„Wespen werden im Spätsommer nicht aggressiver, aber sie nutzen verstärkt menschliche Nahrungsquellen.“


von

Ulrike Krestel

Die Anzahl der Wespen kann jährlich sehr stark schwanken, und heuer gibt es überdurchschnittlich viele davon.AdobeStock_34838366/Antje Lindert-Rottke

Apotheke ist mehr als nur die Beratung. Manch Kundin will es oft genau wissen und lässt sich über die das Arzneimittel hinaus beraten. Zum Beispiel über das Wesen der Wespe in der Hochsaison Zur Information für alle an der Tara haben wir beim Fachmann und Insektenexperten Mag. Martin Schwarz vom Biodiversitätszentrum Linz nachgefragt.

Wenn wir von „der Wespe“ sprechen, welch Art ist damit gemeint?
Es gibt in Österreich mehrere tausend Arten von Wespen (Grabwespen, Schlupfwespen, Wegwespen, Erzwespen…). Wenn von Wespen gesprochen wird, dann werden in der Regel die Papierwespen (Vespidae), auch Soziale Faltenwespen genannt, gemeint. Diese bauen Nester, in denen einjährige Wespenstaaten leben. Unter diesen „normalen“ Wespen gibt es nur zwei Arten, die besonders unangenehm auffallen, das ist die Deutsche Wespe (Vespula germanica) und die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris). Beide Arten nisten vor allem im Boden, weshalb sie oft als Erdwespen bezeichnet werden, aber auch in Mauern und anderen dunklen Hohlräumen kann man deren Nester finden. Beide Arten gehören zu den aggressiveren Arten und können sehr große Völker mit mehreren Tausend Individuen haben. Diese beiden Arten haben eine lange Volksentwicklung und die Völker sterben erst im September/Oktober ab, manchmal auch erst im November. Wenn ich nun das Wort „Wespen“ verwende, dann beziehe ich mich jetzt nur auf die beiden oben genannten Arten.

Wie würden Sie die aktuelle Situation bezüglich der Wespenpopulation in Österreich beschreiben?
Ich selbst kenne die Situation aus eigener Erfahrung nicht aus ganz Österreich. Aber in Oberösterreich und was ich von anderen Kollegen aus anderen Regionen erfahren habe, gibt es heuer überdurchschnittlich viele Wespen. In den nächsten Wochen, sofern das Wetter warm bleibt, werden es noch etwas mehr.

Gibt es dieses Jahr wirklich eine Wespenplage oder handelt es sich um normale Schwankungen in der Population?
Die Anzahl der Wespen kann jährlich sehr stark schwanken, und heuer gibt es überdurchschnittlich viele davon. Jahre mit sehr vielen Wespen hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben.

Was genau definiert eine „Wespenplage“? Gibt es objektive Kriterien, die das bestimmen? Und welche Faktoren führen grundsätzlich zu einer erhöhten Wespenpopulation?
„Wespenplage“ ist ein subjektiver Begriff. Wenn in der Nähe des Hauses ein großes Wespenvolk existiert, dann werden die Bewohner das als Wespenplage ansehen, auch wenn es überregional nur wenige Wespen gibt.
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die die Häufigkeit der Wespen beeinflussen, wie Witterung, Krankheiten und Konkurrenz. Im Detail lässt sich derzeit noch nicht sagen, welche Faktoren welchen Einfluss haben bzw. aufgrund welcher Faktoren in einem bestimmten Jahr viele und in einem anderen nur wenige Wespen vorhanden sind.

Bei den Wespen überwintern die Jungköniginnen an einem geschützten Platz. Günstig für die Überwinterung ist ein gleichmäßig kalter Winter mit geschlossener Schneeschicht, da diese als Isolation gegen extrem tiefe Temperaturen im Boden dient. Nasskalte Winter erhöhen die Gefahr, dass die Wespen im Winter durch Krankheiten absterben. Im Frühling gründet jede Königin ihr eigenes Nest, was eine weitere sensible Phase darstellt. Nasskaltes Wetter kann hier zum Verhungern der Tiere führen. Warme Temperaturen und eher trockene Witterung sind günstig in dieser Phase und fördern im Laufe des Sommers auch die Volksentwicklung (Nester werden größer). Feinde können auch eine gewisse Rolle spielen. So fressen Hornissen (unsere größte Faltenwespenart) auch andere Wespen.

