Mit Herz und Hingabe: Das soziale Engagement der Apotheker:innen nach Dienstschluss


von

Astrid Janovsky

Dr. Esther Passl von AoG im Kreis der “kleinen Herzen”

Arbeit in der Apotheke ist mehr als ein Job. Wer hier beschäftigt ist, liebt die Menschen und macht nicht nur Dienst nach Vorschrift. Das setzen viele auch jenseits des Arbeitsumfeldes fort. TARA24 hat sich umgesehen, wo Apothekerinnen und Apotheker im Zuge ihrer beruflichen Qualifikation soziales Engagement zeigen, wieviel Aufwand es bedeutet und was der (emotionale) Lohn dafür ist.

Die Österreicher:innen haben eine große soziale Ader: rund 25 Prozent engagieren sich ehrenamtlich in Organisationen und Vereinen. Im Bereich der Nachbarschaftshilfe ist sogar jede:r Dritte regelmäßig im Einsatz. International gesehen braucht sich Österreich mit diesen Zahlen nicht zu verstecken. Spitzenreiter in Sachen Ehrenamt sind – man mag es kaum glauben – die USA (mit 41 Prozent), dicht gefolgt von Neuseeland.

Apotheker:innen mit großem sozialen Bewusstsein

Apothekerinnen und Apothekern wird gerne nachgesagt, dass sie das „Kümmerling-Gen“ aufweisen. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich in dieser Branche besonders viele Kolleginnen und Kollegen nach Dienstschluss im sozialen Bereich engagieren. TARA24 hat sich in den Reihen umgesehen und nachgefragt, was die Triebfeder ist, noch zusätzlich zum anstrengenden Apothekenjob in pharmazeutischem Auftrag unentgeltlich Einsatz zu zeigen.

Grenzenlos im Einsatz

„Apotheker ohne Grenzen“ (AoG) ist international tätig und entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten, sich in der Organisation einzubringen. Dr. Esther Passl hilft seit der Gründung der österreichischen Organisation 2017 aktiv mit.

„Soziales Engagement gibt mir ein Gefühl von Sinnhaftigkeit,“ beschreibt sie ihre Motivation. „Die Möglichkeit, einen direkten Einfluss auf das Leben anderer zu nehmen und positive Veränderungen zu bewirken erlebe ich als erfüllend. Soziales Engagement bietet mir die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erlernen, mich weiterzuentwickeln und meinen Horizont zu erweitern.“ Esther Passl möchte der Welt gerne etwas zurückgeben und einen positiven Einfluss ausüben.

Seit 2021 ist Passl für das Fundraising zuständig. Dafür war mehr Know-how gefordert als man im Pharmaziestudium lernt. Deshalb absolvierte sie von Jänner bis September 2022 einen Kurs beim Fundraisingverband Österreich. „Das erste Kriegsjahr haben wir quasi „begleitend“ gefundraist,“ erklärt die Pharmazeutin „indem wir vieles, was ich dort gehört und gelernt habe, (sofort) mit den Kollegen in die Tat umgesetzt haben. Wir haben letztes Jahr eine Spenderdatenbank aufgebaut, wie andere professionelle NGOs auch.“ Die selbstständige Apothekerin macht aber mehr als „nur“ Geldeintreiben: „Seit dem ersten Tag des Ukrainekrieges stelle ich AoG Österreich als selbständige Apothekerin- so wie einige andere auch- meine Räumlichkeiten, meine Grosshandelslizenz, Personal und andere Ressourcen zur Verfügung.“

AoG stellen die Medikamentenversorgung in Krisengebieten sicher.Dr. Esther Passl privat

Ihr schönstes Erlebnis bisher? „Riesig hat mich die Spendenbereitschaft 2022 gefreut. Keiner hat lang gefragt, die Gelder sind eingegangen auf dem Spendenkonto und wir waren dadurch in Windeseile in der Lage, in der Ukraine helfen zu können und wahrgenommen zu werden.“ Ein echtes Herzensprojekt ist für Passl das 2022 ins Burgenland „evakuierte“ ukrainische Waisenhaus „kleine Herzen“. „Leider müssen die Kinder kommendes Frühjahr wieder in Ihre Heimatstadt Kropyvnyrskiy in die Mitte der Ukraine zurückgebracht werden, wo schon weitere 15 neue Waisen auf sie warten.“ Sagt die Apothekerin betrübt. „Ich hoffe, der Kontakt reißt nicht ab.“

