Die unangepasste Rezeptgebühr


von

Astrid Janovsky

Die Rezeptgebühr ist in Deutschland seit 20 Jahren unverändert.

Am 1.1. steigt die Rezeptgebühr. Alle Jahre wieder möchte man meinen. Nicht so in Deutschland. Da wurde diese seit 20 Jahren nicht mehr angepasst.

Aus österreichischer Sicht unvorstellbar: in Deutschland zahlt man seit zwanzig Jahren dieselbe Rezeptgebühr. Seither ist niemand auf die Idee gekommen, dass es ja auch sowas wie Inflation gibt. Wobei man sagen muss, dass die Rezeptgebühr in Deutschland ohnehin eine Wissenschaft für sich ist. Ich erkläre das gerne ein andermal ausführlicher an dieser Stelle, nur so viel in Kürze: man zahlt (in der Regel) zwischen 5 und 10 Euro pro Packung.

Was für österreichische Ohren beim ersten Hinhören ganz ok klingt, ist bei näherer Betrachtung ein echtes Schnäppchen. Denn chronisch Kranke (also der Großteil der Apothekenklientel) bekommen bei einem Arzt- und in Folge Apothekenbesuch den Drei-Monats-Bedarf an Medikamenten. Heißt zum Beispiel 100 Stück Amlodipin für fünf Euro. 100 Simvastatin für fünf Euro. 180 Metformin für fünf Euro. Und jetzt folgt das, was man eigentlich den Österreicher:innen und da wieder vorwiegend jenen ostösterreichischer – ok, nennen wir das Kind beim Namen: Wiener Provenienz zuspricht: das Raunzen. „Was? Fünf Euro wollen Sie dafür? Wozu habe ich denn mein Leben lang in die Krankenkasse einbezahlt?“ Der letzte Satz kommt Ihnen bekannt vor, oder?

Vor einigen Monaten getraute sich der Vorstand einer deutschen Krankenkasse öffentlich den Vorschlag zu unterbreiten, dass man die Rezeptgebühr endlich anheben müsse. Und dann geschah etwas, womit ich mit meinem Österreich-Bias nicht gerechnet hätte: ein Aufschrei kam von der Apothekerschaft! Wie man das nur den Patient:innen klar machen solle, wo die doch jetzt schon so viel jammern würden über die Zuzahlung. Ich hätte gedacht, dass man die Erhöhung apothekenseits unterstützen würde. Gerade wir, die seit mittlerweile zwei Jahren Tarifanpassungen fordern, weil auch diese seit zwei Jahrzehnten nicht erhöht wurden.

Wobei ich die Bedenken der Kolleg:innen auch nachvollziehen kann. Wenn man jetzt auf einen Schlag die gesamte Inflation der letzten 20 Jahre ausgleicht, müssen wir vermutlich wirklich Schutzmauern um die Apotheken aufziehen. Bringen ja schon die paar Cent in Österreich jedes Jahr die Gemüter zum Brodeln. Andererseits erfüllen damit Herr und Frau Österreicher auch eine gewisse Erwartungshaltung. Und Verlässlichkeit ist ja auch was Schönes.

Tu felix Austria.

TARA24-Redakteurin Astrid Janovsky arbeitet seit 2016 in einer Apotheke im süddeutschen Baden-Württemberg und pendelt seither beruflich in zwei bisweilen recht unterschiedlichen Arbeitswelten. Denn das deutsche Apothekenwesen ist in vielen Punkten erstaunlich anders als das österreichische. In ihrer Kolumne „Deutschlandreport“ gewährt sie Einblicke in lokale Marotten und bundesweite Gepflogenheiten.



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