Die Sorgen der Selbstständigen: Von Personalmangel bis Hochpreiser


von

Astrid Janovsky

In Österreich läuft der Laden noch einigermaßen rentabel – aber nur, wenn Chef:innen bereit sind, besonderen Einsatz zu zeigen. AdobeStock_466320974/PhotoSG

Vier Tage die Woche am Golfplatz, im Segelurlaub durch die Karibik und in der Garage “a Auto mit an Stern”. Die Mär vom „g´stopften“ Apothekeninhaber hält sich genauso hartnäckig wie das Vorurteil der „Apothekenpreise“.  Dabei verdienen etwa in Deutschland manche Inhaber mittlerweile weniger als ihre Angestellten. In Österreich läuft der Laden noch einigermaßen rentabel – aber nur, wenn Chef:innen bereit sind, besonderen Einsatz zu zeigen. Und trotzdem gibt es bei dem einen oder der anderen schlaflose Nächte. TARA24 hat sich quer durch Österreich umgehört, um herauszufinden was den Selbstständigen die Sorgenfalten auf die Stirn treibt.

Fragt man die Bevölkerung, was die vermeintlich einträglichsten Berufe sind, hört man gerne die Trias Anwalt-Arzt-Apotheker. Das mag im letzten Jahrhundert gar nicht so falsch gewesen sein, hat heute aber garantiert keine Gültigkeit mehr. So gut wie jede:r Selbstständige mit eigener Apotheke muss Zugeständnisse machen: vor allem an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, aber auch an die eigene Freizeit.+

Problem: geringe Spannen

Das bestätigt Mag. Clemens Feldmann, der sich erst im Jänner dieses Jahres mit der Übernahme der Engel-Apotheke in Telfs an das Abenteuer Selbstständigkeit gewagt hat. „Ein großes Problem sind die Hochpreiser und die Spannen. Auf der einen Seite wächst der Anteil immer günstiger werdender Generika – mit immer kleinerer absoluter Spanne – auf der anderen Seite steigt fast Monat für Monat der Anteil der Hochpreisarzneimittel mit sehr niedriger relativer Spanne im Verhältnis zum AEP. Hochpreisarzneimittel müssen oftmals vorfinanziert werden, da die Abrechnung der Gehaltskasse erst nach Abrechnung mit dem GH oder Hersteller eintrifft. Auch hat man das Risiko für Schäden bei Übernahme, Lagerung, Nichtabholung/Todesfall des Patienten. Und die Einkaufskonditionen sind wesentlich schlechter als bei anderen Arzneimitteln.“

Problem: Direktbestellungen

Ähnliche Probleme bemerkt auch Maga. Gertrude Kölbl, Inhaberin der Marchfeldapotheke in Deutsch-Wagram. Vor allem die DTP-Modelle sieht sie problematisch. „Die Bestellung der Präparate ist wesentlich zeitaufwendiger als die Bestellung über den Großhandel. Teils funktioniert das über Web-Portale, Rezepte müssen dann auch noch extra hochgeladen werden. Noch mühsamer wird es, wenn man die Präparate per Mail bestellen muss. Die Rechnungen, die von diesen Logistikern gestellt werden, sind teilweise noch vor Erhalt des Taxerlös fällig und sie werden nicht skontiert.“

Problem: billige Rx-Präparate

Mag. Viktor Hafner von der Linden-Apotheke in Wien sieht den stetigen Realertragsverlust im Krankenkassenbereich als drückendstes Problem. „Die Medikamente werden laufend billiger. Im Oktober 2023 gab es einen massiven Preisrutsch wegen der Generika-Regelung, damit bleibt deutlich weniger Deckungsbeitrag für die selbe Arbeit übrig, gleichzeitig aber steigende Kosten, wie etwa für Personal, Kreditraten, Miete, Strom/Gas usw. Da wir in einem regulierten Markt arbeiten, können wir unsere Preise im Privatbereich auch nicht erhöhen, um die sinkenden Spannen im Kassenbereich auszugleichen. Es bleibt unterm Strich also weniger Geld übrig, um den Betrieb zu finanzieren.“

Problem: Freistellung für Fortbildung

Ein ebenso brisantes Thema ist die ab Juli in Kraft tretende verpflichtende Fortbildung für Apotheker:innen. Grundsätzlich herrscht großer Konsens über die Wichtigkeit einer regelmäßigen fachlichen Aus- und Weiterbildung. „Die gesetzliche Situation und genauen Rahmenbedingungen wurden ja noch nicht final ausgearbeitet“ merkt Maga. Caroline Slupetzky, Eigentümerin der Apotheke Bludenz Stadt, an. „Doch sollte es wirklich so kommen, dass ich all meine Pharmazeutinnen zusätzlich 25 Stunden freistellen muss, und das unabhängig vom Dienstausmaß, dann wird es wieder mal eine sehr spannende Zeit und gerade kleinere Apotheken werden sich die Frage stellen, wie viel “pharmazeutischen Luxus” sie sich noch leisten können. Natürlich bleiben dann zuerst mal der eigene Urlaub und die eigene Freizeit auf der Strecke“.

