Amlodipin gegen ADHS?


von

Katharina Brand

Neue Hoffnung bei ADHS? Laut des internationalen Forschungsteams könnte Amlodipin eine vielversprechende Therapiealternative darstellenAdobeStock_595167126/luchschenF

Amlodipin ist ein etabliertes Medikament zur Blutdrucksenkung, das durch die Blockade von L-Typ-Calciumkanälen wirkt. Diese Kanäle spielen ebenso eine Rolle in der Steuerung von Aufmerksamkeit und Impulskontrolle. Eine aktuelle Studie hat untersucht, ob Amlodipin zur Behandlung von ADHS eingesetzt werden könnte. Das Ergebnis überrascht.

Die derzeit gängigen ADHS-Therapien, insbesondere Stimulanzien wie Methylphenidat, seien laut der Studienautoren zwar wirksam, haben aber erhebliche Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Schlafstörungen und bergen ein Missbrauchsrisiko. Etwa 25 Prozent der von der Krankheit Betroffenen sprechen nicht auf die verfügbaren Medikamente an.

Untersuchung möglicher Therapiealternativen für ADHS

In einer internationalen Studie untersuchten Forschende deshalb verschiedene potenzielle Wirkstoffe zur Linderung von ADHS-Symptomen. Neben Amlodipin wurden Aceclofenac, Doxazosin, Moxonidin und der experimentelle Wirkstoff LNP599 an genetisch veränderten Ratten getestet, die ADHS-ähnliche Symptome zeigten. Zusätzlich wurden weitere L-Typ-Calciumkanalblocker in Betracht gezogen. Einige wie Cilnidipin, Felodipin und Nifedipin reduzierten Hyperaktivität, wiesen jedoch variierende Effekte und teilweise toxische Wirkungen bei höheren Dosen auf. Andere wie Diltiazem und Nitrendipin zeigten keine signifikante Wirkung. Insgesamt erwies sich Amlodipin als der stabilste und vielversprechendste Wirkstoff mit deutlicher Symptomreduktion und guter Verträglichkeit.

In einem weiteren Versuch wurde der Wirkstoff an Zebrafischen getestet, die 70 Prozent ihrer Gene mit dem Menschen teilen und ein etabliertes Modell zur Untersuchung der Gehirnfunktion sind. Dabei zeigte sich, dass Amlodipin nicht nur die Hyperaktivität, sondern auch die Impulsivität reduzierte – zwei zentrale Symptome von ADHS. Zudem wurde laut der Forschenden erstmals nachgewiesen, dass der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke überwindet und somit direkt auf das zentrale Nervensystem wirkt.

Genetische Verbindung von ADHS und Amlodipin

Um die biologische Grundlage dieser Effekte besser zu verstehen, untersuchte die Studie die genetische Verbindung zwischen ADHS und den Zielmolekülen von Amlodipin. Die Forschenden analysierten Daten von 38.691 ADHS-Patientinnen und Patienten sowie 186.843 Kontrollpersonen. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante genetische Verbindung zwischen ADHS und L-Typ-Calciumkanälen, insbesondere bei den durch Amlodipin beeinflussten Genen CACNA1C, CACNB1 und CACNA2D3.

Diese Gene sind an der Funktionsweise von Calciumkanälen beteiligt, die für die neuronale Erregbarkeit und Signalübertragung wichtig sind. Dabei stellte sich heraus, dass Menschen, die Amlodipin einnahmen, seltener Stimmungsschwankungen und impulsives Verhalten berichteten, beides Symptome, die eng mit ADHS verknüpft sind.

Die Forschenden beschreiben ihre Ergebnisse in den Tiermodellen als eindeutig. In den genetisch veranlagten hyperaktiven Ratten reduzierte Amlodipin die zurückgelegte Distanz und die aktive Bewegungszeit um 30 bis 40 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. In der Fischstudie sank die impulsive Reaktionsrate signifikant, mit einer Effektstärke vergleichbar zu Methylphenidat. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Amlodipin einen direkten Einfluss auf die neuronalen Mechanismen hat, die ADHS-Symptome hervorrufen.

Schnelle Umwidmung möglich

Die Forschenden betonen, dass Amlodipin aufgrund seiner bestehenden Zulassung und seines Sicherheitsprofils schnell für ADHS-Patient:innen verfügbar sein könnte. „Die Umwidmung von Amlodipin, einem bewährten Blutdruckmedikament, bietet einen vielversprechenden und schnellen Weg zur Behandlung von ADHS-Symptomen. Unsere Forschung zeigt, dass Amlodipin als bereits zugelassenes Medikament eine schnelle Behandlungsoption für ADHS darstellen könnte“, erklärt Dr. Matthew Parker, Außerordentlicher Professor für Neurowissenschaften und Verhaltensanalyse an der Universität in Surrey in Großbritannien.

Die Studie wurde von Forschenden der University of Surrey, der Reykjavik University, der University of Iceland sowie den Biotechnologieunternehmen 3Z Pharmaceuticals in Reykjavik und biotx.ai in Potsdam durchgeführt. Sie wurde unter dem Titel „Validation of L-type calcium channel blocker amlodipine as a novel ADHD treatment through cross-species analysis, drug-target Mendelian randomization, and clinical evidence from medical records“ in der Fachzeitschrift Neuropsychopharmacology veröffentlicht.

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