Schau genau: unseriöse Corona-Studie enttarnt


von

Astrid Janovsky

Was nach einer wissenschaftlich fundierten Studie klingt, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Schummelei.AdobeStock_562078740/kórzewiak

Die APA (Austria Presse Augentur) hat gemeinsam mit Experten der Donauuni Krems eine eben veröffentlichte Studie zu Corona-Impfungen unter die Lupe genommen. Erstaunlich, wie leicht Falschbehauptungen in renommierte Medien gelangen und damit (Impf)Kritikern in die Karten spielen können.

Mit steigenden Infektionszahlen und angepassten Impfstoffen ist auch das Thema Covid-19 zurück im Fokus der Öffentlichkeit. Ein kürzlich publiziertes Papier aus Jordanien lässt nun mit unglaublichen Zahlen aufhorchen: 2,9 Prozent aller gegen Covid-19 geimpften Personen aus einer breit angelegten Testreihe sollen an den Folgen der Impfung verstorben sein. Impfkritische Webseiten stürzten sich auf die Ergebnisse der Publikation. Können diese Daten stimmen? In Folge lesen Sie die Einordnung der APA:

Einschätzung: Grundlage für die Datenanalyse sind Zahlen aus der US-amerikanischen VAERS-Datenbank, über die jede vermutete Impfnebenwirkung eingetragen werden kann. Zudem greifen die Autoren beim Hersteller Merck auf Daten zu Arzneimitteln zurück, die nichts mit Covid-19 zu tun haben. Die Zahlen aus dem Papier sind daher nicht belastbar, die Schlussfolgerungen als unseriös einzustufen.

Überprüfung: Das jordanische Papier mit dem Namen “Evaluation of the effects of MERCK, MODERNA, PFIZER/BioNTech, and JANSSEN COVID-19 vaccines on vaccinated people: A metadata analysis” wurde im niederländischen Wissenschaftsverlag Elsevier veröffentlicht und über dessen Website sciencedirect.com ausgespielt. Verfasst haben es Nadia Al-Rousan von der German Jordanian University und Hazem Al-Najjar von der Universität von Petra, beide in Amman.

Datenanalyse ohne medizinisches Hintergrundwissen

Auffällig daran ist, dass beide Forschenden nicht Medizin studiert haben, sondern ausgewiesene IT-Experten sind. Sowohl Al-Rousan als auch Al-Najjar haben ihre Doktortitel an einer malaysischen Universität erlangt. Ihre Expertise auf medizinischem Gebiet beschränkt sich auf die Auswertung und Aufarbeitung von Daten. Experten in der Einschätzung medizinischer Zusammenhänge sind die Faktenchecker von “Medizin-transparent” der Donau-Universität in Krems, die das vorliegende Papier in Kooperation mit APA-Faktencheck unter die Lupe genommen haben.

Ihr Fazit: Die Studie weise “grobe Fehler bei der Berechnung” der Daten auf, die Ergebnisse seien “verwirrend und widersprüchlich” und “äußerst unseriös”.
So wurden etwa auch Daten zu einem angeblichen Covid-Impfstoff der Firma Merck erhoben – ein solcher wurde jedoch nie zugelassen. Von APA-Faktencheck mit dieser Einschätzung konfrontiert, antwortete Studienautorin Al-Rousan, Merck hätte sich trotz fehlender Zulassung an der frühen Entwicklung von Impfstoffen beteiligt. Das rechtfertige demnach die Aufnahme in die Studie. Die verwendeten Merck-Daten stammen allerdings laut einer Überprüfung durch “Medizin-transparent” von Impfstoffen gegen andere Krankheiten.

Autorin verteidigt kontroversielle Ergebnisse

Zusätzlich verwies Al-Rousan darauf, dass die Daten aus ihrer Analyse aus einem sehr frühen Stadium der Pandemie stammten, als auch die Impfstoffe noch neu waren. Die Studienautoren seien daher der festen Überzeugung, die errechnete Sterblichkeitsrate von knapp drei Prozent sei “akzeptabel”. Mit den Ergebnissen ihrer Berechnungen wolle Al-Rousan das Bewusstsein der Öffentlichkeit “in Bezug auf lebenswichtige Fragen” erhöhen. Die in ihrem Paper errechneten Daten zu Impffolgen weichen stark von den offiziell kommunizierten Werten, etwa aus Österreich, ab. “Medizin-transparent” verweist dazu auf eine groß angelegte Übersichtsstudie, derzufolge 0,04 Prozent der Geimpften (und damit weniger als in einer parallel ausgewerteten Placebo-Gruppe) zwei bis sechs Monate nach, aber nicht an der Impfung verstarben.

Die Übersichtsstudie durchlief ein Peer Review. Dass dies auch bei dem Papier aus Jordanien passierte, überrascht die Mediziner der Donau-Universität aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten, auch wenn das entsprechende Journal von Elsevier darauf hinweist und dessen Chefredakteur das auch gegenüber APA-Faktencheck bestätigte. Die Pressestelle von Elsevier erklärte, man wolle sich das Papier noch einmal ansehen. Eine weitere Reaktion blieb bis Redaktionsschluss ausständig.

Datenquelle für Berechnungen ungeeignet

Dass die in Amman errechneten Zahlen viel höher sind, liegt vor allem an der verwendeten Datenquelle: VAERS. Das US-amerikanische “Vaccine Adverse Event Reporting System” ermöglicht allen Bürgern die Meldung von Impfnebenwirkungen. Viele Falschbehauptungen rund um Impfungen basieren auf den Daten aus VAERS. In der Datenbank finden sich allerdings nur gemeldete “Folgeschäden” (von “weinen” bis zum Tod), keine bestätigten. APA-Faktencheck hat bereits mehrere Falschbehauptungen, die auf VAERS-Daten als scheinbar gesicherter Quelle beruhen, überführt.

Veröffentlichungen als vermeintliche Legitimation

Problematisch ist vor allem, dass solche Analysen durch die Veröffentlichung in mehr oder weniger renommierten Publikationen eine gewisse Legitimation vorgeben können. 2023 tauchte etwa ein “Forschungsergebnis” zu Übersterblichkeitsraten in Europa in einer bulgarischen Medizinzeitschrift auf.
Dessen australischer Autor ist Doktor der Religionswissenschaft und Pharmazie-Bachelor und betreibt einen Substack-Account, auf dem er seit geraumer Zeit neben anderen klassischen Desinformations-Thematiken (etwa Migration, Geschlechteridentitäten, Trump) hauptsächlich impfkritische Beiträge veröffentlicht. Diese werden oft und gerne von einschlägigen Portalen weiterverbreitet. Ähnlich gelagerte Fälle gibt es auch in anderen Wissenschaftszweigen. So werteten etwa 2023 zwei norwegische Statistiker Klimadaten aus und zogen daraus Rückschlüsse, die nachweislich irreführend waren. Durch die Publikation des Diskussionspapiers auf der Seite des norwegischen Statistikamts bekam der Text eine vermeintliche Gravitas und wurde von zahlreichen Klimawandel-kritischen Portalen als Beleg aufgegriffen.

APAMED



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