Die Tigermücke und der Klimawandel


Die Larvenentwiclkung der Tigermücken schwankt zwischen einer und vier Wochen. Dabei gilt: Je wärmer, desto schneller entwickeln sie sich. AdobeStock_523924084/Wirestock Creators

In ihrem Vortrag auf der Apothekerfortbildung in Pörtschach berichtete Dr. Karin Bakran-Lebl von der AGES-Abteilung für Vektor-borne Diseases über die Ausbreitung neuer Vektoren infolge des Klimawandels, am Beispiel von Stechmücken, insbesondere der Tigermücke. Im Interview mit TARA24 spricht die Zoologin über das Monitoring von Gelsen, was die Bevölkerung zur Ausrottung der Tigermücke beitragen kann und welche Rolle Apotheker:innen beim Schutz vor Gelsenstichen spielen.

TARA24: Frau Dr. Bakran-Lebl, in Ihrem Vortrag auf der Apothekertagung in Pörtschach sprechen Sie über Ausbreitung neuer Vektoren als Folge des Klimawandels am Beispiel von Stechmücken, können Sie kurz erklären, was ein Vektor eigentlich in der Biologie ist?

Bakran-Lebl: Ein Vektor ist ein Tier oder ein Lebewesen, das einen Krankheitserreger übertragen kann. Also er wird selbst nicht krank, sondern überträgt nur.

Es gibt schon seit langem das Monitoring der AGES, bei dem Stechmücken erfasst werden. Welche Unterschiede gibt es bei der Erfassung von heimischen und invasiven Arten?

Wir haben natürlich verschiedene Monitoringprogramme, denn es gibt ja nicht nur “die” Gelse, sondern es gibt in Österreich etwa 50 verschiedene Gelsenarten., Deshalb braucht es Systeme, die an die jeweiligen Tierarten angepasst sind. Beim Monitoring für invasive Gelsen geht es bei uns vor allem um die asiatische Tigermücke, weil diese auch als Vektor für eine Vielzahl von Krankheitserregern fungieren kann, wie zum Beispiel dem Dengue-Virus. Da dies eine eingeschleppte Art ist, die noch nicht so häufig bei uns vorkommt, geht es zunächst darum, nachzuweisen, wo in Österreich und in welcher Häufigkeit diese Art vorkommt. In der Folge geht es auch darum, sie zu bekämpfen. Bei sehr kleinen Populationen besteht die Möglichkeit, dass diese durch rasch umgesetzte Bekämpfungsmaßnahmen noch ausgerottet werden, bei bereits etablierten Populationen geht es darum, diese durch die Bekämpfungsmaßnahmen möglichst klein zu halten.

Und bei heimischen Gelsen?

Hier gehen wir natürlich anders vor. Beispielsweise haben wir ein Projekt, um das West-Nil-Virus in Gelsen nachzuweisen. Das Virus wird durch heimische Gelsenarten übertragen. Das heißt, die Gelsen gibt es bei uns mehr oder weniger überall, und wir brauchen nicht nachzuweisen, ob die Gelsen da sind oder nicht. Hier geht es darum, das adulte Tier zu fangen und auf Viren zu untersuchen.

Welche Maßnahmen gibt es die Tigermücke zu bekämpfen bzw. auszurotten?

Ein wesentlicher Faktor ist, die Bevölkerung mit an Bord zu holen, weil man hier wesentlich zur Kleinhaltung der Population beitragen kann. Eine wirksame und wichtige Maßnahme ist zum Beispiel die Verringerung von Brutgewässern. Die Tigermücken brüten in sehr kleinen Wasserstellen, von der Regentonne abwärts. Das können Blumentopfuntersetzer, Schirmständer oder auch Baumhöhlen bzw. ausgehöhlte Zaunpfähle sein, die mit Wasser gefüllt sind. Das alles reicht als Brutgewässer aus. Das heißt, wenn jeder in seinem eigenen Garten darauf achtet, diese Brutstellen zu dezimieren oder regelmäßig auszuleeren, macht das schon sehr viel aus. Das ist eine banale Maßnahme, die aber eine große Wirkung hat.

Sind Kampagnen zur Aufklärung geplant?

Von unserer Seite her gibt es die Mosquito Alert App, über die man das Vorkommen von Tigermücken melden kann. Kampagnen wird es vonseiten der AGES geben, aber auch in den direkt betroffenen Gebieten, in Graz, in Wien und auch in Linz. Hier werden lokale Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung vor Ort zu erreichen.

Können Sie noch genauer auf die Lage in Österreich eingehen?

Die Tigermücke ist schon in allen Bundesländern nachgewiesen worden. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie überall etabliert ist. Etabliert heißt, es handelt sich um überwinternde Populationen. Diese gibt es in Teilen von Wien und auch in Teilen von Graz sowie kleinräumig in Linz. Und hier ist auch die Belästigung der Bevölkerung durch die Tigermücke inzwischen sehr hoch. In den restlichen Bundesländern werden sie vermutlich immer wieder neu eingeschleppt. Tigermücken fahren häufig mit dem Auto mit, man findet sie oft in der Nähe von Autobahnstrecken. Aber damit sich eine Population etablieren kann, müssen die Bedingungen passen. Zum Beispiel in städtischen Kleingartensiedlungen, wo es wärmer ist als im Umland. Da gibt es viele Wasserstellen und viel Grün.

In welchem Zusammenhang steht der Klimawandel mit der Ausbreitung?

