Mag. Dr. Klaus Schirmer: Vom Apotheker zum Apothekör


von

Astrid Janovsky

Schirmers Enthusiasmus hat ihn weit gebracht – wäre ihm aber fast zum Verhängnis geworden.Schirmer priv.

Die Überschrift könnte auch lauten: Wer tief fällt, kann hoch steigen. Der heute erfolgreiche Apotheker und Pharma-„Hans Dampf in allen Gassen“ musste in seiner Karriere (oder besser: vor seiner Karriere) so manchen Niederschlag einstecken. Und dann kam ein Ereignis, das buchstäblich alles verändert hat. Am Ende wurde sogar ein Buch daraus.

Die meisten in der Apothekenbranche kennen ihn: den dynamischen, charismatischen und ideensprühenden Apothekenbesitzer aus Villach, Buchautor, Keynote-Speaker und in jüngster Leidenschaft auch Likörproduzent. So viel Erfolg kommt nicht von ungefähr. Dahinter steckt in der Regel eine Menge Arbeit und persönlicher Einsatz, natürlich ein tolles Team, aber häufig auch ein bisschen Zufall. Bei Schirmer kam dieser ziemlich laut und ungestüm und sogar auf vier Pfoten daher. Und zwar im allerletzten Moment. Sonst wäre sein Leben als Unternehmer vermutlich ein kurzes gewesen und er heute bestenfalls im kleinen Innsbrucker Umfeld bekannt.

Tiroler im exotischen Villach

Dort stammt der Wahl-Villacher nämlich ursprünglich her und hatte sich aus dem Tiroler Talkessel bis zum Studienende auch nicht wesentlich wegbewegt. Das Aspirantenjahr in Villach war dann „fast schon exotisch“. Obwohl es ihm “im Süden wahnsinnig gut gefiel“ und er sich in den Kärntner Gefilden sehr wohl fühlte, zog er zur Absolvierung des Quinquenniums in die Großstadt. Nein, nicht nach Wien, sondern nach Graz.

1995 fand Schirmer aber wieder den Weg zurück nach Villach und übernahm dann 2005 jene Apotheke, in der er die erste Offizinluft geschnuppert hatte und die er – Achtung: Spoiler – bis heute besitzt. Dass dies eine Verbindung für die Ewigkeit werden würde, war anfangs allerdings nicht geplant. Der Tiroler Pharmazeut sollte für den damaligen, kinderlosen Inhaber den „Betriebs-Stadthalter“ für spätere Erben spielen. Und da prallten mit zwei Generationen auch zwei verschiedene Vorstellungen von Führungsstilen aufeinander. „Zwei Alphatiere verträgt so ein Betrieb nicht“ resümiert Schirmer. So wurde er dann doch zum 100 Prozent–Eigentümer. Und zwar quasi über Nacht. „Am 31.3. endete das Geschäftsjahr der Apotheke – und am 31.3.2005 hatten wir Nachtdienst,“ erinnert er sich an den denkwürdigen Tag. „Ich bin also eingeschlafen als Quasi-Angestellter und aufgewacht als Selbstständiger.“

Verhinderter Lehrer und kein Kaufmann

Dabei war ihm das “Kaufmannstum” nicht in die DNA gemeißelt. „Ich habe das immer als schwierig empfunden,“ gibt sich Schirmer im Interview selbstkritisch. „Gewinnoptimierung war für mich weder Ziel noch Motivation. Ich wollte ein gutes Leben führen und eine gute Arbeit abliefern als Unternehmer. Und mehr Geld bedeutet ab einem gewissen Punkt nicht unbedingt mehr Freiheit.“ Er sieht sich selbst vielmehr als „verhinderten Lehrer“, denn kaum etwas bereitet ihm mehr Freude, als Erkenntnisse zu vermitteln. Und zwar Erkenntnisse für die Kundschaft, aber auch für Mitarbeitende, für den Chef selbst und auch für alle anderen Geschäftspartner. Das ist die Prämisse des Unternehmers. „Schachteln abgeben kann auch ein Automat. Wichtig ist, dass die Kundinnen und Kunden mit einem Mehrwert aus der Apotheke gehen.“ Das kann ein fachlicher Hinweis sein oder einfach die persönliche Ansprache, das Aufgreifen, das Einfühlen und das Maßschneidern einer Lösung.