Maga. Kölbl bringt es auf den Punkt: „wenn ich einen Teildienst mit 3/10 habe, dann fehlt mir die Mitarbeiterin neben 5 Wochen Urlaub auf alle Fälle noch 2 Wochen wegen Fortbildung – ich hoffe ich habe da was falsch verstanden.“

Problem: Fachkräftemangel

Das Einbüßen der eigenen Freizeit zugunsten des Betriebes wird von fast allen Inhaberinnen und Inhabern berichtet. Aufgrund des Arbeitszeitgesetzes leisten viele von Ihnen die meisten oder sogar alle Nacht- und vor allem Sonn- und Feiertagsdienste selbst. Der Fachkräftemangel tut sein Übriges zu der Situation. Mag.a Alexandra Fuchsbichler von der Team Santé Apotheke Krems in Voitsberg kann auf einen Joker zurückgreifen, denn bei ihr springt der Nachwuchs in die Presche. „Durch die Mitarbeit meiner Tochter als stellvertretende Leitung im Betrieb geht es mir relativ gut und ich habe genug Freizeit und kann mich freispielen.“ Die Zeit nützt sie für Ihre Aufgaben als Präsidentin der Landesgeschäftsstelle Steiermark. In dieser Funktion kennt Sie die Probleme der Mitglieder nur zu gut. „Die wirtschaftliche Situation unserer Betriebe ist angespannt. Einige Apotheken kämpfen mittlerweile sehr um ihr finanzielles Überleben. Weniger Ordinationen, schlechte Versorgungslage, wenig Personal und ein Übermaß an Bürokratismus – viele Belastungen kommen auf die Apotheken zu. Unsere Dienstleistungen wie Nachtdienst, Feiertags- und Wochenenddienst kosten die Betriebe viel und es ist unseren Kunden nicht klar, dass dies fürs System kostenlos ist und von uns selbst getragen wird. Gerade im ländlichen Bereich gibt es zu wenig Mitarbeiter und die Selbstständigen sind gefordert. Die verpflichtende Fortbildung ist ein wichtiges Tool. Die Rahmenbedingungen sind noch nicht ganz geklärt, aber es wird auf Hochtouren daran gearbeitet. Es sind herausfordernde Zeiten und die Aufgaben sind groß.“

Problem: starres System

Eine Herausforderung, der sich Drin. Michaela Stipsits von der Diana Apotheke in Güssing gerne stellen würde, sind neue Dienstleistungen in der Apotheke. „Was mich frustriert, ist die momentane Gesetzeslage, in der der Apothekerschaft bei ihrem Versuch, in finanziell herausfordernden Zeiten neue Wege zu gehen und für die Bevölkerung mehr Serviceleistungen anzubieten, nur Bremsklötze in den Weg gelegt werden. 2000 Kolleginnen – und ich bin eine davon – könnten längst impfen, dürfen dies aber nicht. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.“

Problem: längere Öffnungszeiten

Auch die Neuregelung der Öffnungszeiten ist ein Thema – wenngleich nicht überall. „Derzeit spüren wir ihn noch nicht, aber der Druck durch die Freigabe der Öffnungszeiten wird vermutlich größer werden“ prognostiziert Mag. Hafner für seine Wiener Apotheke. „Das muss dann mal finanziert werden. Es werden ja nicht mehr Kunden!“ abseits der Ballungsräume und Center-Lagen sieht man dieses Thema noch eher entspannt. „Öffnungszeiten sind zumindest bei mir am Land weniger das Problem, da kein wirklicher Bedarf an längeren Öffnungszeiten besteht“ beurteilt Mag. Feldmann die Situation in Telfs. „Das sehen – soweit ich das beurteilen kann – auch meine Kollegen im Ort gleich. Damit ist nicht die Gefahr einer Konkurrenzsituation gegeben.“

Konsequenz: mehr persönlicher Einsatz

Was bei allen Gesprächen zu hören war: Investitionen werden genau überlegt, die Arbeitszeit der Inhaber:innen liegt meist weit über 40 Stunden, der eigene Urlaub wird zugunsten der Mitarbeitenden geopfert, man kalkuliert vorsichtiger und gleichzeitig versucht man, neue Wege zu beschreiten und alternative Einkommensquellen und Betätigungsfelder zu erschließen. Aber auch etwas anderes ist immer zu spüren: die bedingungslose Liebe zum Beruf und die Verantwortung gegenüber dem Team.

Maga. Slupetzky spricht vielen Selbstständigen aus der Seele: „im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Situation als Apothekerin zufrieden – vor allem, wenn ich über die Grenzen sehe, wo durch den nicht vorhandenen Gebietsschutz und die Möglichkeit Apothekenketten zu führen, sehr viele Kolleginnen und Kollegen das Handtuch werfen – oder besser gesagt: werfen müssen. In Österreich dürfen wir Pharmazeut:innen noch mit Freude arbeiten!“ sagt sie mit einem breiten Lächeln und verschwindet von unserem Gespräch zurück an die Tara.



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