Die weltweit steigende Zahl an Fentanyl-Toten inspirierte die Wissenschaft zu einer kreativen Idee: das Antidot wird als Implantat im Körper bereitgestellt und im Notfall aktiviert. Erste Versuche sind vielversprechend.
Drogenmissbrauch ist ein stetig wachsendes, globales Problem. In den USA sind alleine im letzten Jahr rund 100.000 Personen an einer Überdosierung gestorben. In den meisten Fällen war Fentanyl ursächlich beteiligt. Medizintechniker wollen diesem Massensterben jetzt mit einer neuen implantierbaren Antidot-Pumpe begegnen.
Automatische Injektion nach Überdosis
Nach einem Bericht des Deutschen Ärzteblattes gelang es US-Ingenieuren, ein Implantat zu entwickeln, das eine Opiatüberdosierung erkennen und automatisch durch die Injektion von Naloxon beenden kann. Ein erster Prototyp konnte bei Schweinen 96 Prozent der Überdosierungen rechtzeitig beenden. Es handelt sich um erste Versuche, denen noch technische Verbesserungen und klinische Studien folgen müssen.
Schnelles Eingreifen wichtig
Bei einer Überdosierung von Opiaten kommt es auf schnelle Hilfe an. Binnen Minuten wird das Atemzentrum im Gehirn gelähmt, was schnell zum Tod führt. Das wichtigste Gegenmittel ist der Opioid-Antagonist Naloxon. Der Wirkstoff wird intravenös oder als ebenfalls schnell wirksamer Nasenspray verabreicht. Er bindet an den Opioid-Rezeptoren im Gehirn und hebt damit als Gegenspieler die Wirkung von Substanzen wie Heroin, Methadon oder Fentanyl ganz oder teilweise auf. In Österreich ist der Naloxon-Nasenspray zugelassen und auf Arztrezept erhältlich. In vielen Staaten wurde in den vergangenen Jahren der Zugang zu dem Medikament erleichtert, um Gefährdeten und deren Umfeld ein schnell wirksames Gegenmittel zur Verfügung zu stellen (TARA24 hat berichtet).
Knapp 8cm lang
Die US-Medizintechniker entwickelten mit “iSOS” (“implantable system for opioid safety”) ein Implantat, das gefährdete Menschen mit Opioid-Konsum schützen soll. Es ist als Prototyp 78 Millimeter lang, zwölf Millimeter breit sowie neun Millimeter dick und könnte beispielsweise am Oberarm unter die Haut eingebracht werden. iSOS verfügt über einen Infusionsmotor, einen kabellos wiederaufladbaren Akku mit einer Laufzeit von bis zu 14 Tagen, ein nachfüllbares Medikamentenreservoir, einen Mikrochip und mehrere Sensoren zur kontinuierlichen Aufzeichnung von Atemfrequenz, Herzfrequenz, Temperatur und Sauerstoffsättigung. Das soll zunächst eine möglichen Opioid-Überdosierung erkennen. Im Fall des Falles geht zunächst ein Alarmsignal an das Handy des Benutzers. Schaltet dieser den Alarm nicht ab, kommt es zur Abgabe von Naloxon.
Im ersten Versuchen „Schwein gehabt“
Erste erfolgreiche Tests gelangen dem Wissenschafterteam um Giovanni Traverso vom Brigham and Women’s Hospital in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts) vorerst an Schweinen. Sie bekamen zunächst eine nicht-tödliche Dosis Fentanyl. Nach 21 Sekunden verlangsamte sich bereits der Herzschlag, nach etwas mehr als zwei Minuten kam es zur Atemdepression. Bei einer Überdosis setzte die Atmung bereits nach 37 Sekunden aus. Nach diesen Testergebnissen wurde die Programmierung des Implantats gestaltet. Bei einer Fentanylüberdosierung bleibt nämlich wenig Zeit, um die Opioidwirkung durch Naloxon zu stoppen. Unterschieden werden muss auch zwischen einer langsam und einer schnell wirkenden Überdosierung. “In einer Simulation mit klinischen Daten war iSOS dazu in der Lage. Das Implantat erkannte alle 13 Fälle einer langsamen Überdosierung und in 15 von 17 Fällen auch eine schnelle Überdosierung”, schrieb die deutsche Ärztezeitung.
APAMED