Können Sie das Verhalten von Wespen näher erläutern? Warum scheinen sie im Spätsommer aggressiver zu werden?
Die Wespenvölker werden bis zum Spätsommer oder Herbst immer größer, weshalb es zu dieser Zeit mehr Wespen gibt, und zudem besteht ein größerer Bedarf an zuckerhaltiger Nahrung. Die erwachsenen Wespen benötigen Energie vor in Form von Zucker. Diesen erhalten die Wespen teilweise von ihren Larven. Da im Spätsommer bzw. Herbst viele erwachsene Wespen vorhanden sind und die Larven weniger werden, sind sie verstärkt auf externe Zuckerquellen angewiesen, das sind z.B. reifes Obst, Blüten, aber auch menschliche Zuckerquellen. Wespen werden im Spätsommer nicht aggressiver, aber sie nutzen verstärkt menschliche Nahrungsquellen. Wespen greifen den Menschen nur an, wenn das Nest bedroht ist bzw. sie es so empfinden. Abseits des Nestes stechen Wespen nur, wenn sie sonst ihr eigenes Leben nicht retten können oder es so empfinden. Gelangt eine Wespe unter die Kleidung und wird am Entkommen behindert, dann kommt es zu einem Stich. Der Stachel bleibt nicht in der Haut stecken, dass passiert nur bei der Honigbiene (aber nicht bei Wildbienen einschließlich der Hummeln).

Wenn man Wespen von Getränken oder Speisen mit Herumfuchteln vertreiben will, dann werden sie entgegen weit verbreiteter Meinung nach nicht aggressiv, sondern sie fliegen nur rasch herum, um nicht getroffen zu werden. Sie wollen auch nicht wegfliegen, weil sie die hier vorhandene Nahrung nutzen wollen.

Was zieht Wespen besonders an? Gibt es bestimmte Nahrungsmittel oder Getränke, die Menschen im Freien vermeiden sollten?

Wespen werden vor allem durch zuckerhaltige Lebensmittel und Getränke (darunter Säfte, Bier), aber auch durch Fleisch angelockt. Das Fleisch dient als Nahrung für die Larven. Wenn man im Freien Wasser trinkt anstatt von zuckerhaltigen oder alkoholischen Getränken, hat man kaum Probleme mit Wespen. Etwas Abhilfe kann man schaffen, indem man Getränke zudeckt, ebenso Speisen und diese erst ins Freie bringt, wenn man zum Essen anfängt. Die Zeitspanne, in der Wespen diese riechen können, soll möglichst kurz sein.

Wie effektiv sind Wespenfallen und welche Maßnahmen zur Wespenbekämpfung sind empfehlenswert?
Wenn ein Wespennest an einer ungünstigen Stelle im Garten oder am Haus vorhanden ist, dann sollte das möglichst früh im Jahr beseitigt werden, da dann noch wenig Tiere vorhanden sind. Wespenfallen können je nach Anzahl der Wespen und Anzahl der Fallen einen Effekt auf die Häufigkeit der Wespen haben, aber sie können auch Wespen anlocken, weshalb sie nicht in unmittelbarer Nähe des Aufenthaltsortes der Menschen aufgestellt werden sollen. Oftmals empfohlene Dinge, wie Wespennestattrappen, Lavendelduft und andere starke Düfte haben entweder keine Auswirkungen oder nur sehr geringe. Ablenkfütterungen in einiger Entfernung zum Aufenthaltsort der Menschen im Garten können etwas helfen.

Was halten Sie von professionellen Schädlingsbekämpfungsdiensten? Wann sollte man solche Hilfe in Anspruch nehmen?
In manchen Fällen wird es nötig sein, ein Wespennest zu entfernen (z.B. wenn dieses direkt neben dem Hauseingang oder an einer anderen viel von Menschen genutzten Stelle sich befindet), dann sollte das durch professionelle Bekämpfer oder andere erfahrene Personen gemacht werden. Frei hängende Nester brauchen kaum entfernt werden, da deren Bewohnerinnen wenig aggressiv sind und nicht zu unseren Getränken und Speisen kommen. Zudem sterben die Völker von freihängenden Nestern meist bereits im Sommer ab. Wenn man ein Nest einer der beiden aggressiven Arten hat und bis jetzt damit ausgekommen ist, dann empfehle ich, sich etwas zu gedulden, da in wenigen Wochen die Wespen weniger werden und das Volk dann sowieso zugrunde geht.

Welche Rolle spielen Wespen im Ökosystem? Warum sind sie wichtig für die Natur?
Wespen ernähren ihre Larven mit tierischer Nahrung, vor allem Fliegen und andere Insekten und haben so einen Einfluss auf deren Häufigkeit.

Gibt es nachhaltige Methoden, um Wespen zu kontrollieren, ohne das ökologische Gleichgewicht zu stören?
Ich finde es nicht nötig, Wespen generell zu kontrollieren, was auch nicht möglich ist. Es empfiehlt sich aber, Nester an sensiblen Orten im Siedlungsbereich möglichst früh im Jahr zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, um Problemen vorzubeugen.

Erwarten Sie, dass die Wespenpopulation in den kommenden Jahren weiter steigen wird? Gibt es langfristige Prognosen?
Nach einem starken Wespenjahr folgt normalerweise ein sehr schwaches Wespenjahr. Langfristige Prognosen kann ich leider nicht erstellen.

Insektenexperte Mag. Martin Schwarz vom Biodiversitätszentrum Linz im Interview mit TARA24.
Foto: CLeitner



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