Erst wollte er Apotheker werden, später Wirbelsäulenchirurg. Heute ist er nicht nur Apotheker und Mediziner, sondern auch noch Unternehmer, Vortragender, Standespolitiker und kreativer Tüftler. Wie das Leben manchmal so spielt.
Am Anfang stand die Pharmazie – bis die Physiologie-Prüfung den Sinneswandel herbeiführte. Allerdings in untypischer Manier: während andere in schierer Verzweiflung über Stoff, Prüfer oder beides zum Studienwechsel tendieren, war es bei Hartl das erwachte Interesse. „Wenn Zeit neben dem Pharmaziestudium ist, schau ich mir mal Medizin an,“ erinnert sich der Apotheker an seine damalige Absicht. Das zweite Studium selbst ist dann „irgendwie passiert.“ „Das Knochenkolloquium habe ich, ohne zu lernen ganz gut geschafft und da dachte ich mir: den Sezierkurs gönne ich mir auch noch.“ Und während andere bereits mit einem der beiden Studien mehr als genügend Opfergaben an Zeit, Nerven, Haaren und ähnlichem abzuleisten haben, studierte der Wiener fortan beides – und finalisierte Medizin sogar vor Pharmazie. Dann startete der ambitionierte Jungmediziner mit dem Berufsziel „Wirbelsäulenchirurg“ in den Turnus – und geriet das erste Mal in zeitliches Straucheln. Zehn Nachtdienste pro Monat waren Ende der 90er für angehende Ärzt:innen Standard. Ein Pensum, das sich nicht mit dem Lernen für pharmazeutische Chemie vereinbaren ließ. Deshalb legte Hartl die Arztkarriere vorübergehend auf Eis.
Arzt-Tätigkeit erweiterte Blickwinkel
Mit dem zweiten Diplom in der Hand stand der medizinische Pharmazeut (oder pharmazeutische Mediziner) vor dem beruflichen Scheideweg: auf der einen Seite gab es die große Liebe zur Chirurgie, auf der anderen Seite die Faszination für Arzneimittel und deren Wirkung im Körper. Wie sich Hartl entschieden hat, ist bekannt. „Was mir von der Medizin geblieben ist,“ sagt er rückblickend, „ist ein großes Verständnis für die Personen, die zu mir an die Tara kommen. Und dass ich sehe, wieviel Potential bei Medikationsmanagement da ist, das nicht gehoben wird.“
Herzensthema Medikationsmanagement
Wer den mittlerweile 2. Vizepräsidenten des Apothekerverbandes kennt, der weiß, dass Medikationsmanagement eines seiner großen Herzensthemen ist. Bereits ab 2013 zog er mit Kollegin Mag. pharm. Christina Labut (aktuell in der Apotheke des AKH tätig) durch ganz Österreich, um den Kolleg:innen das spannende Thema näher zu bringen. Es gab damals sogar eine bezahlte Kooperation mit der Uniqa-Versicherung. Im Zuge dieses Projektes wurden mehr als 500 Patient:innen erfasst. Hartls Resümee: „Wir wurden dreimal schriftlich vom Arzt beschimpft, aber 75% unserer Empfehlungen wurden umgesetzt.“ Eine klare Bestätigung für den Erfolg.
Aufklärung in Apotheke wichtig
Der Apotheker betont die Bedeutung der Arzneimittelaufklärung in der Apotheke. Patient:innen wären beim Arzt häufig überfordert, Informationen zu ihren Medikamenten richtig zu erfassen. Das kann er an selbst erlebten Beispielen festmachen. Eines blieb ihm besonders nachhaltig im Gedächtnis: „Als ich Pharmazie fertig studierte, war ich auch in einer orthopädischen Lehrpraxis im 17. Bezirk. Da kam ein junger Patient mit Hexenschuss. Dem verschrieb ich ein Schmerzmittel plus Magenschutz. Zwei Tage später stand derselbe Patient vor mir in der Apotheke im 2. Bezirk – also am anderen Ende von Wien – schmeißt mir das Rezept hin und sagt „I krieg den Bledsinn do.“ Er hat mich nicht erkannt – und ich habe ihm nochmals erklärt, warum und wie er die Medikamente einnehmen soll.“ Hartl lacht und wird gleich wieder ernst: „Das Erklären der Medikation in der Apotheke hat einen großen Wert. Nach dem Arztbesuch tauchen oft Fragen auf, die bei uns beantwortet werden können.“ Auch das ist eine Form von Medikationsmanagement.
