Wiener Wissenschafter wollen die Wirksamkeit von Influenza-Vakzinen durch ein weiteres Antigen neben Hämagglutinin verbessern. Sie haben virusähnliche Partikel mit dem zweiten Hauptbestandteil der Virusoberfläche, der Neuraminidase, konstruiert. Im Tierversuch schützte die Kandidatvakzine Mäuse vor einer für sie tödlichen Grippe.
Influenza-Viren werden durch ihre beiden Oberflächenproteine – Hämagglutinin (HA oder H) und Neuraminidase (NA oder N) – charakterisiert. Die für Menschen als Krankheitserreger wichtigsten Influenza A-Viren besitzen an der Oberfläche H1 (z.B. A/H1N1), H2, H3, H5 (z.B. H5N1-“Vogelgrippe”), H7 oder H9. Bei der Neuraminidase kommen vor allem N1 und N2 als Varianten vor. Die bisherigen Impfstoffe aus Hühnerembryonen oder aus Zellkulturen werden jedes Jahr nach Empfehlungen der WHO auf die häufigsten Virus-Subtypen (Influenza A) abgestimmt. Derzeit sind in den Vakzinen zwei Hämagglutinin-Antigene (H1 und H3) für A/H1N1 und A/H3N2 enthalten. Den Neuraminidase-Antigenen (N1 und N2 für die beiden genannten Virusstämme; Anm.) widmete man bisher weniger Beachtung.
Analog HPV-Impfung
Die Wiener Wissenschafter produzierten deshalb auf gentechnischem Weg (Insektenzell-Systeme) N2-Antigene auf virusähnlichen Partikeln (VLPs). Solche Partikel – in diesem Fall auf der Basis des HIV-1-Strukturproteins (Gag) – werden seit längerer Zeit für mittlerweile weltweit bereits milliardenfach verwendete Vakzine als Antigenträger benutzt. Ein Beispiel sind die Impfstoffe gegen HPV (Gebärmutterhalskrebs, Genitalwarzen etc.). VLPs mit Antigenen rufen eine im Vergleich zu den Antigenen allein verstärkte Immunantwort mit der Bildung von Antikörpern hervor. Das beruht eben auf ihrem für die Erkennung durch das Immunsystem virusähnlichen “Aussehen”.
Verstärkte Immunantwort
In der Diskussion ihrer Ergebnisse stellen die Wissenschafter fest, dass man in Zukunft jedenfalls für Influenza-Vakzine auch extra Neuraminidase-Proteine oder VLPs mit Neuraminidasen an der Oberfläche verwenden könnte, um eine stärkere Immunantwort zu erzielen. Die Neuraminidase-Antigene verändern sich offenbar auch langsamer als das Hämagglutinin als Hauptantigen der Grippeerreger. Solche Impfstoffe mit einer Antigen-Kombination könnten eventuell länger und breiter wirken. Die ursächlich wirksamen Influenzamedikamente wie Oseltamivir erzielen ihren Effekt über die Blockade der Virus-Neuraminidase.
Bisher kein Durchbruch
Bis zur möglichen Anwendung solcher Influenza-Impfstoffe ist allerdings noch ein weiter Weg vom Tierversuch bis zu erfolgreichen klinischen Studien über Wirksamkeit und Verträglichkeit. Seit Jahrzehnten wird an besseren Influenza-Vakzinen geforscht. Ein wirklicher Durchbruch im Vergleich zu den herkömmlichen Vakzinen ist aber bisher ausgeblieben.
APAMED