Er war der jüngste Präsident der österreichischen Apothekerkammer, einer der ersten, die den Begriff „Medikationsmanagement“ in die Apothekerschaft brachten und jetzt setzt er sich als Vorreiter ein, die Kleinteiligkeit des Gesundheitssystems wieder zu einem großen Ganzen zu verbinden. Mag. Max Wellan ist einer der großen Visionäre der Apothekenbranche – und das nicht nur aufgrund des Gardemaßes des Ex-Profibasketballers.
Wer bereits vor 2017 in der Apotheke gearbeitet hat, kennt ihn bestimmt. Denn von 2012 bis 2017 war der charismatische Wiener der erste Apotheker des Landes. Das markierte den Höhepunkt einer standespolitischen Karriere, die bereits 1997 – im zarten Alter von 29 Jahren – begonnen hatte. Schon damals trieb ihn der Gedanke an, die Zukunft des Apothekerberufes gestalten zu wollen. Eine Ambition, die ihn übrigens bis heute nicht verlassen hat (wie Sie im Laufe dieses Portraits noch merken werden). Er gründete seine eigene Liste, das FORUM!pharmazie, und avancierte erst zum Vizepräsidenten und dann zum Präsidenten der Landesgeschäftsstelle Wien. Ein bemerkenswerterer Umstand, wenn man bedenkt, dass der Präsidentenstuhl traditionell mit sehr wenigen Ausnahmen von Selbstständigen besetzt wird. 2012 dann das schier Unmögliche: ein Angestelltenvertreter wird Kammerpräsident.
Mehr als 1000 Fortbildungen
Als Standespolitiker war Wellan ein Freund des Vermittelns, Verbindens und der von ihm gerne zitierten „Unaufgeregtheit“. Ein besonderer Fokus lag auf der Aus- und Weiterbildung der Apotheker:innen. „Über 1000 Fortbildungen habe ich in dieser Zeit organisiert und moderiert“ erinnert er sich an viele Abende in Hörsälen und ausgefallenen Veranstaltungsräumen. Auch das Medikationsmanagement war auf seiner präsidialen Agenda ganz oben angesiedelt.
Dass das politische Leben ein endliches ist, war Wellan bewusst. „Politik ist immer nur geborgt“ sinniert er in unserem Gespräch. So wechselte er 2017 aus dem Status des Präsidenten quasi volée in jenen des Weltreisenden. „Eine politische Funktion ist sehr anstrengend und man ist unglaublich eingespannt. Das bekommt man als Außenstehender gar nicht so mit. Reisen war für mich 20 Jahre lang nicht möglich“ erklärt der Apotheker den radikalen Schritt zu seinem Abendteuer, das ihn 11 Monate lang in viele Ecken der Welt führen würde.
Einmal um die ganze Welt
Mit einem Rucksack, einer kleinen Reiseapotheke (die er nicht brauchen sollte) und 4 Taschenmessern (die trotz strenger Sicherheitskontrollen erstaunlich lange in seinem Besitz blieben) startete er Richtung Südkorea.
Weitere Stationen waren Japan, China, Kambodscha, Indien, Australien, Yasawas, Marquesas, Osterinseln, Chile, Bolivien, Argentinien, Südgeorgien und Namibia – um nur einige zu nennen. Vom Shinkansen bis zum Frachtschiff wurde jedes erdenkliche Transportmittel genutzt. Endstation war dann in Äthiopien.
Was Wellan bei seiner touristischen Tour de force vermisst hat? „Wenn du alle paar Tage woanders bist, kannst du nicht tief in die Kultur eintauchen. Aber dafür lernst du, dich sehr schnell anzupassen.“ Seinen Reisemodus bezeichnet er als „Flow“: „Das ist kein Urlaub, sondern eben Reisen. Man lernt, sein Gepäck klein zu halten. Und Zuhause ist ganz weit weg – vor allem, wenn du auf der Südhalbkugel bist.“
„Die Apotheken sind in vielen Ländern wirklich schwach aufgestellt. Aber Primärversorgung ist mehr als nur Arzneimittelabgabe.“
Wellan wäre nicht Vollblutapotheker, hätte er auf seinen zahlreichen Stationen nicht auch Einblicke in die lokale Gesundheitsversorgung gesucht. Was ihn dabei besonders nachhaltig beeindruckt hat, war das System der Primärversorgungszentren. „Die Apotheken sind in vielen Ländern wirklich schwach aufgestellt. Aber Primärversorgung ist mehr als nur Arzneimittelabgabe.“ Vor allem das ayurvedische Konzept hat es ihm angetan. Das umfasst neben dem Arzneimittel auch noch eine manuell-körperliche Komponente wie Massagen und wird ergänzt durch einen psychosozialen Beitrag. „Daran wird bei uns kaum gedacht.“ kritisiert Wellan.
