Heute Bad Ischl, morgen Pittsburgh. Vormittag Apotheker, Nachmittag internationaler Unternehmer. Heimo Hrovat vereint zwei Seelen in seiner Brust: die des lokal verwurzelten Apothekers und jene des weltweit tätigen Unternehmers. Dabei ist es ihm genauso wichtig, traditionelles Gut zu bewahren wie neue Wege zu beschreiten.
Mag. pharm. Heimo Hrovat ist vermutlich einer der international erfolgreichsten österreichischen Apotheker der Gegenwart. Seine Firma „H+H SYSTEM“ liefert in mehr als 60 Länder weltweit und ziemlich sicher haben die meisten in ihrer Apotheke schon einmal ein Produkt aus dem Unternehmen mit Firmensitz im beschaulichen Strobl am Wolfgangsee in Händen gehabt. Denn Hrovat sorgt nicht nur in seiner eigenen Apotheke in Bad Ischl für Ordnung, sondern ist mit seinen flexiblen Unterteilungen für Schubschränke, Arzneimittelkühlschränke, Tresore und Aufbewahrungsmobiliar jeder Art in Apotheken weltweit zu finden.
Zukunft als Apotheker nie in Frage gestellt
Die Apothekerkarriere war dem Unternehmer aus dem Salzkammergut quasi in die Wiege gelegt. Drei Generationen vor ihm hatten sich bereits der Arzneimittelversorgung der Ischler Bevölkerung verschrieben. „Ich habe nie überlegt, etwas anderes zu werden.“ sagt Hrovat pragmatisch.
„Hätte meine Familie eine Bäckerei gehabt – mein Großvater war übrigens wirklich Bäckermeister – wäre ich heute Bäcker. Ich mache das, was ich mache, mit Freude und Energie und ziehe es durch. Und ich wäre dumm gewesen, wenn ich es nicht gemacht hätte. Weil ich ein tolles Handwerk in die Wiege gelegt bekommen habe, mit dem man was machen kann“.
Diese Einsicht musste jedoch etwas reifen. Nach Studium und Aspirantenjahr wäre der junge Pharmazeut eigentlich in Wien geblieben. Die Wirtschaft lockte ihn mehr als die Offizin und nachdem das Pharmaziestudium in diesem Ausbildungsbereich noch – na sagen wir – Luft nach oben hat, schrieb sich Hrovat direkt nach erlangtem Apothekerdiplom für einen WiFi-Kurs ein. „Nach dem Studienabschluss wusste ich nicht einmal, wie man eine Bilanz lesen kann“, blickt der heute erfolgreiche Unternehmer kritisch auf sein Pharmazieausbildung zurück. Drei Abende die Woche über sechs Monate lösten nicht nur das Bilanzproblem, sondern qualifizierten ihn auch für einen spannenden Job bei Herba Chemosan, den er rückblickend „sehr gerne ausübte“.
Family-Business
Nebenbei blieb er aber einen Tag pro Woche der öffentlichen Apotheke erhalten – allerdings mit wechselnden Dienstgebern. „Ich wollte mir viele verschiedene Apotheken anschauen“, zeigte Hrovat damals schon Interesse für den Blick über den Tellerrand. Recht unvermittelt ereilte den Neo-Großstädter der Ruf aus der Heimat Bad Ischl, da sein Bruder Hannes das Apothekerwesen in der Bundeshauptstadt dem Apothekenleben im Salzkammergut vorzog. „Und zu Hause im engen Familienverbund zu arbeiten, ist auch nicht jedermanns Sache“.
Tatsächlich war die heimatliche Apotheke zu dem Zeitpunkt der Inbegriff von „Family-Business“: Vater und Cousin, sowie die zweite Frau des Vaters werkten in der Offizin, die Frau des Cousins im integrierten Geschenkeladen nebenan. Heimkehrer-Heimo waren das sehr bald „zu viele Hrovats auf einem Haufen“. Deshalb blieb der Jüngste der H´s wiederum nur einen Tag in der Woche an der Tara und widmete die restliche Zeit „H+H SYSTEM“, jenem Unternehmen, dessen Lagersysteme mittlerweile aus Apotheken und Krankenhäusern weltweit nicht mehr wegzudenken sind.
In 60 Ländern erfolgreich
„Unter anderem sind wir der größte Hersteller von Kühlschrankschubladen für Apotheken und Krankenhäuser in Europa“, erklärt Hrovat mit Stolz – und das zurecht. Wer einen Arzneimittelkühlschrank öffnet, findet in 80 Prozent der Fälle darin Elemente von H+H SYSTEM. Neben den Schubladen und den flexiblen Unterteilungen liegt das Hausptaugenmerk inzwischen auf der Produktion von Regalen und Arbeitsstationen, welche helfen die immer aufwändigeren Abläufe der Medikamentenlogistik zu verbessern. Unter Heimo Hrovats Ägide (jetzt müssen wir beim Namen genau sein, denn Hrovats gab es in dem Betrieb einige – nicht zuletzt die Gründer Heimo sen. und Horst) wuchs das Unternehmen von 23 auf 68 Beschäftigte, legte den Fokus auf die Krankenhausversorgung und liefert heute von zwei Firmensitzen (in Strobl und Pittsburgh, USA) in 60 Länder auf allen Kontinenten.
Ein WiFi-Kurs alleine macht aber noch keinen internationalen Top-Unternehmer. Hrovats Visitenkarte weist auch einen MBA auf. Der wurde an einer US-Uni absolviert mit Besuchen von Lehrveranstaltungen in London, Chicago und Singapur. Trotzdem vertraut der Master und Magister nach wie vor viel auf sein Bauchgefühl.