Gelsen sind ektotherme Tiere, das heißt, für sie ist die Temperatur ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung. Die Tigermücke stammt eigentlich aus Südost-Asien, das heißt, es ist eigentlich eine tropische/subtropische Art und noch nicht ganz an die Kälte angepasst. Tigermücken überwintern als Eier und wenn es etwas länger minus zehn Grad hat, sterben die Eier normalerweise ab. Aber wo in Österreich kommt das noch vor? Vor allem in den Städten gibt es diese kalten Temperaturen im Winter nicht mehr. Die Larvenentwicklung schwankt zwischen einer Woche und vier Wochen, und wenn es warm ist, können sich mehrere Generationen etwickeln. Also je wärmer es ist, desto besser für die Tigermücke, und hier spielt die Klimaerwärmung natürlich eine Rolle.

Gibt es internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Tigermücke?

Es gibt eine europäische Zusammenarbeit. Das Monitoring, das wir hier machen, führen auch Kollegen in anderen Ländern durch, mit gleichen Methoden, und da können die Daten gut verglichen werden.

Welche Rolle spielen Apotheker:innen, um die Bevölkerung aufzuklären?

Apotheker:innnen sind oft die ersten, die mit Patient:innen Kontakt haben. Man geht nicht gleich zum Arzt, sondern fragt oft zuerst in der Apotheke. Wenn Leute nach einem Gelsenstich ungewöhnliche Symptome haben, sollte man sie zum Arzt schicken. Wichtig ist das Bewusstsein, dass Gelsen auch bei uns verschiedene Krankheiten übertragen können. Es ist derzeit noch selten, aber es kommt vor. Und wenn die Apotheker:innen das wissen und darauf aufmerksam machen, dann ist damit schon sehr viel geholfen.

Wie kann man sich vor Gelsenstichen schützen?

Vor Gelsen im Haus oder in der Wohnung helfen Insektenschutzgitter. Im Freien sollte man auf die richtige Kleidung achten und lange, möglichst helle Kleindung tragen. Wirksamen Schutz vor Stichen bieten Repellents zum Auftragen auf die Haut. Hierbei sollte allerdings unbedingt auf die Inhaltsstoffe geachtet werden. Am wirksamsten sind Repellents mit DEET, das jedoch Augen und Schleimhäute reizen und Allergien hervorrufen kann, und es sollte von schwangeren Frauen, in der Stillzeit und bei Kindern unter zwei Jahren nicht angewendet werden. Repellents mit Icaridin oder IR3535 sind etwas schwächer in ihrer Wirkung, dafür aber besser verträglich, können aber ebenfalls Augen und Schleimhäute reizen. Der einzige empfohlene Wirkstoff natürlichen Ursprungs ist PMD, das ist im Öl des Zitroneneukalyptus zu finden ist. PMD aber kann auch künstlich hergestellt werden. Es ist wiederum etwas schwächer in seiner Wirkung, dafür aber gut verträglich. Das Repellent sollte auch den Anlass entsprechend gewählt werden. Bei Tropenreisen, mit einem hohen Risiko für durch Gelsen übertragene Krankheitserreger sollte ein Mittel mit sehr hoher Wirksamkeit verwendet werden, in Österreich, zum Schutz vor nur lästigen Stichen, reicht sicher auch ein schwächeres, dafür etwas besser verträgliches Repellent.

Auch wenn es Impfungen gegen die übertragenen Krankheiten gibt, ist das kein Anlass, die Tigermücke heimisch werden zu lassen?

Jeder, der Tigermücken im Garten hat, will sie loswerden, weil sie so furchtbar lästig sind. Sie sind tagaktiv und stechen auch in der prallen Sonne, im Vergleich zu unseren heimischen Arten, die eher in der Dämmerung aktiv sind. Also auch wenn sie keine Krankheitsüberträger wären, würde man sie nicht haben wollen.

Und unbedingt die Mosquito Alert App installieren?

Ja. Das Schöne an der APP ist, dass die Daten auch öffentlich zugänglich sind. Auf der Homepage kann man sein eigenes Wohngebiet einsehen und beispielsweise erfahren, ob ein Fund einzigartig ist, oder ob in der Gegend bereits mehrere Funde registriert sind.

Mehr zur Mosquito Alert App

Im Citizen Science Projekt Mosquito Alert werden Meldungen aus der Bevölkerung zu gebietsfremden Stechmückenarten erfasst. Dadurch können rasch neue Populationen dieser Arten entdeckt werden. Meldungen werden über die App „Mosquito Alert“ anonym hochgeladen, von Expertinnen und Experten begutachtet und das Ergebnis rückgemeldet sowie auf der Website des Projekts veröffentlicht.

Dr. Karin Bakran-Lebl

AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Abteilung Vector Born Diseases.

Geboren und aufgewachsen in Wien, Studium der Zoologie an der Universität Wien. Von der Ausbildung her Säugetierbiologin, erst im Rahmen eines Postdoc Projekts an der Vetmeduni Wien (2011-2015) zufällig bei Stechmücken gelandet und aufgrund der spannenden Thematik dabei geblieben. Von 2019-2021 Mitarbeiterin der Vetmeduni Wien beim Projekt West-Nil-Virus-Monitoring in Stechmücken. Seit 2018 Durchführung von Stechmücken-Monitoring-Programmen an der AGES, mit besonderem Fokus auf die Verbreitung von exotischen Stechmückenarten in Österreich.



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