Einst war es Malariamittel, dann Antiseptikum. Jüngst wurde es von der Biohacker-Szene entdeckt und jetzt soll Methylenblau sogar Alzheimer aufhalten können. Erleben wir am Ende noch unser blaues Wunder?
Methylenblau oder Methylthionin ist in seiner Grundform ein altes Malariamittel, das aber eine bereits viel ältere Geschichte als kurzzeitig erfolglos getestetes Psychopharmakon, Gegengift und Antiseptikum hat. Auch in der Grundlagenforschung ist die Substanz gut bekannt – als Farbstoff bestimmter Gewebestrukturen und Fasern bietet sie die Chance, Strukturen deutlich unterscheidbar zu machen.
Angriffspunkt Tau-Protein
Leuco-Methylthioninium-Bis-Hydromethansulfonat (kurz LMTM) – wie es chemisch exakt heißt – gilt aber auch als einer der Hoffnungsträger bei der Behandlung der Alzheimererkrankung. Sein Wirkmechanismus zielt dabei auf eine Störung der Verklumpung der Tau-Eiweiße ab, der sogenannten Tau-Aggregation.
Tau-Fibrillen sind Fasern, die innerhalb der Nervenzellen aus aneinander gebundenen Tau-Proteinen gebildet sind. Tau-Protein ist ein Eiweißstoff, der an Elemente des inneren Stützskeletts einer Zelle bindet und dessen Zusammenbau reguliert. Als Organisator des Gerüstbaus in den Zellen ist Tau also unerlässlich. Tauopathien sind Krankheiten, bei denen die Tau-Proteine nicht so arbeiten, wie sie sollen – genauer gesagt, lagern sich die Tau-Eiweiße typischerweise in anderer Weise aneinander und bilden längere Fasern, die Fibrillen. Diese Bündel sind bei Alzheimerpatienten gehäuft zu finden – daher zählt die Alzheimerkrankheit auch zu den Tauopathien.
Methylenblau-Monotherapie besser
In früheren Studien zeigte sich Methylenblau (LMTM) als vielversprechendes Mittel zur Hemmung der Tau-Ablagerung und der Bildung der Tau-Fibrillen. Wie effektiv LMTM als Medikament bei Patienten mit milder Alzheimererkrankung wirkte, wurde nun in einer klinischen Studie der Phase 3 über 18 Monate untersucht. Dabei wurden die insgesamt fast 1.500 Probanden in unterschiedliche Gruppen zu 4 bzw. 100mg LMTM als Mono- oder Add-on-Therapie eingeteilt.
Interessanterweise waren die Ergebnisse bei der Monotherapie besser und auch in niedrigen Dosen der Add-on-Variante überlegen. Es scheint, dass Methylenblau als Medikament in Monotherapie wirksam den Abbau im Verlauf einer Alzheimererkrankung in noch frühen Stadien verlangsamen kann. Dabei dürfte auch eine sehr niedrige Dosierung wirkungsvoll zu sein. Besseres Abschneiden der Monotherapie im Vergleich zur Add-On-Therapie mit Antidementiva könnte mit einem in weiteren Untersuchungen beschriebenen Effekt zusammenhängen: Antidementiva wie Memantin und Cholinesterase-Hemmer beschleunigen eventuell den Abbau der Denkleistung, wenn sie zu früh im Verlauf der Erkrankung gegeben werden, statt ihn aufzuhalten.
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