Eigenproduktion statt “Eigenmarken”
Dieses sagte ihm 2011, als er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters die Leitung der Familienapotheke übernommen hatte, dass er vermehrt auf Eigenprodukte setzen soll. Nicht auf die aktuell beliebten „Eigenmarken“, also Fremderzeugnisse mit Eigenetikett – die gibt es vereinzelt auch, wandern aber immer mehr aus dem Sortiment – sondern auf im Apothekenlabor selbst Produziertes. Mehr als 200 Artikel umfasst mittlerweile das Sortiment und reicht vom Anti-Schnarch-Öl bis zum Zirbelkiefer Raumspray. Jüngste Errungenschaft der Apotheken-Tüftelwerkstatt sind selbstproduzierte Seifen. Der Weg dorthin war kein leichter. Weder finanziell noch rechtlich.
Der hartnäckige Pharmazeut schaffte es, die Apotheken-Hausspezialitäten, die von seinem Vater als immaterielles UNESCO Weltkulturerbe im Alleingang durchgesetzt wurden, gemeinsam mit seiner Frau Betty weiter auszubauen. „Die Kammer hatte wenig Interesse daran, weil es vielleicht zehn Apotheken in Österreich gibt, für die das wirklich ein Thema ist.“ Man merkt, dass Hrovat diesen Umstand bedauert, „denn eigentlich wäre dies unser ursprüngliches Handwerk“.
Für ihn liegt hier ganz klar die Apothekenzukunft. Und in einer weiteren „apothekenunüblichen“ Produktgruppe: „Wir gehen im Sortiment immer mehr in den Bereich „Wohlbefinden“ und wollen Kund:innen in die Apotheke holen, die nicht krank sind.“ Wer denkt, dass die „Kurapotheke Bad Ischl“ vor allem mit Tourist:innen den großen Reibach macht, der irrt. „Es ist schön, dass wir das Kaiser-Thema nutzen können,“ schmunzelt der Apotheker, „und unsere Sisi-Produkte kaufen wirklich nur Touristen, aber das ist die Draufgabe. 90 Prozent des Umsatzes machen wir durch den lokalen Einkauf.“
Wirtschaftlichkeit durch Skalierung
In den nächsten eineinhalb Jahren soll die Apotheke um- und das Labor ausgebaut werden. Damit die Eigenproduktion im größeren Maßstab ablaufen kann. Denn nur dann ist das Unterfangen auch wirtschaftlich rentabel. Aktuell investiert Hrovat noch in den Aufbau – und zwar nicht nur Geld, sondern auch Nerven: „Ich habe viel Wissen reingesteckt, aber auch viel Lehrgeld bezahlt,“ zieht der mutige Unternehmer eine Zwischenbilanz. „Und alle paar Jahre sitzt die AGES bei mir.“ Nicht als Freundschaftsbesuch. Vieles, was die Bürokratie verlangt, ist nicht leicht nachvollziehbar und es fallen immer wieder Ungleichbehandlungen zu anderen Berufsgruppen auf. „Aber es ist unser Steckenpferd,“ lässt sich Hrovat nicht entmutigen.
Das ist generell das Motto des umtriebigen Firmenchefs: „Wenn du was machst, mach es mit voller Energie und mit Liebe. Dann wird´s was.“ Diese Einstellung führt nicht nur zum Erfolg, sondern auch zu langen Arbeitstagen. Die Ehefrau steht als Marketingexpertin zu Seite, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass zwischendurch ein bisschen Auszeit mit der Familie stattfindet. „Samstag wird eigentlich nicht gearbeitet. Aber wenn ich zum Bäcker gehe, komme ich bei der Apotheke vorbei. Und dann kann es schon sein, dass ich kurz reinschaue.“ Wenn das „kurz“ ein bisschen länger dauert, kommt der freundliche Erinnerungsanruf der Gattin, dass zu Hause hungrige Familienmitglieder warten. Deshalb werden die Wochenenden auch gerne fernab von Bad Ischl verbracht.
Schifahren, Comics und Strategie
Für Schifahren ist immer noch Zeit, Golfspielen findet nur mehr sehr sporadisch statt („vielleicht fünf Mal im Jahr und dann von 5:00 bis 7:00. Zum Frühstück bin ich wieder zu Hause.“) und ansonsten ist „die Arbeit ein bisschen wie ein Hobby – aber das ist auch gefährlich“, räumt Hrovat ein. Deshalb ist sein großes Zukunftsziel nicht nur der Ausbau des US-Business („dort sehe ich noch großes Potential“) sondern auch das Reduzieren auf ein „100%-Arbeitslevel“. Der Apotheker und internationale Unternehmer ist durchaus selbstkritisch: „Ich weiß, dass ich keine 10 Jahre mehr so weiterarbeiten kann. Mein Ziel ist: mehr strategische Ausrichtung, weniger operative.“
In seinem Arbeitszimmer blickt dem Umtriebigen eine Tim-Figur aus der Comic-Serie „Tim und Struppi“ über die Schulter – und hilft ihm auch beim Entspannen. „Abends lese ich gerne mal ein paar Seiten der Comics. Das versetzt mich in meine Kindheit.“ Damals gab es „Tintin“ im französischen Original. Bei seinen zahlreichen Reisen hält Hrovat heute Ausschau nach deutschen Exemplaren. Der Unternehmer-Apotheker lacht: „Ein bisschen muss man sich doch das Kind im Manne bewahren, nicht wahr?“ Unbedingt!