PEP, PrEP, Geschlechtskrankheiten, Transpersonen: das sind pharmazeutische Felder, in denen die meisten Apotheken wenig Routine haben. Umso wichtiger ist es, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Denn häufig haben diese Kundinnen und Kunden bereits einen langen Leidensweg hinter sich.
Mittlerweile gibt es einige Apotheken, die sich auf die Themen „sexuelle Gesundheit“ und „Sexualmedizin“ spezialisiert haben. Eine davon ist die Johann-Strauss-Apotheke im 4. Wiener Bezirk. Seit einem Jahr wird sie vom engagierten jungen Apotheker Mag. pharm. Manuel Wendl geführt. Der kann den mit Stigmata, Vorurteilen und Unverständnis behafteten Weg seiner Schwerpunkt-Patient:innen gut nachvollziehen. Mitunter, weil er selbst aus der Community stammt. „Als ich mit meiner Idee starten wollte, bekam ich gleich mal Probleme mit dem Vermieter“. Aber wer ein Herzensthema hat, der lässt sich weder von schwierigen Vermietern noch Hochpreisern mit geringen Margen abhalten. Und deshalb gibt er auch gerne seine Tipps und Erfahrungen an interessierte Kolleg:innen weiter.
Schlechte Erfahrung mit Gesundheitssystem
Besonders wichtig ist ihm das Thema Transmedizin. „Grundsätzlich sind alle Kund:innen Menschen und damit gleich zu behandeln. Mit Respekt und Freundlichkeit.“ schickt Wendl vorweg. „Aber man muss bedenken, dass Transmenschen meist schon einen langen Leidensweg hinter sich haben.“ Mehr als 70% der Betroffenen geben an, bereits diskriminierende Erfahrungen im Gesundheitssystem gemacht zu haben. Bis 2018 galt das Bedürfnis nach geschlechtlicher Angleichung noch als psychische Erkrankung. „Dass sich das geändert hat, ist in vielen Praxen noch nicht angekommen“ konstatiert der junge Apotheker. Deshalb sei das Wording an der Tara von besonderer Bedeutung.
Diskretion und individuelle Wünsche
„Diskretion ist wichtig. Aber man muss es auch nicht zu weit treiben.“ rät Wendl. „Am besten fragt man gleich beim ersten Kontakt, ob alles so passt, oder ein spezielles Service gewünscht wird.“ Damit bezieht sich der Apotheker vor allem auf die Medikamentenabgabe. „Für die meisten ist das gar kein Thema. Manchen bevorzugen es aber, wenn ihre Arzneimittel bereits vorbereitet im Sackerl sind.“ Dann gibt es jedoch auch Personen, die aus persönlichen Gründen gar nicht in die Apotheke kommen möchten. „Auch dafür findet man Lösungen“ sagt Wendl mit unerschütterlichem Lächeln.
Was gilt es sonst noch zu beachten? „Eine lückenlose Therapie hat für diese Personen einen wahnsinnig hohen Stellenwert.“ weiß der Fachmann. „Deshalb ist es für sie wichtig, dass die Medikamente vorrätig sind. Einige Präparate haben Bestellzeiten von mehreren Wochen. Wir achten darauf, dass wir sie rechtzeitig ordern und immer parat haben.“ Auch Lieferengpässe sind ein Thema, das gerade bei Transmenschen zu großer Verunsicherung führt.
Safe Space Apotheke
Zur Beratung bei der Abgabe rät Wendl: „Bei den Ärzten herrscht immer noch viel Unsicherheit. Umso wichtiger ist, dass wir in der Apotheke Sicherheit ausstrahlen. Und nicht hinterfragen, warum welches Hormon verordnet wurde. Es kann 100 Gründe dafür geben, warum Frauen Testosteron und Männer Östrogen bekommen.“ Die Apotheke solle ein „safe space“ sein. Das ist nach Erfahrung des Apothekers auch die Einschätzung der Kund:innen.
Nichtsdestotrotz kann die Apotheke auch bei dieser Klientel ihre Beratungskompetenz ausspielen. Für Transpersonen gilt: durch die Hormongabe durchleben sie eine zweite Pubertät. Dabei gehen mit jeder Hormonersatztherapie unterschiedliche (Neben)Wirkungen einher, da jede Person unterschiedlich auf die Einnahme von Hormonen reagiert. Eine Empfehlung ist es, hormonhaltige Gele nach dem Auftragen einziehen zu lassen, um eine Übertragung auf den Partner zu vermeiden.
Aufgrund der psychischen Belastung wird gerne zu Johanniskraut gegriffen. Hier ist durch die CYP-Induktion auf Wechselwirkungen mit Hormonpräparaten (und anderen) zu achten.
Minoxidil und Aknecreme
Auch im rezeptfreien Bereich ist Beratung möglich und nach Erfahrung von Wendl sehr willkommen. „Transmänner trainieren sehr viel. Gezielte Produktempfehlungen von Eiweißpräparaten unterstützen hier. Und Minoxidil ist ein großes Thema“ weiß der Apotheker. „Allerdings kann das nicht immer helfen. Beim Bartwuchs zum Beispiel. Wenn nicht genügend Haarfolikel in der Veranlagung da sind, schafft auch das höchstkonzentrierte Minoxidil keinen buschigen Vollbart.“
Bei Transfrauen ist das Haar-Thema häufig noch ausgeprägter als bei Männern, bekommen sie doch zu Östrogen auch einen Androgen-Blocker. „Sehr viele kämpfen mit starkem Haarausfall“ erzählt der Apotheker. Dabei sind gerade die Haare als Ausdruck der Weiblichkeit besonders wichtig. Auch hier ist Minoxidil eine gute Empfehlung. Außerdem leiden viele Transpersonen unter Hautunreinheiten. Entsprechende Empfehlungen zu korrigierendem Make-Up und abdeckenden Cremes werden in Wendls Apotheke gerne angenommen.
Nicht einfach wegschicken
Auch Stimmungsschwankungen sind Folge der Hormone. „Wie bei einem Teenie“ schmunzelt der Apotheker. „Dafür muss man Verständnis haben.“
Generell sind Verständnis und Zuhören die zwei Bullet Points das Fachmanns, die er an Kolleginnen und Kollegen weitergeben möchte. „Jeder will wahrgenommen werden. Letztendlich haben wir es in der Apotheke immer mit Menschen zu tun. Manchmal haben die aber einen besonders schweren Weg hinter sich.“ Und viele auch noch vor sich. Wenn Personen in die Apotheke kommen und sich nach Hormonersatztherapien erkundigen, rät Wendl den Hinweis auf psychosoziale Betreuungseinrichtungen. Aber am Ende ist alles besser, als die Personen einfach wegzuschicken. Ein freundliches „Ich erkundige mich für Sie und melde mich bei Ihnen“ kann auch in diesem Fall für die Betroffenen viel wert sein.
Mag. pharm. Manuel Wendl steht gerne seinen Kolleginnen und Kollegen aus ganz Österreich für einen kollegialen Austausch zur Verfügung.
https://johann-strauss-apotheke.at/