Ein neues, gesetzlich beschlossenes Bewertungsboard soll hochpreisige Arzneimittel bewerten und je nach Patient:innenfall bundesweit Anwendungsempfehlungen aussprechen. Expert:innen, darunter Krankenhausapothekerin Gunda Gittler, sehen die Initiative grundsätzlich positiv, kritisieren aber die hohen Kosten und zu wenig Einbindung bei Entscheidungen.
“Die Grundidee für einen einheitlichen Therapiezugang in Österreich ist sehr positiv für die Patienten”, sagt Medizinerin und Medical Director bei Pfizer Sylvia Nanz am 8. Mai 2024 bei einer online Pressekonferenz. Fachexpert:innen seien aber zu wenig eingebunden und die Entscheidungsfristen für die oft rasch zu verabreichenden Medikamente zu lange.
Experte:innen zu wenig berücksichtigt
Reinhold Kerbl, von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Landeskrankenhaus Hochsteiermark in Leoben, begrüßt die zentral gesteuerte Kostenübernahme und kritisiert ebenfalls die fehlende Einbindung von Expert:innen. “In der Vergangenheit gab es Familien, die ihren Wohnort in ein anderes Bundesland verlegt haben, um zu Therapien zu kommen”, so Kerbl . Dass ein neues Gremium nun für ganz Österreich die Kostenübernahme bei sehr speziellen und teuren Therapien entscheiden wird, ist sehr begrüßenswert, damit alle Patient:innen in Österreich gleichberechtigt sind. Medizinische Expert:innen, drei von 25, seien jedoch zahlenmäßig zu gering vertreten. Die übrigen Gremiumsmitglieder vertreten vorwiegend die Behörden und “Zahler”, etwa das Gesundheitsministerium, das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, die Länder und Sozialversicherungen. “Als Mediziner glauben wir, dass wir die Bedürfnisse der Patient:innen gut kennen”, so Kerbl. “Wir würden auch nie eine Therapie propagieren, die den Betroffenen nichts nützt.”
“Bei den meist sehr seltenen Erkrankungen, wo solche Therapien zur Anwendung kommen, ist Expertenwissen unumgänglich”, ebestätigt Nanz. “Auch Patientenexperten sollten ihre gelebte Erfahrung einbringen”, sagte Elisabeth Weigand von Pro Rare Austria, einem Dachverband für Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen für seltene Erkrankungen mit Sitz in Wien: “Nur diese können den Zusatznutzen einer Therapie bewerten.”
Schnelle Wege wichtig
“Momentan kommen die Betroffenen vergleichsweise rasch zu neuen Therapien”, berichtete Nanz. Dies wäre sehr wichtig, denn viele der Krankheiten, wo hoch spezialisierte teure Therapien zur Verfügung stehen, sind chronisch fortschreitend, das heißt, ein entstandener Schaden ist nicht mehr wettzumachen. Das neue Bewertungsboard könne sich nicht nur bis zu fünf Monate für eine Entscheidung Zeit lassen, sondern sie sogar mittels “unlimitierter Fristerstreckung” theoretisch über mehrere Jahre verzögern, kritisierte Kerbl. Er forderte, dass jener Fristenpassus im Gesetz geändert wird.
Gunda Gittler von der Apotheke der Barmherzigen Brüder in Wien kritisierte zudem die hohen Ausgaben für das Bewertungsboard: “Drei Millionen Euro (jährlich, Anm.) nur für Verwaltung auszugeben – damit könnten wir als Krankenhausapotheker schon sehr viele Präparate besorgen.”
PHARMIG