Auf Instagram und TikTok werden immer öfter blaue Zungen in die Kamera gestreckt. Die Färbung rührt aber nicht von Heidelbeeren, sondern einer chemischen Verbindung, die seit Jahrhunderten bekannt und angeblich ein geistiger Jungbrunnen ist – sagen zumindest die Schlumpfzungen-Biohacker.
Nein, es geht nicht um Viagra, sondern um eine Substanz, die bereits im 18. Jahrhundert entwickelt wurde: Methylenblau oder kurz LMTM. Die Ursprungsbestimmung war der Einsatz als Färbemittel. Nur etwa 15 Jahre später erkannten die beiden Pauls Guttmann und Ehrlich die Funktion als Malariamittel – und zwar zur Behandlung des Fiebers und zum Abtöten der Plasmodien. Das liegt bereits mehr als 130 Jahre zurück. Danach hatte das Molekül noch eine kurze und wenig erfolgreiche Karriere als Psychopharmakon, wurde bzw. wird immer noch als Antidot bei Methämoglobinämie (z.B. bei einer Anilin- oder Nitritvergiftung) eingesetzt und ist unverzichtbar, um Zellpräparate einzufärben. Aktuell laufen mit der Verbindung auch vielversprechende Studien zur Alzheimertherapie im Frühstadium (TARA24 hat berichtet).
Schlumpfzunge als Bio-Hack
Seit einigen Jahren ist Methylenblau auch in der Biohacking-Szene beliebt. Stolz präsentieren die Vorreiter der Selbst-Optimierer ihre „Schlumpfzunge“ auf Social Media. Gefeiert wird LMTM für seine stark antioxidativen Eigenschaften und den Boost, den es den Mitochondrien verleihen soll. Durch eine Verbesserung der Effizienz des Elektronentransfers innerhalb der mitochondrialen Elektronen-Transportkette und einer Verhinderung des Elektronenaustritts (hervorgerufen durch Umweltgifte und ähnliches) kommt es zu einer Verbesserung der Energieproduktion und der Effizienz der Zellen. Außerdem werden im Zuge der oxydativen Phosphorylierung weniger Superoxid-Radikale produziert, was die Fähigkeit der Zellen verbessert, Sauerstoff zu nutzen.
Blauer Wunderwuzzi
Die Liste der positiven Effekte, die Methylenblau zugeschrieben werden, ist lang:
- Verbesserung des Stoffwechsel
- Verbesserung der Energieproduktion auf zellulärer Ebene
- Neuroprotektives Anti-Aging
- Steigerung von Konzentration und Gedächtnis, kurz- und langfristig
- Unterstützung bei Depressionen und Angstzuständen
- Potential als Mittel gegen Alzheimer und andere neurologische Erkrankungen
- Stickstoff-Oxid-Fänger
- Anwender berichten, dass sie eine Steigerung der Energie, mehr Konzentration und Klarheit sowie eine allgemeine Verbesserung der Stimmung und des Wohlbefindens empfinden.
Bei der Dosierung ist weniger mehr. In der Medizin wird als Antidot eine Menge von 1-2mg/kg Körpergewicht i.v. verabreicht. Biohacker begnügen sich anfangs mit 1-3mg und steigern sich dann auf 5-15mg pro Tag. Die Einnahme erfolgt oral in flüssiger Form oder als sogenannte „Trokies“. Hier sind aber selbst eingeschworene Biohacker skeptisch, denn Trokies werden ähnlich wie die gerade recht modernen Snus-Päckchen an die Innenseite der Oberlippe geschoben und sind bisweilen ein kreatives Überraschungspaket mit bei uns illegalen Substanzen als Zusatz. Nach der Einnahme noch ein bisschen in die Sonne und schon läuft das Gehirn auf Hochtouren – „so denn Gehirn von Haus aus da ist“, scherzt der Biohacking-Guru Andreas Breitfeld in seinem Podcast.
Orale Anwendung der Lösung nicht zugelassen
Offiziell muss die Schlumpf-Zunge der Biohacker aber Heidelbeeren zugeschrieben werden, denn Methylenblau ist in der oralen Anwendung nicht zugelassen. Die Einnahme erfolgt also Off-Lable, der Erwerb ist allerdings über (Apotheken)-Onlineshops möglich. Die Dosierung ist dann den Rechenkünsten überlassen.
Podcast „die Biohacking-Praxis“
https://www.atelier-414.com/studien
https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/naturheilkunde/alternative-mittel/methylenblau