Eigene Apotheke als Gesundheitsdrehscheibe
Und weil er schon immer ein Visionär im Bereich Gesundheitsversorgung war, plante er nach seiner Rückkehr ein ganz spezielles Apothekenkonzept, das er in seiner neu errichteten Apotheke im 10. Wiener Bezirk umsetzte. „Die Apotheke soll eine Gesundheitsdrehscheibe sein, ein Ort der Begegnung.“
Deshalb findet sich in seiner Apotheke auch ein eigenes Fleckerl für den „Bassena-Tratsch“, vor der Apotheke direkt an der Favoritenstraße ein Arzneigarten mit Kräutern eingeteilt in Gesundheit, Schönheit und Wohlbefinden und im Winter eine Punschhütte.Warum eine Punschhütte? Da ist Wellan ganz pragmatisch: „Weil es die bei uns einfach nicht gab. Und jedes Grätzl braucht eine Punschhütte.“ Klar.
Genauso, wie es auch ein „g´sundes Eck“ braucht. Als das fungiert nämlich Wellans Ecklokal. Sein Netzwerk im Sinne der umfassenden Patientversorgung umfasst den benachbarten Optiker, den Hörakustiker zwei Häuser weiter sowie den Psychotherapeuten und den Personal Trainer in unmittelbarer Nachbarschaft. Außerdem hängt ein Defi im Eingangsbereich und der Vortragsraum über der Apotheke wird für gemeinschaftliche Aktionen aller Art genutzt und auch „weiterverborgt“.
Zu viel Fragmentierung
Wellan sieht in einer umfassenden Patient:innen-Betreuung die Zukunft des Gesundheitssystems. „Ich glaube, es wird sich nicht finanzieren lassen, dass alle ins Heim kommen. Je länger die Leute in ihrem gewohnten Bereich bleiben können, umso besser ist es – und umso ökonomischer. Dafür müssen alle Disziplinen zusammenarbeiten und den Patienten als Ganzes sehen.“ Auf seiner Weltreise hat er entdeckt, wie das andere Länder – notgedrungen – besser machen. „Bei uns ist die Fragmentierung viel zu weit fortgeschritten“ stellt Wellan fest und tüftelt gerade an einer virtuellen Kundenkarte, die für alle Betriebe in seinem Gesundheitsnetzwerk freigeschaltet ist. Außerdem arbeitet er an einer noch bessern Digitalisierung. Dabei ist seine Apotheke mit all ihren Besonderheiten und Aktionen (Venenmessen, Nordic-Walking-Gruppe, PoC-Tests und vielem mehr) bereits jetzt Anlaufstelle für viele interessierte Apothekenbesitzer:innen aus dem Ausland.
„Ich glaube, es wird sich nicht finanzieren lassen, dass alle ins Heim kommen. Je länger die Leute in ihrem gewohnten Bereich bleiben können, umso besser ist es – und umso ökonomischer. Dafür müssen alle Disziplinen zusammenarbeiten und den Patienten als Ganzes sehen.“
Aber wer den ehemaligen Standesvertretungsgründer, Präsidenten, Weltreisenden und Unternehmer kennt, der weiß, dass Wellan vor allem eines ist: ein unermüdlicher Visionär im Sinne der Patientenversorgung. Und deshalb antwortet er auf die Frage, was bei all dem, was in der Vorzeige-Apotheke bereits verwirklicht ist, noch kommen könnte: „da ist noch viel Luft nach oben.“
Schlussbemerkung der Redakteurin
Und zum Schluss erlaube ich mir noch eine persönliche Bemerkung: in 22 Jahren Taratätigkeit hat mich keine andere Person aus der Apothekenwelt so sehr beeinflusst wie Max Wellan. Sollten Sie jemals in Ihrer beruflichen Karriere an einem Punkt sein, an dem Sie Ihren Job oder die Funktion der Apotheke in Frage stellen (nicht, dass dies bei mir je der Fall gewesen wäre – außer während des Studiums…aber das ist eine andere Geschichte): sprechen Sie mit diesem Mann – und Sie werden die Wichtigkeit der Institution Apotheke erkennen.