Long-Covid: Linderung durch Nikotinpflaster


von

Sandra Piontek

Respektable Erfolgsquote bei der Nikotin-Applikation an Long-Covid-Betroffenen.AdobeStock_49079503/Pixelot

Die Long-Covid-Forschung nimmt immer mehr an Fahrt auf, trotzdem sind die Resultate bisher überschaubar. Eine Heilung ist noch nicht in Sicht, aber es gibt Hoffnung auf Linderung – und zwar in Form von Nikotin-Pflastern.

Dr. Marco Leitzke, Oberarzt am Department für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin der Helios Klinik Leisnig, konnte gemeinsam mit seinem Forschungsteam der Poliklinik und Klinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Leipzig nun erstmals die Wirkung von Nikotin bildgebend zeigen. „Nach einer Sars-CoV-2-Infektion leiden viele Menschen am Long-Covid-Syndrom. Das macht es ihnen unmöglich, alltägliche Aktivitäten aufgrund von Schwäche, Gedächtnisverlust, Schmerzen, Atemnot und anderen unspezifischen körperlichen Beschwerden fortzusetzen“, erklärt Leitzke.

Virus blockt Nervensystems

Laut dem Forscher treten die Symptome auf, „da die gesunde Kommunikation zwischen Zellen und Nervensystem durch die Covid-19-Erkrankung entweder vorübergehend oder dauerhaft gestört“ ist. Diese sind dabei nicht nur vielfältig, sondern dauern bei vielen Betroffenen auch mehrere Monate oder Jahre an. Das Problem: Es gibt laut Leitzke derzeit keine Aussicht auf eine wirksame Therapie oder Heilung. „Durch die Infektion gelangen virale Proteine in die menschlichen Zellen und besetzen an deren Oberfläche die Bindungsstellen der nikotinischen Azetylcholinrezeptoren (nAChRs)“, erklärt der Experte. „Diese Rezeptoren bilden die zentrale Struktur der cholinergen Neurotransmission und sind für die koordinierte Interaktion von neuronalen Netzwerken verantwortlich.“

Durch die Bindung des Virus-Proteins und die Blockade dieser Rezeptoren würden die gesunde Kommunikation des Nervensystems und die damit verbundenen Abläufe gestört. Dies erkläre sowohl die kognitiven, geistigen und neuromuskulären Einschränkungen als auch die Stimmungsbeeinträchtigungen sowie die vegetativen Symptome, die das Long-Covid-Syndrom kennzeichnen. „Bei der Behandlung mehrerer Patienten:innen mit Long-Covid-Syndrom durch die Anwendung von Nikotinpflastern konnten wir Verbesserungen beobachten, die von sofortigen und erheblichen bis hin zu vollständigen Remissionen innerhalb sehr unterschiedlicher Zeiträume reichten“, betont Leitzke.

Nikotin verdrängt Spike-Protein

Dieser Verdrängungsprozess konnte in einem konkreten Fall anhand einer Probandin gezeigt werden: „Wir haben die Patientin vor und nach der Nikotinpflaster-Therapie bildgebend untersucht. Die Auswertung der PET-CT/MRT-Bilder zeigt eindrucksvoll, dass das Nikotinmolekül die Rezeptoren von dem viralen Spike-Protein befreit und so die physiologische cholinerge Neutransmission wieder ermöglicht hat. Durch seine hohe Bindungsstärke an nikotinische Azetylcholinrezeptoren kann Nikotin das Virus-Protein verdrängen und somit die blockierten Rezeptoren befreien. Die Viruslast wird dann durch präformierte Antikörper, die bei der Akutinfektion oder durch die Impfung gebildet wurden, eradiziert.“

Auch die Probandin freut sich über den Studienerfolg: „Die Teilnahme war für mich ein großes Glück, zunächst, weil es unbeschreiblich ist, mit Daten und Bildern die bisher ungeklärten Symptome und Beschwerden neu einordnen zu können. Und erst recht, weil durch die Nikotinpflaster schnell deutliche Verbesserungen eingetreten sind, vor allem meine krankheitsbedingten Sprachprobleme betreffend.“ Dem stimmen auch die Forschenden zu: „Die Studie ist auf jeden Fall zukunftsweisend. Obgleich sie einer Ausdehnung auf weitere Forschung bedarf, sind die bisherigen Behandlungsergebnisse bereits vielversprechend.“

73 Prozent Erfolg durch Pflaster

Eine nachgelagerte Befragung von 231 Betroffenen zur Verbesserung der Symptome nach der Behandlung mit Nikotinpflastern bestätigt die Hypothese der Fallstudie. Konkret: 73 Prozent der Erkrankten zeigten eine signifikante Verbesserung ihrer Symptome und fühlten sich nach der Nikotinpflaster-Therapie deutlich besser. „Wir können auf eine stabile Studienlage zurückgreifen, die belegt, dass Nikotin kein Kanzerogen ist. Es gibt keine suchterzeugende (addiktive) Wirkung von Nikotin bei transkutaner Applikation. Das macht die Nikotinpflastertherapie zu einer geeigneten Behandlungsmethode im Kampf gegen Long-Covid“, ergänzt Leitzke.

Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Bioelectronic Medicine“ publiziert.

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