So viel Engagement kostet nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Dabei lässt sich der Aufwand schwer pauschalisieren. „Wenn alles in geregelten Bahnen läuft, ist es vielleicht eine Stunde pro Woche.“ Wenn aber akute Projekte auflaufen, kann das Pensum auch auf 10 Stunden pro  Woche anwachsen – oder auch auf 20-40 wie 2022 zu Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine.

Starthilfe für “Young Pharmacists”

Dem pharmazeutischen Nachwuchs hat sich Mag. Nina Gludovatz verschrieben. Sie unterstützt Aspirantinnen und Aspiranten im Rahmen der „Austrian Young Pharmacists“. Nach ihrer Aspirantenprüfung 2023 war sie vom sozialen Engagement anderer so begeistert, dass sie selbst aktiv werden wollte. „Man erreicht in der Gemeinschaft einfach sehr viel und ich finde es immer gut, wenn man sein Wissen und etwas Zeit für andere einsetzt.“

Bei den AYP plant und gestaltet sie mit ihren Kolleg:innen Veranstaltungen für Aspirant:innen. „Außerdem stehe ich als Probeprüferin mindestens einmal pro Monat online für Prüfungssimulationen zur Verfügung,“ ergänzt die junge Apothekerin begeistert „und tausche mich bei unseren Chillouts mit den Aspirant:innen aus. Im Rahmen der Veranstaltung „Fertig, was nun?“ für Studierende an der Universität stelle ich die Arbeit in einer Krankenhausapotheke vor und informiere über Wege nach dem Studium.“ Dafür verzichtet Gludovatz gerne auf fünf bis zehn Stunden Freizeit pro Monat.

„Am meisten Spaß macht mir der Austausch mit anderen, der Einblick in ganz persönliche Geschichten gibt und durch den man erfährt, welche Angebote von Seiten der Young Pharmacists vielleicht noch nützlich wären.“ erzählt die Pharmazeutin mit strahlenden Augen. „Als einzelne Erlebnisse bleiben mir sicher einige Prüfungssimulationen und die Dankbarkeit der Aspirant:innen in Erinnerung, sowie die Gespräche mit Studierenden. Nachdem ich all diese Stationen auch durchlebt habe, ist es ein gutes Gefühl, nun selbst mit Ratschlägen und Informationen zur Seite stehen zu können“

Gludovatz an der Uni im Rahmen von “Fertig, was nun?”

Von der Apothekerin zur Podcasterin

Das gute Gefühl kennt auch Mag. Viktoria Gamsjäger. Schon während des Studiums zog es sie in die Studienvertretung. Da war der Weg zur Standesvertretung nicht weit. Beim FORUM!pharmazie ist sie seit ihrer Aspirantenzeit 2021 Mitglied. Und Standespolitik bedeutet nicht zwingend politisches Engagement. „Seit März 2023 darf ich für das Forum!Pharmazie auf ihrer Lernplattform FORUM!apowissen Podcasts zu den verschiedensten tararelevanten Themen aufnehmen“ freut sich die Apothekerin. „Das Recherchieren, Lesen von Guidelines und Aufbereiten von medizinischem Wissen hat mir schon immer Spaß gemacht. Das Format „Podcast“ war für mich zu diesem Zeitpunkt noch ein ganz unbekanntes. Als ich das Angebot bekam, war ich zuerst etwas eingeschüchtert, habe mir dann aber doch das Studiomikrofon meines Freundes geschnappt, um kurz darauf meine erste Folge aufzunehmen.“

Gamsjäger ist nicht nur als Podcasterin sozial im Einsatz.

