Die Krankenkassen-Lotterie


von

Astrid Janovsky

Same Same und doch different: Die Wahl der Krankenkasse ist eine Mischung aus Wissenschaft und Kaffeesudlesen.

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Mehr als 80 Krankenkassen stehen in Deutschland zur Auswahl. Sich für die richtige zu entscheiden ist ein Lotterie-Spiel.

Kein Witz: Die für mich schwerste Entscheidung in meinen Anfängen in Deutschland war die Wahl der Krankenkasse. Da gibt es große und kleine, gesetzliche und Ersatzkassen. Als Angestellte mit einem Brutto-Jahreseinkommen über 73.800 Euro (sowie als Selbstständige oder Beamtin) könnte man sich auch privat versichern. Das ist verlockend, weil es in Deutschland ganz klar eine Bevorzugung von Privatpatient:innen in den Ordinationen gibt (zumindest in den allermeisten), mir wurde aber davon abgeraten, da die Beitragszahlungen enorm steigen können und ein Weg zurück in die Versicherungs-„Holzklasse“ nur bei vermindertem Einkommen möglich ist.

Gesetzlich, Ersatz- oder Betriebskasse?

Was tut man also, wenn man 80 Versicherungen zur Auswahl, keine Ahnung, keinen Überblick und auch keine Ambition hat, sich damit tiefer auseinanderzusetzen? Genau: Man fragt sein Umfeld. In meinem Fall die Kolleginnen. Das war aber nur bedingt hilfreich, weil so ziemlich jede in der Kasse war, die quasi die ererbte „Familienkasse“ war. Über Empfehlungs-Umwege bin ich dann in einer „BKK“ gelandet. BKKs sind „Betriebskrankenkassen“. Die gibt es zum Beispiel von Audi, Bahn, Daimler oder Bosch – um nur einige zu nennen. Viele dieser ehemals für Betriebszugehörige gedachten Versicherungen sind mittlerweile auch für andere zugänglich. Diese BKKs können den Antrag im Unterschied zur gesetzlichen AOK ablehnen. Eine gut verdienende Apothekerin wollte man sich aber nicht entgehen lassen.

Wer zahlt was?

Bisher war mir kein großer Unterschied im Leistungsspektrum aufgefallen. Eher erwachte in mir immer wieder der generelle Eindruck, dass die Kassenleistungen in Deutschland wesentlich überschaubarer sind als in Österreich. Und was ich vermisse (auch wenn das System natürlich grobe Fehler hat): die Möglichkeit, den einen oder anderen Arztbesuch privat zu zahlen (Deutschland kennt kein Wahlarztmodell) und dann auf eine Teilerstattung durch meine Kasse zu hoffen. Darauf hofft man in Deutschland vergeblich. Wenn, dann zahlt man die “IGeL-Leistung” komplett selbst (dazu ein Andermal mehr)

Doch große Unterschiede

Wie unterschiedlich die Leistungen der einzelnen Kassen sind, wurde mir jüngst vor Augen geführt. Ein Freund von mir hat erhöhte Prostata-Werte. Zur Abklärung empfahl der Arzt eine Biopsie, besser aber ein spezielles MRT. Kostenpunkt (festhalten): 1000,-. Und zwar, weil der Freund die „falsche“ Versicherung hat. Eine andere würde das übernehmen.

Wechseln möglich

Jetzt ist mir bewusst, dass man in Österreich in den einzelnen Bundesländern auch (noch) unterschiedliche Kassenleistungen bekommt. Aber am Ende des Tages ist es doch für alle Versicherten gleich. Hier in Deutschland greift man quasi in den Kassen-Lostopf und hofft dann, die “richtigen” Krankheiten zu bekommen. Es besteht allerdings die Möglichkeit, nach einer Mindestbindungsfrist von zwölf Monaten die Krankenkasse zu wechseln. Ganz so leicht ist es in der Praxis freilich nicht, denn natürlich gelten dann auch wieder Sonderrechte. Und am Ende wird doch wieder gewürfelt. Denn wer weiß, welche Leistung man als nächstes brauchen würde und ob die dann der neue Versicherungsträger im Programm hat?

Tu felix Austria.

TARA24-Redakteurin Astrid Janovsky arbeitet seit 2016 in einer Apotheke im süddeutschen Baden-Württemberg und pendelt seither beruflich in zwei bisweilen recht unterschiedlichen Arbeitswelten. Denn das deutsche Apothekenwesen ist in vielen Punkten erstaunlich anders als das österreichische. In ihrer Kolumne „Deutschlandreport“ gewährt sie Einblicke in lokale Marotten und bundesweite Gepflogenheiten.



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