Antidepressiva können vor Sepsis schützen


von

Sandra Piontek

Eine Sepsis ist lebensbedrohlich und erfordert schnelles Eingreifen.AdobeStock_363025357/CrazyCloud

Laut neuesten Forschungsergebnissen könnten Antidepressiva zu einem deutlich verbesserten Schutz vor schweren Infektionen und lebensbedrohlichen Blutvergiftungen beitragen. Die Wirkung erfolgt nicht nur indirekt über das Immunsystem, sondern auch direkt über eine Hemmung des Bakterienwachstums.

Eine Sepsis ist lebensbedrohlich und muss schnellstmöglich behandelt werden. Denn: Mit jeder Stunde, in der keine medizinische Notfallhilfe erfolgt, sinkt die Überlebenschance drastisch. Sie entsteht, wenn das Immunsystem in Reaktion auf eine Infektion übermäßig reagiert, was zu Multiorganversagen oder sogar zum Tod führen kann. „Bei der Behandlung einer Infektion wäre die optimale Strategie eine, die sowohl die Krankheitserreger abtötet als auch Gewebe und Organe schützt”, erklärt Professorin Janelle Ayres, Autorin einer neuen Studie zu der Erkrankung. Genau hier kommt Fluoxetin ins Spiel. Denn: Der Wirkstoff zeigt laut den Forschungsergebnissen nicht nur antimikrobielle Eigenschaften, sondern schützt auch Organe und Gewebe vor infektionsbedingten Schäden.

SSRI als Infektionsschutz

Antidepressiva wie Fluoxetin sind seit langem fester Bestandteil in der Behandlung psychischer Erkrankungen. Eine aktuelle Studie unter Beteiligung der University of Washington legt nahe, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) auch eine wichtige Rolle im Schutz vor schweren Infektionen und Blutvergiftungen spielen könnten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Science Advances” veröffentlicht.

Bereits frühere Untersuchungen hatten darauf hingewiesen, dass SSRI mit einem besseren Schutz vor Infektionen und Sepsis in Verbindung stehen. In der aktuellen Studie wurden nun Mäuse mit einer bakteriellen Infektion in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe erhielt Fluoxetin, die andere wurde nicht behandelt. Das Ergebnis: Die mit Fluoxetin behandelten Tiere waren deutlich besser vor Blutvergiftungen, Multiorganschäden und einem vorzeitigen Tod geschützt.

Im Fokus der Studie stand die Frage, wie genau Fluoxetin seine schützende Wirkung entfaltet. Die Forschenden untersuchten verschiedene Entzündungsmarker im Körper der Mäuse. Sie stellten fest, dass die mit Fluoxetin behandelten Tiere höhere Werte des entzündungshemmenden Moleküls IL-10 aufwiesen. „IL-10 verhindert die durch Sepsis verursachte Hypertriglyceridämie, also eine krankhafte Erhöhung der Triglyceridwerte im Blut”, erklärt Ayres. Die Behandlung mit Fluoxetin half zudem, den Stoffwechselzustand des Herzens aufrechtzuerhalten und die Sterblichkeit zu reduzieren.

Antimikrobielle Eigenschaften von Fluoxetin

Ein weiteres Ergebnis: Nach acht Stunden hatten die mit Fluoxetin behandelten Mäuse eine geringere Anzahl an Bakterien im Körper als die unbehandelten Tiere. Die Forschungsgruppe schlussfolgert, dass Fluoxetin nicht nur indirekt über das Immunsystem wirkt, sondern auch direkt das Wachstum von Bakterien hemmen kann. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Fluoxetin sowohl Krankheitserreger bekämpfen als auch Gewebeschäden durch Infektionen verhindern kann“, fasst Ayres zusammen.

Um zu prüfen, ob die Wirkung von Fluoxetin mit dem Serotoninspiegel zusammenhängt, wurden zwei weitere Mausgruppen untersucht. Beide erhielten Fluoxetin, doch eine davon hatte kein zirkulierendes Serotonin mehr. Dieser chemische Botenstoff ist in der Lage Stimmung, Schlaf und Schmerzen zu regulieren. Hierbei stellten die Wissenschaftler:innen fest, dass die positiven Effekte des Medikaments unabhängig vom Serotoninspiegel auftraten.

Die neuen Erkenntnisse könnten weitreichende Folgen haben. Da Fluoxetin bereits als sicheres Medikament bekannt ist, könnte es in Zukunft auch als Schutzmittel gegen schwere Infektionen eingesetzt werden. „Diese Forschung könnte nicht nur vielen Menschen das Leben retten, sondern auch den Schutz vor Pandemien erheblich verbessern”, betonen die Forschenden.

APOTHEKE ADHOC



Newsletter

Bleiben Sie stets informiert!