Weiters sieht Hartl auch Impfen als pharmazeutische Dienstleistung mit Berechtigung in der Apotheke. „Wir haben klar gesagt, dass wir den Ärzten nichts wegnehmen möchten,“ betont der Standespolitiker, „und man sieht das auch im Ausland: Wo Apotheken impfen, steigen die Durchimpfungsraten in der Bevölkerung.“
(Bild: Apothekerverband/ Renée Del Missier)
Wann in Österreichs Apotheken geimpft werden darf, steht noch in den Sternen. Sehr real sind aber Inflation, schwindende Kaufkraft bei überproportional ansteigenden Arzneimittel- und Nahrungsergänzungsmittelpreisen und sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Der Apotheker bezeichnet die aktuelle Situation in der Apotheke aktuell als „spannend, interessant, aber herausfordernd“. Nachtdienste schlucken Betriebsgewinne und Preise von unter zwei Euro für eine Packung Paracetamolzäpfchen bringen Betriebe in wirtschaftliche Schieflage. Deshalb setzt der Pharmazeut in seiner Rotunden-Apotheke verstärkt auf Eigenmarken. Er sieht das Angebot als klare Win-Win-Situation: „Die Preise von einigen Markenartikeln sind in der letzten Zeit massiv angestiegen – wesentlich mehr als die Inflation. Und in den Online-Apotheken bekommt man die dann mit horrenden Rabatten. Bei meinen Eigenmarken weiß ich, was drin ist. Da stehe ich voll dahinter. Und für die Kund:innen ist es günstiger.“
Arzneiweine aus Eigenproduktion
Nebst dem „klassischen“ Sortiment der Eigenmarke-Linie „Dr. Hartl“ bietet die Rotunden-Apotheke auch zwei Arzneiweine. „Da haben wir ein bisschen herumexperimentiert,“ lacht der vielseitige Apotheker. Praktisch, dass der Großcousin Weinbauer ist. Momentan gibt es Kreationen mit Holunder und Lavendel. Am „China-Eisenwein“ wird noch getüftelt. Bisherige Geschmackstests konnten den Chef nicht überzeugen. Auch sonst wird in der Rotunde kreativ in die Zukunft geblickt. Was genau gerade in der Testphase ist, wird nicht verraten. Es kann aber nur gut werden, denn „wir haben ein umfassend ausgestattetes Labor – bei den Anschaffungen toben wir uns gerne aus,“ verrät Hartl.
Immer in Bewegung
Wenn ihm Tara, Labor und Standespolitik zu viel werden, schnappt sich der Apotheker gerne die Laufschuhe. Diese Form der Auszeit wurde seit dem Studium beibehalten. „Ich habe schon immer den körperlichen Ausgleich gebraucht: eine halbe Stunde laufen, dann kalt abduschen – das habe ich stets als sehr positiv empfunden, weil es auch den Körper wachhält.“ Es darf sportlich aber auch gerne ein bisschen spektakulärer sein: Mountainbiken und Windsurfen in der Welle stehen unter anderem noch auf der Liste der Hobbies.
Zum Abschluss des Interviews spricht Hartl über seine Motivation und die Liebe zum Beruf: “Ich mache meinen Job wirklich gerne. Und solange du eine gewisse Neugierde hast und dich Dinge interessieren, macht der Beruf sehr viel Spaß.“
Eine Aussage des medizinischen Pharmazeuten hallt nach dem Interview noch nach: Befragt nach seinen Hobbies antwortete er: „Ich bewege mich wirklich gerne“ Die Vermutung liegt nahe, dass sich das auf viele Bereiche in Hartls Leben umlegen lässt.