Arbeiten in der Krankenhausapotheke ist langweilig? Das war einmal. Heute sind die Klinik-Apotheker:innen gefragte Arzneimittelexpert:innen am Krankenbett und darüber hinaus. Wegbereiterin und Aushängeschild der Berufsgruppe ist Mag. Martina Anditsch, Leiterin der Anstaltsapotheke des Wiener AKH. TARA24 traf sie zum Interview.
Alleine die Zahlen sind beeindruckend: über 200 Mitarbeiter:innen, ein Reich, das sich demnächst über 8000 m2 erstrecken wird, und mehr als 40 zu betreuende Stationen. Mag. Martina Anditsch lenkt die Geschicke der größten Apotheke Österreichs. Diese befindet sich gerade im Umbau und soll spätestens bis 2027 nicht mehr nur über zwei, sondern über drei Etagen verfügen.
Multikulti-Teammotivation
Generell ist Mitarbeitermotivation ein großes Thema für Anditsch. „Die soziale Komponente ist mir sehr wichtig“, sagt sie „Gerade in einem so großen Team, das auch sehr multikulti ist – was ich total schön finde.“ Sie lächelt und ergänzt: „Wir haben jährlich eine gemeinsame Weihnachtsfeier und ein Sommerfest. Es ist gar nicht so leicht, für eine so große Gruppe eine passende Location zu finden.“ Aber wer die Apotheke im AKH managen kann, für den ist so eine Herausforderung ein Klacks. „Wir betreiben auch viel Teambuilding. Da wird dann schon mal gemeinsam gesungen – was am Anfang nicht alle so toll finden.“ Am Ende aber doch. Und der Erfolg gibt Anditsch recht. „Obwohl wir finanziell an feste Gehälter gebunden sind, habe ich keine Personalsorgen. Sobald eine Stelle frei wird, ist die gleich wieder besetzt.“
Schwerpunkt: Aus- und Fortbildung
Ein besonderes Anliegen ist der Apothekerin die Ausbildung. Alle Mitarbeiter:innen, sowohl PKAs als auch Apotheker:innen, werden gerne in ihren Interessen bestärkt und gefördert. „Auch das Nachwuchsthema ist mir sehr wichtig“, ergänzt die gefragte Referentin und Vortragende an der Uni Wien. Sie engagiert sich mit starkem persönlichem Einsatz um zusätzliche Ausbildungsplätze für Aspirant:innen. Denn wenn es nach der Pharmazeutin geht, ist in einer großen Apotheke wie der ihren jedenfalls Kapazität für mehr als eine Stelle.
Seit mehr als 34 Jahren ist Anditsch nun schon in der Welt der klinischen Pharmazie zu Hause. Wie Sie damals dazu kam? „Ich wollte immer schon in die Krankenhauspharmazie,“ erklärt sie, „da ich dort die Chance hatte, enger mit Ärzten und Ärztinnen zusammen zu arbeiten, um die medikamentöse Therapie der Patient:innen zu optimieren. Nach 22 Jahren klinische Pharmazie im Donauspital bekam ich die Chance, die Leitung der Krankenhausapotheke in der Universitätsklinik AKH Wien zu übernehmen und die Vision der intensiven Kooperation Arzt-Pflege-Apotheker auf der Station im größeren Maßstab zu etablieren.“
Eine Aufgabe, die nicht nur zahlreiche betriebswirtschaftliche Zusatzqualifikationen verlangt, sondern auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Aber als Teamplayerin kann sie auf die Unterstützung von zwei Vertretungen bauen und ist auch sonst sichtlich stolz auf die Kräfte, die sie unter einem Dach bündelt. „Seit ich die Leitung übernommen habe, hat sich der Mitarbeiterstab verdoppelt.“
2 neue Ambulanzen etabliert
Eine Armee an pharmazeutischen Top-Kräften braucht es auch, um alle Aufgabengebiete der Krankenhausapotheke zu stemmen. Auf mehr als 40 Stationen wird gemeinsam mit den Ärzt:innen klinische Pharmazie gelebt. „Das war anfangs nicht so einfach,“ plaudert die Apothekenleiterin aus dem Nähkästchen, „aber nach und nach konnten wir die Ärzteschaft und Pflege für diese Unterstützung begeistern. Einmal kennengelernt, möchten sie die Zusammenarbeit auf der Station nicht mehr missen!“ Die von Anditsch und ihrem Team angebotenen Dienstleistungen reichen von einer patientenindividuellen Produktion von i.v. Zubereitungen bis zu klinisch pharmazeutischer Beratung in vielen Bereichen. Bei der Versorgung der Stationen mit Arzneimitteln unterstützt ein Roboter. Die ebenfalls in den pharmazeutischen Aufgabebereich fallende Betreuung von Forschungsarbeiten läuft aber ausschließlich über Manpower.
Ein Projekt, das der Apothekerin ganz besonders am Herzen liegt, ist die „Ambulanz für Arzneimittelinformation und Nebenwirkungen“. Diese wurde als Hilfestellung für niedergelassene Ärzte und Ärztinnen etabliert, um sich bei Problempatient:innen mit Polypharmazie eine Zweitmeinung einzuholen.. „Es fehlt einfach oft die Zeit die komplexe Thematik möglicher Wechselwirkungen in Ruhe zu bearbeiten,“ erklärt Anditsch. Die Patient:innen erhalten eine Überweisung und können nach Terminvergabe in der Ambulanz vorstellig werden. „Die Leute kommen mit ihrem „Brown Bag“ in dem wirklich alles drinnen sein muss, was sie einnehmen. Egal, ob vom Arzt verordnet oder selbst gekauft.“ Die Laborwerte werden ebenfalls übermittelt und dann geht die Detektivarbeit der Arzneimittelfachleute im AKH los. Eine weitere Dienstleistung hat das AKH ebenfalls der Initiative der umtriebigen Apothekenchefin zu verdanken: die pharmazeutische Unterstützung der Prä-OP-Ambulanz. „Ein Medikationscheck vor der geplanten OP trägt wesentlich zu deren optimalen Outcome bei,“ weiß Anditsch.
Genuss-Sportlerin und Kultur-Fan
Bei einem derartigen Arbeitspensum können die Tage schon lang werden. „Ich starte zwischen 7:00 und 7:30 Uhr und habe eigentlich um 15:30 Uhr Schluss.“ Sie lacht. „Und ganz oft beginne ich erst dann, meine Emails abzuarbeiten und was sonst so an Routinearbeiten zu erledigen ist. Aber die Arbeit macht wirklich Spaß und ich erledige den Job echt gerne.“
Ausgleich findet die Apothekerin in der Natur. „Ich bin ein Genuß-Sportler,“ beschreibt sie sich selbst. „Nordic-Walking, Schifahren und so eine rundum Wald-Therapie – das ist mein Ausgleich.“ „Und Kultur,“ ergänzt sie gleich. „Kultur und Musik.“ Nach einer kleinen Pause kommt noch der Zusatz „Und meine beiden Töchter. Die sind zwar schon erwachsen, aber ich genieße es sehr, mit Ihnen zu reisen oder einfach gemeinsame Zeit zu verbringen.“
Zum Schluss wird die sympathische Apothekerin ernst: „Klinische Pharmazie, die Verbreitung und die Lehre davon, sind mir ein echtes Anliegen. Ich bin überzeugt, dass das den Apotheker und die Apothekerin der Zukunft ausmacht.“