemie. Mit dem Institut, der damit einhergehenden Professur und einem neuen Ludwig Boltzmann-Institut zur „Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge“ kehrt der international renommierte steirische Virologe und Wissenschaftsvermittler in Teilzeit nach Wien zurück. Man möchte eine Institution sein, mit der „im Falle einer Epidemie oder Pandemie in Österreich schnell reagiert werden kann“, betonte Krammer. Das soll in Vernetzung mit anderen heimischen Forscherinnen und Forschern passieren.
Österreich braucht „Fokuspunkt“
Insgesamt sei Österreich hier „recht gut aufgestellt“, es brauche aber einen „Fokuspunkt“, der in Wien entstehen soll. Im Laufe des kommenden Jahres schreibt man daher auch fünf „Junior Principal Investigator“-Posten aus, um die sich dann weitere Arbeitsgruppen bilden werden. Im Endeffekt könnten am ISI rund 100 Personen tätig sein.
Nun stehe eine Art „Soft opening“ an, denn die Laborfläche im aktuell in Wien-Alsergrund in Bau befindlichen „Eric Kandel Institut – Zentrum für Präzisionsmedizin“ wird 2026 zur Verfügung stehen. Dort wird man eine ganze Etage bespielen, erklärte Krammer: „2027, 2028 soll ein neues Gebäude exklusiv für das Semmelweis Institut fertig werden.“ Dort wird es dann Labors mit Bio-Sicherheitsstufe drei geben: „Das ist superwichtig, weil ohne Zugang zu solchen Labors kann man im Notfall eigentlich wenig ausrichten.“
Virologie, Immunologie, Epidemiologie und Co unter einem Dach
Krammer: „Der Anspruch ist, dass wir ein Institut aufbauen, das international wirklich exzellente Wissenschaft betreibt“ – das Spektrum soll von der Grundlagenforschung bis in Richtung höchst angewandte Vorbereitungen auf Pandemien reichen. Hier soll Virologie, Immunologie, Epidemiologie und klinische Forschung miteinander vereint werden.
An der Meduni Wien werden künftig auch „sehr schnell“ Materialien für klinische Studien hergestellt werden können. Das heißt, dass man monoklonale Antikörper für Nachweisverfahren von Erregern bzw. für erste Therapeutika oder gleich Impfstoff-Kandidaten – von mRNA bis zu klassischen Impfstoffen – im Haus produzieren und in Notfällen in Phase-I-Untersuchungen bringen kann, erklärte der Wissenschafter. Dann brauche man allerdings rasch Partner aus der Pharmabranche, die eine Entwicklung in die nächsten klinischen Phasen bringen können.
Flexible Netzwerke nach US-Vorbild
Würde nun ein neuer Erreger mit pandemischem Potenzial auftreten – wie es zuletzt etwa in Berichten über eine möglicherweise neue „Krankheit X“ im Kongo in Raum stand – und seine Erbgutsequenz publiziert, könnte man ihn vielleicht schon im Labor rein auf Basis der genetischen Daten herstellen. Die Idee wäre, dann alle anderen Forschungsprojekte zu stoppen und die gesamten Ressourcen flexibel auf das sich entwickelnde Problem zu lenken. Zudem brauche es dann auch rasch Pläne, wie ein Monitoring aussehen soll. In den USA bestünden schon solch flexible Netzwerke. Hierzulande könnte das ISI ein solches koordinieren und federführend abwickeln, so Krammers Idee.
Hantavirus, H5N1 und diverse in Österreich neue Erreger
Abseits von etwaigem Troubleshooting in epidemisch-pandemischen Notfällen werde man einen ersten Schwerpunkt auf das Hantavirus legen, das bereits in Kärnten und der Steiermark vermehrt auftritt. Krammers Wiener Team arbeitet schon seit geraumer Zeit am hochpathogenen H5N1-Grippevirus, das mittlerweile in den USA über Rinderherden auch vereinzelt auf Menschen übergesprungen ist – bisher mit glimpflichen Verläufen. Dazu kommen diverse Erkrankungen, die etwa über Stechmücken neu in unseren Breiten auftreten, wie Krim-Kongo- oder Hämorrhagisches Fieber, Dengue-Fieber, Chikungunya oder das Usutu-Virus.
APAMED