Eine neue Studie der St. Anna Kinderkrebsforschung warnt vor den verborgenen Gefahren invasiver Pilzinfektionen bei immungeschwächten Patient:innen. Die prophylaktische Gabe von Antimykotika kann das Geschehen sogar verschlimmern.
Invasive Pilzinfektionen stellen eine erhebliche Bedrohung für Menschen mit geschwächtem Immunsystem dar, da ihr Körper oft nicht in der Lage ist, diese gefährlichen Erreger selbst zu bekämpfen. Die klinische Praxis setzt auf prophylaktische Antimykotika, die vorbeugend verabreicht werden, um das Auftreten von Infektionen zu verhindern. Doch die vorliegende Studie im Journal of Hematology & Oncology zeigt, dass dieser Ansatz nicht ohne Risiken ist: Zum einen sind die eingesetzten Medikamente oft toxisch und teuer, zum anderen führt die prophylaktische Behandlung zunehmend zu sogenannten Durchbruchinfektionen. Diese werden von bisher seltenen Pilzarten verursacht, die gegen die eingesetzten Antimykotika resistent sind. Das macht es besonders schwer, diese Infektionen zu diagnostizieren und wirksam zu behandeln.
Neue Test ermöglichen schnelle Identifizierung
Um dieser Herausforderung zu begegnen, entwickelte das Forschungsteam neue molekulare Nachweismethoden auf Basis der sogenannten “panfungalen” PCR-Technologie. Diese zur Patentierung eingereichte Methode ermöglicht es, über 100 verschiedene Pilzarten schnell und sensitiv zu erkennen, darunter auch jene, die herkömmliche Diagnoseverfahren nicht erfassen können. Diese fortschrittlichen Tests sind besonders wertvoll, da sie nicht nur eine schnelle Identifizierung der Erreger ermöglichen, sondern auch in der Lage sind, seltene Pilze zu erkennen, die bei immungeschwächten Patient:innen lebensgefährliche Infektionen auslösen können. Ein frühzeitiger Therapiebeginn bei invasiven Infektionen mit klinisch relevanten Pilzen ist für den Behandlungserfolg entscheidend.
Nicht jede Infektion erfordert Behandlung
Die Studie umfasste eine multizentrische Untersuchung von 195 pädiatrischen und erwachsenen Hochrisikopatient:innen, darunter viele Krebsbetroffene, die sich intensiven Chemotherapien unterzogen oder eine allogene Stammzelltransplantation erhielten. Insgesamt wurden 935 Blutproben analysiert, die zeigten, dass in vielen Fällen DNA von Pflanzen-assoziierten Pilzen nachgewiesen wurde, die normalerweise als harmlos gelten. Dies verdeutlicht eine zentrale Erkenntnis der Studie: Nicht jede nachgewiesene Pilzinfektion erfordert automatisch eine Behandlung. Es ist entscheidend, genau zu bestimmen, welche Pilze tatsächlich gefährlich sind, um einerseits eine rasche Therapie zu ermöglichen, andererseits aber unnötige und belastende Therapien zu vermeiden. Eine genaue Identifikation der Pilzarten ist daher unerlässlich, um sicherzustellen, dass nur potenziell gefährliche Infektionen behandelt werden und so unnötige medikamentöse Behandlungen vermieden werden.
Große Verantwortung
Thomas Lion, Gruppenleiter an der St. Anna Kinderkrebsforschung, und ärztlicher Direktor der Tochterinstitution Labdia Labordiagnostik GmbH fasst die Bedeutung der Ergebnisse zusammen: “Unsere Forschung zeigt, dass der Einsatz von breit angelegten Screening-Methoden eine große Verantwortung mit sich bringt. Es reicht nicht aus, das Vorhandensein von Pilz-DNA nachzuweisen. Die Identifikation der genauen Pilzart ist entscheidend, um die richtige Behandlung zu wählen und das Risiko unnötiger Therapien zu verringern.” Die Arbeit wurde im Rahmen des EU-Projekts FUNGITECT durchgeführt und finanziell unterstützt, was die Bedeutung der europäischen Zusammenarbeit in der medizinischen Forschung unterstreicht.
APAMED