Der “verhinderte Lehrer” hatte viele Jahre einen Lehrauftrag an der Universität.Schirmer priv

Der Chef kann´s am besten

Was Schirmer an der Selbstständigkeit noch antreibt, ist die „Gestaltungsmacht“. Und mit der hätte er es fast übertrieben. „Unternehmer wird, wer irgendjemandem etwas beweisen will,“ zitiert Schirmer, „und bei mir traf das zu 100 Prozent zu.“ Wie viele jung-selbstständige Kolleginnen und Kollegen wollte er alles selber machen. „Denn keiner kann es so gut wie der Chef“, grinst er. Und wird gleich ernst: „Das führt dazu, dass die Low-Performer im Team ein schönes Leben haben. Wenn die was nicht können, übergeben sie an den Chef. Und der freut sich, weil er so wichtig ist. Die High-Performer fühlen sich aber konstant unterfordert und auch nicht geschätzt.“

Für diese Erkenntnis zahlte Schirmer bitteres Lehrgeld: „Innerhalb von acht Monaten haben neun von zehn PKAs gekündigt. Das hatte eine ganz fatale Dynamik für den Betrieb.“ An dieser Stelle hält der Apotheker kurz inne und richtet sich dann auf. „Ich war damals wirklich kurz vor dem Ende. Und dann fasste ich einen Entschluss, auf den ich heute noch stolz bin.“

Das Husky-Prinzip

Diese entscheidende Wendung brachte er später auch zu Buche. Der Name „Das Husky-Prinzip“ verrät, wer für das Umdenken verantwortlich war. „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben mir zum Geburtstag ein Schlittenhunde-Wochenende geschenkt. Und in dem Moment, wo ich hinten am Schlitten stand und vor mir acht Hunde hatte, die nichts anderes wollten als losrennen und nur auf mein Kommando warteten, wusste ich, dass das unser Stil sein muss!“

Schirmer änderte seine Personalpolitik radikal. Statt nach dem schnellsten Studienabschluss und den besten Noten suchte er ab sofort nach dem Glitzern in den Augen und dem Wunsch seiner Job-Kandidaten, etwas zu bewegen. „Ich wollte Huskys und keine Rauhaardackel!“ Der Apotheker sagt das ohne die Spur von Ironie. „So kamen zu uns ins Team Leute aus der Gastronomie, Flüchtlinge und eine ehemalige Bibliothekarin.“

Mission impossible: Wohlschmeckender Schwedenbitter

Letztere war maßgeblich entscheidend für Schirmers Wandlung vom Apotheker zum „Apothekör“. Denn die Neo-PKA mit Buchladenvergangenheit hatte eine besondere Begabung für Aromatherapie und Duftmischungen. Deshalb finanzierte Schirmer nicht nur eine spezielle Ausbildung (als Belohnung für den guten Lehrabschluss), sondern stellte der Mitarbeiterin auch an einem Tag der Woche das Apothekenlabor zum „Pantschen“ zur Verfügung. Die Mission war, einen gut schmeckenden Schwedenbitter als Villacher Signatur-Souvenir zu entwickeln. Am Ende wurde die Idee mit dem Schwedenbitter aus Geschmacksgründen verworfen, dafür ein altes Rezept von Paracelsus wiederentdeckt und verfeinert. Und dann war es geboren: das Villacher Goldwasser (incl. Goldflöckchen).

Vom Goldwasser zum Apothekör

Was anfangs nach dem richtig großen Wurf aussah, entpuppte sich schnell als Stolperfalle. Erst zeigte sich der Ansatz im großen Stil als problematisch, dann beklagten die deutschen Touristen, dass das „Villacher Goldwasser“ wohl sowas wie das „Danziger Goldwasser“ wäre und nach einer Namensänderung kam die Klage eines deutschen Spirituosenunternehmers, der sich „Apotheker“ für seine weingeistigen Produkte gesichert hatte.

Darum ist Schirmers Edellikör in der finalen Version zwar goldfarben, heißt aber „Apothekör“ und findet sich mittlerweile fast flächendeckend in der Österreichischen Spitzengastronomie. 2023 wurden bereits 10.000 Flaschen verkauft. Seit diesem Jahr gibt es den europaweiten Markenschutz und deshalb ist ab Herbst auch der Export geplant.

Schirmers nächstes großes Unternehmerziel: die Apothekenleitung in andere Hände zu legen und sich ganz seiner Spirituose zu widmen – und damit endgültig vom Apotheker zum Apothekör zu werden.



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