Medikationsmanagement – wie läuft es in Deutschland wirklich?


von

Astrid Janovsky

Medikationsanalyse “nach deutschem Vorbild” bedeutet nicht zwingend große Gewinne.AdobeStock_231370644/megaflopp

Die österreichische Apothekerkammer wünscht sich eine Vergütung des Medikationsmanagements nach deutschem Vorbild. Aber was heißt das eigentlich genau? TARA24 bringt die subjektive Wahrnehmung von objektiven Fakten. Ein Kommentar von TARA24-Redakteurin und Deutschland-Apothekerin Astrid Janovsky.

Seit rund zweieinhalb Jahren können in deutschen Apotheken fünf pharmazeutische Dienstleistungen (pDl) unter gewissen Voraussetzungen auf Kassenkosten durchgeführt werden.

Zur Verfügung stehen:

  • „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ für 11,20 Euro netto
  • „Erweiterte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik“ für 20 Euro netto
  • „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ für 90 Euro netto
  • „Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten“ für 90 Euro netto
  • „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“ für 90 Euro netto

Die letzten beiden der oben genannten pDl werden in der Praxis selten angeboten. Wobei man zugeben muss, dass sich auch die restlichen drei nur eingeschränkter Beliebtheit bei den Apotheken erfreuen. Warum? Weil es verhältnismäßig viel Aufwand für den Lohn ist. Doch auf die eine Einschränkung folgt gleich die nächste, denn: es gibt einige Apotheken, die die pDl durchaus (finanziell und nicht nur über Umwege) gewinnbringend nutzen. Die Zauberwörter heißen „Organisation“ und „Sichtbarmachung“. Denn die knapp zwölf Euro für das (einmal jährlich bezahlte) Blutdruckmessen gibt es nur für den Preis der aufwändigen und damit zeitfressenden Dokumentation. Wird das Ganze aber in größerem Stil und gut organisiert durchgeführt, bleibt für die Apotheke auch was hängen.

Inhalationsschulung: Bezahlung überfällig

Durchaus beliebt ist hingegen die „Inhalationsschulung“ – und man muss es so flapsig sagen: wer das Geld nicht mitnimmt, ist selber schuld. Denn die Erklärung, wie das Inhalationsgerät richtig angewendet wird, ist Standard bei der entsprechenden Arzneimittelabgabe in der Apotheke. Wenn man jetzt die Kund:innen noch um ihr Einverständnis und die dazugehörige Unterschrift bittet, sind die 20 Euro praktisch schon in der Kasse, ohne eine große Extraleistung vollbracht zu haben. Und ehe das jemand missversteht: „zurecht in der Kasse“. Es ist nämlich durchaus an der Zeit, dass auch „Standardberatungen“, die für die Wirksamkeit der Medikamente unabdingbar sind, aber einen wesentlichen zeitlichen Mehraufwand bedeuten, honoriert werden.

Medikationsmanagement: wenig Geld für viel Leistung

Und dann ist da noch der große Problembär: das Medikationsmanagement. Dafür gibt es nicht nur deutlich mehr Kohle, es nimmt auch bedeutend mehr Zeit in Anspruch. Plus: es darf nur von Pharmazeut:innen durchgeführt werden und da auch erst nach entsprechender Schulung. Wobei die „Schulung“ eher digitales Zeitabsitzen mit finanzieller Selbstbeteiligung ist – zumindest manchmal. Denn die Organisation ist Ländersache und die Anforderungen bzw. Inhalte von Bundesland zu Bundesland – was man in Gesprächen so hört – recht unterschiedlich.

Aber zurück zum Knackpunkt: für die 90 Euro gibt es ein ausführliches Erstgespräch mit der genauen Besprechung aller Medikamente, welche die Patient:innen auch nach Möglichkeit mitbringen sollten, sowie ein ebenfalls ausführliches Gespräch nach erfolgtem Check und natürlich noch die eigentliche Arzneimittelanalyse. Offiziell dauert das zusammen 80 Minuten, praktisch entfallen schon auf die Patient:innengespräche locker 60 Minuten. Wenn man dann noch mit der oder dem Verschreibenden ein klärendes Wörtchen sprechen möchte, sind 80 Minuten ein frommer Wunsch. Ganz abgesehen, ob die Abgeltung dem zeitlichen Aufwand entspricht, braucht man auch erst einmal die personellen Kapazitäten dafür. Denn das pharmazeutische Personal fehlt zumindest zwei Mal für 30 Minuten an der Tara.

Emotion schlägt Kalkulation

Es gibt einige Apotheken, die Medikationsmanagement im großen Stil durchführen (also mehrere Termine pro Woche abwickeln).  Die tun das aber vor allem deshalb, weil sie für die Sache und die Zukunft der Apotheken kämpfen. Medikationsmanagement hat also nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen berufspolitisch-emotionalen Aspekt. Leider ist dieser aber bei wenigen Apotheken sichtbar.

Was dazu führt, dass viel Geld in dem Topf liegt, der für die Vergütung der pDl vorgesehen ist. Denn auch das ist beachtenswert: die Vergütung der Dienstleistungen ist kein ewig fließendes Füllhorn, sondern ein für Gesamtdeutschland gedeckelter Betrag. Ist der ausgeschöpft, werden weitere Leistungen nicht mehr erstattet. Aktuell ist man von dieser Situation (leider) ziemlich weit entfernt.

Die Zukunft liegt in Dienstleistungen

Fazit: Dienstleistungen sind sicher ein Zukunftsfeld, mit dem sich die Apotheke gegen den Onlinehandel behaupten kann. Noch (!) ist es finanziell für die Wenigsten der Heilsbringer. Wenn sich die Apotheken in diesem Feld aber beweisen, könnte es ein Türöffner für zukünftige Aufgaben sein, die die öffentliche Apotheke zum attraktiven Gesundheitsdienstleister avancieren lassen.



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