Zahlen Bitte! Berufliche Fortbildung fällt unter Arbeitszeit, Arbeitgeber muss Kosten übernehmen


Arbeitgeber müssen laut EU-Richtlinie für den Dienstentfall selber aufkommen.AdobeStock_52617597/Robert Hoetink

Jetzt ist es also beschlossene Sache: Verpflichtende berufliche Fortbildungen sind als Arbeitszeit zu verbuchen, die Kosten dafür muss der Betrieb übernehmen. Diese Neuregelung betrifft auch die Apothekerschaft. TARA24 hat sich bei den Interessenvertretungen der selbstständigen und angestellten Apotheker:innen umgehört und die Stimmungslage eingeholt.

Der Hintergrund dieses Beschlusses liegt darin, dass Österreich seit dem 1. August 2022 mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Verzug ist. Nun wurde Ende Jänner 2024 im Nationalrat ein entsprechender Abänderungsantrag eingebracht, der im Ausschuss für Arbeit und Soziales angenommen und schließlich beschlossen wurde.

Konkret heißt es im sogenannten Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz:

Aus-, Fort- und Weiterbildung § 11b.
(1) Ist auf Grund gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages eine bestimmte Aus-, Fort- oder Weiterbildung Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit, so

  1. ist die Teilnahme des Arbeitnehmers an dieser Aus-, Fort- oder Weiterbildung Arbeitszeit;
  2. sind die Kosten für diese Aus-, Fort- oder Weiterbildung vom Arbeitgeber zu tragen, es sei denn, die Kosten werden von einem Dritten getragen.

(2) Die Verpflichtungen nach Abs. 1 stehen darüber hinausgehenden Vereinbarungen zugunsten des Arbeitnehmers nicht entgegen.

Gesamte Rechtsvorschrift für Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, Fassung vom 24.05.2024

Verpflichtende Fortbildung ab Juli 2024

In der Delegiertenversammlung vom 28. Juni 2023 wurde die verpflichtende Fortbildung beschlossen. Apotheker:innen müssen innerhalb von drei Jahren 150 Fortbildungspunkte sammeln. Ein Punkt entspricht 30 Minuten Fortbildung. Von diesen Punkten müssen 45 akkreditierte Fortbildungspunkte (AFP) sein, die pharmazeutische oder betriebswirtschaftliche Inhalte haben dürfen, 16 AFP müssen durch physische Präsenz erworben werden. Die übrigen 105 Punkte dürfen auch aus anerkannten freien Fortbildungspunkten (FFP) bestehen.

Wer soll das bezahlen?

Bisher war nicht eindeutig geklärt, ob angestellte Apotheker:innen
während ihrer Arbeitszeit Fortbildungen absolvieren dürfen. Dies ist nun durch das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz eindeutig geregelt: Der/Die Arbeitgeber:in muss die Mitarbeiter:innen für die Zeit der Fortbildung von der Arbeit freistellen, die Kosten für den Dienstentgang sind zu übernehmen. Konkret bedeutet dies: Bei 50 Punkten pro Jahr kommt man auf 25 Fortbildungsstunden. Macht fast eine zusätzliche “Urlaubswoche”, wenn man noch die An- und Abreisezeiten berücksichtigt.

Stimmen aus den Interessenvertretungen

Sowohl der Apothekerverband als auch der VAAÖ und das FORUM!pharmazie begrüßen die verpflichtende Fortbildung als eine längst fällige Maßnahme. Dennoch gibt es von allen drei Seiten Forderungen, da noch viele Details geklärt werden müssen. Achtung Spoiler: Es gibt eine Übergangsfrist von drei Jahren, sagt Alexandra Mandl vom FORUM!pharmazie.

Für den Apothekerverband, die Vertretung der Selbstständigen, ist es selbstverständlich wichtig, dass Pharmazeut:innen fachlich am Ball bleiben, die EU-Richtlinie sei jedoch im Arbeitsvertrags-Anpassungsgesetz überschießend ausgelegt. Darüber hinaus bräuchten Fortbildungen inhaltliche Strukturen, man fordert Klarheit für alle Beteiligten:

Dass mit der Regelung hinsichtlich Fortbildungen im Arbeitsvertragsrecht-Anpassungsgesetz eine EU-Richtlinie in Österreich bei weitem überschießend ausgelegt wurde, ist für uns im Apothekerverband nicht nachvollziehbar. Vor allem, weil in unserem Berufsstand bereits eine sehr gute Lösung für Fortbildungen im Kollektivvertrag gefunden wurde. Denn: Es ist uns wichtig, dass wir Pharmazeutinnen und Pharmazeuten fachlich ständig am Ball bleiben. Schließlich verändert sich unsere Disziplin mit rasanter Geschwindigkeit – seien es neue Möglichkeiten bei der Personalisierung medikamentöser Therapien, technologische Innovationen oder Versorgungsleistungen, die wir in Zukunft in unseren Betrieben anbieten können. Es wird also in den nächsten Monaten darum gehen, standesintern zu einem praktikablen Weg zu finden. Etwa wenn es um die Frage nach den Kosten geht, um die Festlegung welche Inhalte behandelt werden oder in welcher Form Fortbildungsveranstaltungen abzuhalten sind. Daran werden wir jetzt arbeiten. Ziel ist eine Lösung, die Klarheit für alle Beteiligten schafft und für die Betriebe finanziell verkraftbar ist.