Die Vorbereitungszeit ist jedoch nicht zu unterschätzen. 25 bis 30 Stunden pro Folge muss man kalkulieren, damit alles fachlich fundiert ist. Dafür gibt es zwar einen kleinen finanziellen Anerkennungsbeitrag, der steht aber in keinem Verhältnis dazu, was sie als Referentin für eine Pharmafirma bekommen würde. Doch ums Geld geht es der jungen Frau auch nicht. „Das schönste Erlebnis hatte ich, als ich gemeinsam mit dem Team des Forum!Pharmazie die Lernnacht am Pharmaziezentrum in der Althanstraße in Wien organisieren durfte. Ich hatte eine solche Freude, den Studierenden von der Arbeit in der Apotheke zu berichten und über die Tätigkeiten der Standesvertretung zu sprechen. Das positive Feedback der Studierenden an diesem Abend war für mich eine besondere Belohnung und Motivation weiterzumachen.“

Let´s get social!

Wer sich nun ebenfalls motiviert fühlt und auch gerne für die Gemeinschaft aktiv sein möchte, findet in der Folge einen kleinen Überblick über Organisationen, die im pharmazeutischen Bereich tätig sind:

Apotheker ohne Grenzen (AoG)

Die Mitgliedschaft ist bereits im Aspirantenjahr möglich. Zweimal jährlich findet eine Basisschulung statt. Diese ist Voraussetzung für Auslandseinsätze. Unterstützung ist aber auch im Inland gefordert, z.B. nach Hochwasserkatastrophen.Die AoG-Zentrale sitzt im Apothekerhaus in Wien, Stammtische gibt es unter anderem auch in Graz. Und wer will, darf natürlich auch gerne „nur“ Geld spenden.
Apotheker ohne Grenzen (AoG)

Austrian Young Pharmacists

Die Jugendinitiative ist eingegliedert in den VAAÖ. Wer sich engagieren möchte, muss daher dort Mitglied sein. Die Schwerpunkte liegen auf dem Unterstützen und Begleiten der jungen Apotheker:innen durch das Aspirantenjahr und hinein in die erste Anstellung. Veranstaltungen werden sowohl online als auch in Präsenz (z.B botanische Exkursionen) durchgeführt. AYP sind in allen Bundesländern vertreten und immer offen für neue Ideen.
Austrian Young Pharmacists

FORUM!pharmazie bzw. VAAÖ

Die Angestelltenvertretungen finden sich in allen Bundesländern. Wer sich einbringen möchte, muss Mitglied sein. Der Mitgliedsbeitrag beträgt beim VAAÖ  1,5 Prozent der Brutto-Gehaltskassenumlage. Das FORUM!pharmazie verlangt einheitlich 89€ pro Jahr mit der Option auf eine günstige Rechtsschutzversicherung durch einen Mehrbetrag.

Die Tätigkeitsfelder sind bei beiden Organisationen vielfältig und reichen vom standespolitischen Bereich über Nachwuchsarbeit bis hin zur Organisation von Veranstaltungen.
FORUM!pharmazie
VAAÖ

Rotary Club

Bei Rotary handelt es sich um keine klassische Apothekenorganisation, es finden sich aber auch Apotheker in den Mitgliedsreihen. Gepflegt wird soziales Engagement im lokalen aber auch internationalen Bereich. Für junge Apotheker:innen bietet sich die Chance, im Rahmen des Netzwerks Praktika im Ausland zu absolvieren, die von den Mitgliedern organisiert werden. Mitgliedschaft ist nur auf Einladung möglich.

Österreichischer Apothekerverband

Hier können selbstständige Apotheker:innen nicht nur als Mitglied zahlreiche Unterstützungsangebote nutzen, sondern ebenso selbst aktiv werden. Auch beim Verband bieten sich mehr Möglichkeiten als das standespolitische Engagement. Lobbying und PKA-Belange stehen hier unter anderem im Fokus.
Österreichischer Apothekerverband

Landesübergreifende (standespolitische) Organisationen für PKAs gibt es in Österreich nicht. Für alle Apothekenmitarbeitenden bieten sich aber zahlreiche Optionen bei lokalen Organisationen oder auch beim Österreichischen Roten Kreuz.

„Mitgefühl ist nie verschwendet – es sei denn, man hat Mitleid mit sich selbst.“ (Henry Dunant)



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