Deutschlandreport: Aufbaustudium “Rezeptgebühr verstehen”


von

Astrid Janovsky

Im Regelfall liegt die Gebühr zwischen 5 und 10 Euro – aber Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel.

Die deutsche Rezeptgebühr stellt eine Wissenschaft für sich dar. Man ist weit entfernt von einer einheitlichen Zuzahlung pro Packung. Es ist noch nicht einmal fix, dass Gebührenzahler immer zur Kasse gebeten werden und Befreite nie zahlen müssen.

Gleich vorweg: Auch nach neun Jahren Apothekenleben in der Fremde habe ich die Mathematik der deutschen Rezeptgebühr nicht ganz verstanden. Ist aber auch nicht notwendig, denn die Computerkasse tut es. Zumindest vertraue ich darauf. Mein Part bei Fragen von Kund:innenseite bezieht sich auf einen mitfühlenden Blick und die Worte: „Das berechnet Ihre Krankenkasse so.“ Ich finde, da darf man den schwarzen Peter ruhig an die entsprechende Stelle weiterleiten. Immerhin haben die 2014 dieses System ausbaldowert („ausboldowern“ ist übrigens ein Begriff aus der Gaunersprache habe ich gelernt).

Grundsätzlich gilt wie in Österreich: Das Volk wird geteilt in Gebührenzahler und Gebührenbefreite. Das war´s dann schon mit den Gemeinsamkeiten. Man zahlt in Deutschland nämlich nicht nur Rezeptgebühr, sondern unter Umständen auch sogenannte Mehrkosten.

Sonderwissenschaft: Berechnung von Mehrkosten

Diese Mehrkosten fallen an, wenn der vom Hersteller festgesetzte Arzneimitelpreis über dem Festbetrag liegt. Festbeträge wiederum sind die von den gesetzlichen Krankenkassen festgelegten Höchstgrenzen für Arzneimittel, die erstattet werden. Für alle gleichwertigen Präparate gilt ein einheitlicher Festbetrag. Liegt der AVP über dem Festbetrag, müssen die Versicherten die Differenz bezahlen. Und das Besondere an der ohnehin schon speziellen Situation: Mehrkosten sind auch bei Gebührenbefreiten fällig. So kann es sein, dass man bei Unverträglichkeiten und der (vom Arzt festgelegten) zwingenden Abgabe des Originals mehrere -zig Euro ablegt.

Zwischen 5 und 10 Euro

Aber auch wenn „nur“ die Rezeptgebühr fällig wird, kann man von keiner fixen Summe ausgehen. Die Zuzahlung beträgt nämlich zehn Prozent des AVP, ist nach unten gedeckelt mit fünf und nach oben mit zehn Euro. Man löhnt also für ein Medikament mit einem AVP unter 50 Euro fünf Euro Gebühr. Das trifft in den allermeisten Fällen zu. Kostet das Präparat 100 Euro und mehr, sind zehn Euro Zuzahlung fällig. Nachdem in Deutschland gängigerweise Packungsgrößen zur Drei-Monats-Versorgungen abgegeben werden, wird dies vor allem schlagend bei Insulinen, Biologicals und Inhalativa und ist in meiner Wahrnehmung der zweithäufigste Fall. Es gibt aber auch noch den Bereich dazwischen: Hat das Medikament einen Wert von beispielsweise 87,50, so zahlt man dafür 8,75. Vorausgesetzt, es kommen keine Mehrkosten dazu.

Sonderfall: Keine Kosten für Gebührenpflichtige

Jetzt gibt es aber den schönen Fall, dass auch Gebührenpflichtige ohne Zahlung die deutsche Pillenstube (legal) verlassen dürfen. Krankenkassen bieten immer wieder Moleküle einzelner Hersteller ohne Zuzahlung an. Es kann also sein, dass das Amlodipin der Firma A fünf Euro kostet, jenes der Firma B gratis ist. Oder dass es im letzten Quartal oder „bisher immer“ (Kundenton) gratis war. Dann ändern sich die Verträge der Krankenkasse mit dem Hersteller und – schwupps – verlangen wir Bösen in der Apotheke plötzlich Geld für das Arzneimittel. Man kann sich denken, dass das zu zahlreichen Diskussionen führt.

Seit 20 Jahren keine Anpassung

Einziges Plus an dem System, das bei genauem Hinsehen auch keines ist: Die Gebühren wurden 2014 festgesetzt und haben sich seit 20 Jahren nicht verändert. Man muss also nicht zu jedem Jahresbeginn das immergleiche Erhöhungs-Lamento über sich ergehen lassen.  Ob das aber wirtschaftlich sinnvoll ist, möchte ich mal dahingestellt lassen.

Man kann allerdings abschließend sagen: Ohne Computer weiß man in der Apotheke nicht, wieviel für ein Rezept zu zahlen ist. Fällt der mal aus, kann man nur noch den Hustentee aus der Sichtwahl mit Preisauszeichnung verkaufen.

Tu felix Austria.

TARA24-Redakteurin Astrid Janovsky arbeitet seit 2016 in einer Apotheke im süddeutschen Baden-Württemberg und pendelt seither beruflich in zwei bisweilen recht unterschiedlichen Arbeitswelten. Denn das deutsche Apothekenwesen ist in vielen Punkten erstaunlich anders als das österreichische. In ihrer Kolumne „Deutschlandreport“ gewährt sie Einblicke in lokale Marotten und bundesweite Gepflogenheiten.



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