DIGAs: Neuer Markt für Apotheken?


von

Astrid Janovsky

medicine, pharmaceutics, health care and people concept – pharmacist with tablet pc computer and senior man customer at drugstoreAdobeStock_122244984/Syda Productions

Ab 2025 sollen in Österreich digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) auf Rezept verordnet werden können. In Deutschland ist das bereits seit einiger Zeit möglich. TARA24 hat bei Marc Kriesten, Apotheker der ersten Stunde in Sachen DIGAs, nachgefragt, welche Relevanz die Apps für den Praxisalltag in der Apotheke haben können.

„Als digitale Gesundheitsanwendungen (abgekürzt DiGA) werden Medizinprodukte mit gesundheitsbezogener Zweckbestimmung bezeichnet, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht (z. B. „Gesundheits-Apps“) und die von den Krankenkassen erstattet werden. Sie sind dazu bestimmt, die Förderung der Gesundheit sowie die Erkennung, Überwachung, Behandlung von Krankheiten und Behinderung zu unterstützen“ – so die theoretische Definition von Wikipedia. In der Praxis treten die Apps an, um die individuelle Therapie zu stärken und das Gesundheitssystem und nicht zuletzt die Arztpraxen zu entlasten.

Wenig Akzeptanz

Letzteres wollen viele Ärzt:innen aber gar nicht, weiß Apotheker Marc Kriesten, Inhaber von zwei Apotheken im Raum Dinslaken (in der Nähe von Düsseldorf). Er ist deutschlandweit bekannt für seine digitale Vorreiterschaft in der Offizin und deshalb auch einer der ersten in der Berufsgruppe, der sich mit dem Thema DIGA auseinandergesetzt hat. Mittlerweile steckt er schon im zweiten Pilotprojekt rund um die digitalen Gesundheitsdienste und kennt die Vorteile und Fallstricke. „Das Nadelöhr für den Erfolg der Apps sind die Patient:innen, aber auch die Ärztinnen und Ärzte“ weiß Kriesten. „Wir haben es leider erlebt, dass die Verschreibung der DIGA-Rezepte eingestellt wurde, weil die Ordination fürchtete, dass dann die Patienten künftige weniger zu ihnen kommen würden.“

Ersatz für Arztgespräch?

Dabei ist das ja eines der Ziele der DIGAs: das Gesundheitssystem zu entlasten. Gerade bei Anwendungen für psychische Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen kann die App die Wartezeit bis zum Therapieplatz gut überbrücken. „Für manche ist es sogar ein guter Ersatz zur Gesprächstherapie“, erklärt der Apotheker.

In dem Pilotprojekt, in das Kriesten eingebunden war, gab es auch Apps für Rückengesundheit und zur Minderung von Schlafproblemen. „Wir haben in der Apotheke eine eigene Schnittstelle eingerichtet, um den Patientinnen und Patienten bei der Einlösung der DIGA-Rezepte behilflich zu sein.“ Der Apotheker und sein Team bemerkten, dass viele damit schlichtweg überfordert waren. Häufig fehlte auch die Aufklärung des Arztes. „Oft ist es Zeitmangel, vielfach haben die Verschreibenden aber einfach Angst,“ weiß Kriesten.

Hohe Abbruchrate

Was auch auffällig war: die hohe Abbruchrate. „Etwa 30-50 Prozent der Verschreibungen wurden gar nicht eingelöst,“ wundert sich der Digitalfachmann. „Und sehr viele haben ihr DIGA-Rezept am Ende der Gültigkeitsdauer von drei Monaten nicht erneut ausstellen lassen.“
Deshalb versucht Kriesten nicht nur, seinen Patientinnen und Patienten Unterstützung anzubieten, sondern arbeitete in dem Pilotprojekt auch eng mit den Herstellern der DIGAs zusammen. „Wir wollten wissen, wo sie die Apotheke sehen und wo die großen Probleme sind.“ Deshalb erhielten die am Pilotprojekt teilnehmenden Apotheken eine Vergütung von Herstellerseite.

DIGA als pDL

Das wünscht sich Kriesten auch für die Zukunft: „Schön wäre es, wenn die Apotheke von den Herstellern eine Pauschale für die Einbindung in die DIGAs bekämen. Und zwar produktunabhängig. Ich sehe die Unterstützung bei den digitalen Gesundheits-Apps als pharmazeutische Dienstleistung. Und so soll es auch entlohnt werden.“. Der technikaffine Apotheker denkt das Thema aber schon weiter und sieht DIGAs auch als Produkte im Selbstmedikationsmarkt, die von der Apotheke angeboten werden können.

Neuer Markt für Apotheken

Deshalb steckt er bereits in einem neuen Pilotprojekt: ein zweiter Einlöseweg von DIGAs ohne den Weg zum Arzt, sondern direkt über die Krankenkasse. Wie das aussehen könnte? „Die Diagnose des Patienten liegt der Kasse in der Krankenakte vor. Von der Apotheke erhält der Patient die Empfehlung für eine passende DIGA. Die kann er dann direkt bei der Kasse beantragen.“
Wichtig ist Kriesten und seinen Kolleg:innen in den deutschen Pilotprojekten, zu zeigen, welchen Wert die Apotheke auch bei der Digitalisierung spielt und dass die Offizin viel mehr sein kann als „nur“ der POS für die Abgabe von Medikamentenschachteln.

Zur Person

Marc Kriesten ist Inhaber der Glückauf Apotheke sowie der Kronen Apotheke in Dinslaken in der Nähe von Düsseldorf. Mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung in der Apothekenbranche hat er die digitale Transformation von der Frontlinie aus miterlebt und mitgestaltet. Sein Fokus liegt auf der Integration von Künstlicher Intelligenz und digitalen Gesundheitstechnologien, um die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu meistern und neue Geschäftsmodelle zu erschließen.



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