Semaglutid reduziert Substanzenmissbrauch – eine Fallstudie


von

Astrid Janovsky

Die “Abnehmspritze” war auch bei Kokainabhängigkeit erfolgreich.AdobeStock_240816342/New Africa

Bereits mehrmals traten Indizien auf, dass GLP-1-Analoga, besser bekannt als “Abnehmspritze”, verschiedene Suchtverhalten positiv beeinflussen. Ein Fallbericht bestätigt nun den Nutzen bei Kokainmissbrauch.

Das Journal of Medical Case Reports berichtet von der Anwendung von Semaglutid aus der Gruppe der GLP-1-Analoga (Ozempic®) bei einem 54-jährigen Patienten mit Kokainmissbrauch und Gewichtsverlust. Die Autor:innen sehen den Fall als interessant, weil er eine Richtung für die Behandlung der komorbiden Fettleibigkeit und der Kokainkonsumstörung aufzeigt, einem aus epidemiologischer Sicht zunehmend häufiger auftretenden klinischen Zustand. Außerdem erlaube er, die Möglichkeit einer neuen Strategie zur Behandlung des Problems des Substanzverlangens, insbesondere nach Kokain, aufzuzeigen.

Übergewicht, Kokainkonsum, schlechter Lebensstil

Ein 54-jähriger Mann kaukasischer Herkunft litt hauptsächlich unter Fettleibigkeit und chronischem Kokainkonsum, was seine körperliche und geistige Gesundheit beeinträchtigt hatte. Der Patient hatte 15 Jahre lang Kokain missbraucht, was durch häufige Rauschzustände, intensives Verlangen und gescheiterte Versuche, aufzuhören, gekennzeichnet war. Er kämpfte mit Scham und Rückfällen. Trotzdem hatte er aufgrund von Skepsis und Angst vor Entzugserscheinungen keine langfristige Suchtbehandlung in Anspruch genommen. Zum Zeitpunkt der Vorstellung hatte er einen BMI von 35,4 kg/m² ( 105 kg) und führte einen sitzenden Lebensstil mit schlechten Ernährungsgewohnheiten, was zu einer erheblichen Gewichtszunahme im letzten Jahrzehnt geführt hatte.

Er litt auch an Depressionen und Angstzuständen, die teilweise mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) behandelt wurden, aber seine Symptome verschlimmerten sich in Zeiten erhöhten Drogenkonsums oder Abstinenzversuchs. Er hatte keine Vorgeschichte von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes, obwohl es in seiner Familie Fälle von Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes gab. Seine Motivation für die Behandlung war der Wunsch, seine körperliche Gesundheit zu verbessern, die Stigmatisierung zu reduzieren und die psychische Belastung durch den Kokainkonsum anzugehen. Das klinische Team setzte einen umfassenden und integrativen Behandlungsplan um, um sowohl seine Fettleibigkeit als auch die neurologischen und psychologischen Aspekte der Kokainsucht anzugehen.

Zwölf-Wochen-Therapie mit Erfolg

Die Behandlung mit Semaglutid, einem GLP-1-Rezeptoragonisten, lief über zwölf Wochen. Die Startdosierung lag bei einer wöchentlichen Menge von 0,25 mg und wurde bis Woche 8 schrittweise auf 1,0 mg erhöht. Während der gesamten Behandlung wurden das Gewicht, der BMI und das Verlangen nach Kokain des Patienten wöchentlich mithilfe des Cocaine Craving Questionnaire-Brief (CCQ-Brief) überwacht, um die Intensität des Verlangens zu verfolgen Angesichts der mangelnden Wirksamkeit der SSRIs wurden diese nach und nach abgesetzt, um die Behandlungsergebnisse zu optimieren.

Nach zwölf Wochen konnte das Gewicht von 105 auf 92 kg (BMI 31,0) gesenkt werden. Das Verlangen nach Kokain hatte sich auf der siebenteiligen CCQ-Brief-Skala von 5,6 auf 2,3 reduziert. Der Patient selbst berichtete von einer Verbesserung seiner körperlichen Gesundheit, einschließlich mehr Energie und weniger Gelenkschmerzen, und äußerte sich zufrieden mit seinen Fortschritten, was sein Selbstwertgefühl und seine Motivation steigerte.

Selbes Belohnungssystem aktiv

Die Autoren erklären die Wirksamkeit dadurch, dass eine erhebliche Überschneidung zwischen Adipositas und substanzbezogenen Störungen bestehe, da bei beiden dieselben neurobiologischen Bahnen im Belohnungssystem des Gehirns beteiligt sind. Das Konzept der „Nahrungsmittelsucht“ erklärt das zwanghafte Essverhalten bei Adipositas, bei dem kalorienreiche Nahrungsmittel ein ähnliches Verlangen wie Drogen auslösen. Beide Erkrankungen sind mit einer verringerten Verfügbarkeit des Dopamin-D2-Rezeptors im Striatum verbunden, was zu einer verminderten Sensibilität für natürliche Belohnungen und kompensatorisches Überessen oder Drogenkonsum führt. Personen mit Adipositas entwickeln eher substanzbezogene Störungen und umgekehrt. So neigen zum Beispiel Personen mit höherem BMI eher zu Substanzmissbrauch, und Personen in der Genesung von einer Sucht essen möglicherweise zu viel, um die Drogenabstinenz zu kompensieren.



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