Österreichischer Apothekerverband, Interessenvertretung der selbständigen Apotheker

Der VAAÖ, die Interessenvertretung der angestellten Apotheker:innen, sieht sich in seinen Forderungen hinsichtlich der Umsetzung der EU-Richtlinie – Fortbildungszeit ist Dienstzeit – bestätigt. Auf inhaltlicher Ebene schlägt man in eine ähnliche Kerbe wie der Apothekerverband. Die Inhalte müssen pharmazeutisch-fachlich gewichtet sein, das sei derzeit nicht der Fall:

Nach jahrelangen Gesprächen wurde eine Richtlinie der Apothekerkammer zur Verpflichtenden Fortbildung für Apothekerinnen verabschiedet. Die dafür aufgewendete Zeit muss arbeitsrechtlich als Dienstzeit gewertet werden – Grundlage ist die österreichische Umsetzung einer EU-Richtlinie. Zurzeit arbeiten wir daran, die Details dazu zu klären. Die genannte Richtlinie der Apothekerkammer, die gegen den Widerstand des VAAÖ vergangenen Sommer in der Apothekerkammer beschlossen wurde, tritt mit 1. Juli in Kraft. Wir haben uns dagegen ausgesprochen, weil die wirtschaftlichen Aspekte den pharmazeutischen Inhalten gegenüber begünstigt werden.
Die verpflichtende Fortbildung dient nicht nur der Aktualisierung und dem Ausbau unserer Kompetenz, sondern auch deren Nachweis, um unsere fachliche Expertise – als unser Qualitätssiegel gegenüber Politik, Öffentlichkeit und anderen Gesundheitsberufen – belegen zu können. Deshalb müssen die zur Verfügung stehenden Inhalte qualitativ hochwertig und eindeutig pharmazeutisch-fachlich gewichtet sein. Das ist derzeit nicht der Fall. Darüber hinaus ist es uns ein besonderes Anliegen, dass die diversen Fortbildungsformate praxisgerecht sind und so gut wie möglich in den Alltag integriert werden können. Sie müssen für jede Kollegin, jeden Kollegen machbar sein.
Daran arbeiten wir derzeit mit Hochdruck.

VAAÖ, Verband Angestellter Apotheker Österreichs

“Fortbildung für Apotheker:innen ist unumgänglich”, sagt das FORUM!pharmazie in seinem Statement. Funktionieren könne die verpflichtende Fortbildung jedoch nur im Miteinander von Dienstgeber und Dienstnehmer und hier gäbe es noch einiges zu klären:

Vergangenes Jahr wurde in der Delegiertenversammlung die Richtlinie zur verpflichtenden Fortbildung beschlossen. An der Umsetzung wurde seit Jahrzehnten (!) gearbeitet, andere Berufsgruppen im Gesundheitsbereich, etwa Ärzte haben solche Vorschriften schon lange. Wir Apotheker:innen haben nun ab 1. Juli 2024 die Möglichkeit, unseren großen Fortbildungswillen, unsere Leistungen und unser hervorragendes Wissen auch schriftlich belegen zu können. Und zwar zu Bedingungen, die wir uns selbst geschaffen haben und die in der Praxis gut umsetzbar sein sollten, denn als akademisch ausgebildetes Fachpersonal haben wir hohe Ansprüche an uns selbst.
Die verpflichtende Fortbildung wird natürlich nur im Miteinander von Dienstgeber und Dienstnehmer funktionieren und hier gilt es noch einiges zu klären, speziell im Hinblick auf die im März im Parlament beschlossene EU-Richtlinie, dass Zeit, die für verpflichtende Fortbildungsmassnahmen verwendet wird, Arbeitszeit ist und der Dienstgeber die Kosten dafür zu tragen hat. Ohne den Beschluss zur verpflichtenden Fortbildung unter Mitwirkung des Forum wäre diese Richtlinie nämlich bedeutungslos für Apotheker:innen gewesen.
Wir vom Forum sind der Meinung, dass Fortbildung für uns Apotheker: innen unumgänglich ist. Wie jede gravierende Änderung in etablierten Systemen löst diese Umstellung aber bei allen Beteiligten, Angestellten und Selbstständigen Ängste aus. Daher gibt es auch eine 3-jährige Übergangsphase, in der sich alle Fragen klären lassen werden und mögliche Schwachstellen verbessert oder zu hohe Anforderungen noch angepasst werden können.

Alexandra Mandl für das FORUM!pharmazie



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