Pharmakologiebuch für den Rettungswagen – Apotheker schließen Praxislücke


Viktoria Gamsjäger

Die drei Freunde – Jakob Hager, Reinhard Gründler und Ines Werzinger (v.l.n.r.) zusammen im Rettungsauto Samariterbund/C. Lipinsky

Drei junge Apotheker:innen haben ein Pharmakologie-Fachbuch für den Rettungsdienst geschrieben – praxisnah und leicht verständlich. Zwei von ihnen sind selbst Sanitäter und wissen genau, worauf es im Rettungswagen ankommt. 

Was mit einer unerwarteten Anfrage in der Corona-Zeit begann, wurde zu einem Projekt mit Herz, Hirn und Einsatzstiefeln. TARA24 sprach mit Mag. Reinhard Gründler, Mag. Ines Werzinger und Mag. Jakob Hager über Praxiswissen, Arzneistoffe und Teamwork. 

„Die erste Auflage ist seit 2010 bei der Rettung in Verwendung. Man trat seitens des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) mit der Bitte an mich heran, das Buch zu aktualisieren – schließlich bin ich ja Apotheker“, erinnert sich Gründler. „Da ich Verstärkung brauchte, wendete ich mich an meine beiden Freunde.“

Kennengelernt haben sich die drei im Pharmaziestudium bei der Studienvertretung in Wien. Sie arbeiteten unentgeltlich daran, das Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. „Zu Beginn dachten wir, dass das Buch in einem halben bis spätestens dreiviertel Jahr fertig wäre. Es sind dann doch fast fünf Jahre geworden“, berichtet Ines Werzinger über den Umfang des Projektes zusätzlich zu ihrem normalen Arbeitsalltag.

Vom Kurs bis zum Einsatz – ein verlässlicher Begleiter

Das Werk ergänzt und vertieft die Ausbildung von Notfallsanitäter:innen. Denn erst nach Ablegung der Notfallsanitäter-Prüfung ist man zur Verabreichung von Medikamenten berechtigt. Diese baut auf den Rettungssanitäter-Grundkurs auf.
„Das Buch ist auf den österreichischen Rettungsdienst zugeschnitten, sonst gibt es kaum Literatur in dem Bereich. Die deutschen Pendants enthalten klarerweise nur deutsche Markennamen und die Medikamente sehen natürlich anders aus. Es wurde im Vorfeld viel Aufwand betrieben, jede einzelne Tablette oder Ampulle zu fotografieren, um möglichst viel Information bereitzustellen“, so Werzinger. „Dadurch können wir sicherstellen, dass die Rettungskräfte vor Ort genau wissen, wie die Arzneimittel im Einsatz aussehen“, erklärt die Apothekerin weiter.
Die zweite Auflage begleitet von der Ausbildung bis zum professionellen Einsatz – als Lernhilfe und Nachschlagewerk gleichermaßen.

Mit großer Liebe zum Detail wurde jedes Medikament einzeln fotografiert und beschriebenSamariterbund/ C. Lipinsky

In dem Buch wird sowohl auf die Praxis als auch die Theorie eingegangen. „Wir decken ein breites Spektrum ab. Es werden Themen wie die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Arzneimittelapplikation durch Notfallsanitäter:innen erklärt. Aber auch Abläufe, wie das Setzen eines intravenösen Zugangs wird von Grund auf gezeigt“, erklärt Hager. 
„Die Kapitel wurden nach Interesse verteilt – was übrig blieb, haben wir einfach ausgeschnapst“, sagt Gründler und lacht.

Im speziellen Pharmakologie-Teil wird detailliert auf die einzelnen Arzneistoffe eingegangen. Die offizielle Fachinformation wird mit hilfreichen Bemerkungen ergänzt. Indikationen und Kontraindikationen sowie Informationen zur richtigen Lagerung und Dauer bis zum Wirkungseintritt werden klar herausgestrichen. Hilfreiche pharmazeutische Informationen für den Rettungsalltag werden eingestreut und sollen das Lernen für die Prüfung erleichtern.

Ein wesentlicher Faktor war die Inhomogenität der Leserschaft. „Das Buch muss für hauptberufliche und freiwillige Sanitäter:innen gut verständlich sein. Bei der Rettung haben nicht alle zwangsläufig einen medizinischen Hintergrund. Wir versuchen, alle auf der gleichen Ebene abzuholen und dann auf dem gemeinsamen Wissen aufzubauen“, schildert Gründler. 

Vorzüge des „Apothekerseins“ 

„Wenn ich bei einem Einsatz die Patienten frage, ob Vorerkrankungen bestehen, wird das oft verneint. Frage ich dann weiter nach, welche Medikamente sie denn täglich einnehmen, wird mir eine ganze Schuhschachtel voller Blisterpackungen präsentiert“, so Hager. In solchen Situationen helfe ihm der pharmazeutische Background und die Berufserfahrung enorm. „Da sehe ich dann: der Blutdruck ist ein Thema und das Cholesterin ist erhöht, auch Diabetes ist mit im Spiel und ich kann meine Schlüsse ziehen. Es geht nicht darum Patienten zu überlisten, sondern eine möglichst umfassende Anamnese zu ermöglichen.“ 
Aus diesem Grund wird auch auf das Thema Polymedikation und Wechselwirkungen im Alter eingegangen – die Sanitäter:innen sollen sensibilisiert werden.

Jedes Kapitel wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und von mindestens zwei Autoren überarbeitet. Der Review Prozess bestand aus einer Gruppe von Mediziner:innen – darunter die stellvertretende Chefärztin des ASB – und Pharmazeut:innen. „Bei diesem Projekt kam es zu einer gelungenen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Apotheker:innen, Ärzt:innen und der Rettung“, sind sich alle drei einig.

Das Buch mit dem Titel „Pharmakologie und allgemeine Notfallkompetenzen für den Rettungsdienst“ ist im Online-Shop des Arbeiter-Samariter-Bundes erhältlich.



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