Man weiß ja erst, was man hat, wenn man´s nicht mehr hat. So ist das bei mir mit der Ballkultur im Allgemeine und dem Pharmazieball – Pardon: Ball der Pharmazie – im Speziellen. Wobei das vermutlich in Deutschland auch kein Erfolgsprojekt wäre.
Wenn Österreich etwas richtig gut kann, dann ist es, Bälle zu veranstalten. Zugegeben: Österreich bietet auch die passenden Rahmenbedingungen: Stammen von hier nicht nur die größten und besten Walzerkomponisten aller Zeiten, findet man auch die allerschönsten Lokalitäten, die so einer Veranstaltung den richtigen Rahmen geben. Und ein nicht unwesentlicher Faktor: In Österreich gehören Grundkenntnisse in den Standardtänzen noch immer zum gemeinen Bildungsprogramm. Erst in die Tanzschule, dann in die Fahrschule, dann zur Matura.
Kaum Ballkultur in Deutschland
Jetzt gibt es in Deutschland generell keine rechte Ballkultur. Faschingssitzungen in regionalen Abschnitten ja, festliche Tanzveranstaltung in große Robe eher nein. Ganz vereinzelt findet man sie vielleicht. Dann ist es aber eher ein Schaulaufen der Halbprominenz (also die aufgerüschte Version des Spargelessens im Marchfelderhof) als Volksverlustigung. Drum ist es nicht verwunderlich, dass die deutsche Apothekerschaft keine vergleichbare Veranstaltung aufweisen kann wie den Pharmazieball in Wien. Zumindest wäre mir keine bekannt.
In letzter Zeit tauchen im Apothekenuniversum zwar ab und an elegant verpackte, firmengesponserte Preisverleihungen auf, aber mit dem glamouröse Flair einer Ballnacht in der ehrwürdigen Hofburg kann das nicht mithalten. Und ich muss ein bisschen mit mir selbst ins Gericht gehen: Früher war ich einmal der Meinung, man könnte doch auch in einen kleineren Rahmen ausweichen und nicht durch eine halbleere (und ziemlich teure) Hofburg lustwandeln. Heute – auch mit dem Blick von außen – sage ich: die Apothekerschaft kann stolz sein, solch eine Veranstaltung zu haben.
Parallelen zwischen Apotheke und Ballkultur
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir ein ähnliches Event in Deutschland hätten. Nicht nur, aber auch um uns selbst zu feiern. Und stolz zu sein auf die lange Tradition des Berufsstandes. Denn auch das impliziert der Pharmazieball für mich: Beständigkeit und Wandel. Wie die Apotheke muss auch der Ball mit der Zeit gehen: Neue Attraktionen sollen rein, alte Hüte können dem Zeitgeist weichen. Aber die Institution an sich hat Bestand.
Was aber vermutlich den Versuch eines deutschen Ablegers des Pharmazieballs in…sagen wir mal Berlin bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt: das wenig tanzaffine Publikum. Zwar verzeichnen auch deutsche Tanzschulen seit der Popularität von TV-Tanzformaten großen Zuspruch, ich würde aber meinen, am deutschen Pharmazieballparkett wären Discofox und Polonaise wesentlich beliebter als Walzer und Mitternachtsquadrille.
Tu felix austria, saltare!
TARA24-Redakteurin Astrid Janovsky arbeitet seit 2016 in einer Apotheke im süddeutschen Baden-Württemberg und pendelt seither beruflich in zwei bisweilen recht unterschiedlichen Arbeitswelten. Denn das deutsche Apothekenwesen ist in vielen Punkten erstaunlich anders als das österreichische. In ihrer Kolumne „Deutschlandreport“ gewährt sie Einblicke in lokale Marotten und bundesweite Gepflogenheiten.