Eine aktuelle Studie der MedUni Wien zeigt ein erhöhtes Risiko von Medikamentenwechselwirkungen bei Patient:innen mit der häufigsten Herzrhythmusstörung, dem Vorhofflimmern. Besonders alarmierend ist dieses, wenn Betroffene in Notfallambulanzen zusätzlich Medikamente erhalten. Die Forschungteam um Thorsten Bischof von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien warnen vor Polypharmazie als wachsendes Problem – besonders für chronisch erkrankte Menschen mit komplexen Langzeittherapien.
Bei akut auftretenden Gesundheitsproblemen und einem Aufenthalt in der Notaufnahme steigt dieses Risiko zusätzlich: Notaufnahmen erfordern oft schnelle Entscheidungen, die bei Patient:innen mit unvollständigen Medikationsangaben das Risiko gefährlicher Wechselwirkungen erhöhen können. „Die Notfallambulanz ist ein anspruchsvolles Umfeld, in dem das Fachpersonal rasch handeln muss, während viele Patient:innen weder ihre vollständige Krankengeschichte noch eine Übersicht ihrer Medikation angeben können“, erläutern die Forscher.
Für die Untersuchung wurden nachträglich Daten von 200 Patient:innen im Alter von durchschnittlich 71 Jahren, die zwischen 2018 und 2019 in die Notaufnahme des Wiener AKH kamen, analysoert. Der Großteil davon nahm bereits Langzeitmedikamente ein und erhielt in der Ambulanz zusätzliche Präparate zur Behandlung ihrer Herzrhythmusstörung. So wurden bei den 200 Patienten insgesamt 1.018 in der Langzeitmedikation verschriebene Arzneimittelwirkstoffe (im Mittel fünf pro Erkranktem) registriert. Während der Betreuung in der Ambulanz erhielten die Patienten 558 Wirkstoffe (im Mittel drei pro Erkranktem).
“Innerhalb der Langzeitmedikation der Patienten identifizierten wir 664 potenzielle Arzneimittelwechselwirkungen, das sind durchschnittlich zwei pro Patient:in, über alle Schweregrade hinweg. Die Gesamtzahl der pDDIs stieg von 1.421 (durchschnittlich sechs pro Patient) auf insgesamt 2.085 pDDIs (durchschnittlich sieben pro Patient), als die Medikamente, die die Patienten in der Notaufnahme erhielten, in die Analyse einbezogen wurden”, stellten die Fachleute fest.
Prüfung notwendig
Die Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, potenzielle Medikamenteninteraktionen besonders in Notfallsituationen sorgfältig zu überprüfen. “Unseres Wissens nach ist dies die erste Studie, die diese spezielle Patientengruppe mit Vorhofflimmern untersucht. Insgesamt haben wir 2.085 potenzielle Arzneimittelwechselwirkungen ermittelt, von denen 48 (zwei Prozent) mit dem höchsten Schweregrad (X, Kombination vermeiden) und 318 (15 Prozent) mit dem Schweregrad D (Therapieänderung erwägen) klassifiziert wurden. Ungefähr jeder fünfte Patient hatte mindestens eine kontraindizierte (nicht zu verwendende; Anm.) Medikamentenkombination, während 70 Prozent der Patienten mindestens eine Medikamentenkombination hatten, für die eine Therapieänderung empfohlen wird”, schrieben die Fachleute in der Diskussion ihrer Ergebnisse.
Drug-drug-interactions in patients with atrial fibrillation admitted to the emergency department
APAMED