Cannabis bald in Ö legal? Ein kritischer Blick aus Apothekensicht


von

Astrid Janovsky

Lässt sich das deutsche Modell überhaupt auf Österreich umlegen und wie ist es wirklich um die Gesetzeslage bestellt?AdobeStock_632951823

Seit 1. April ist Kiffen in Deutschland also legal. Eine Gesetzesänderung, die sich so manche – allen voran die Interessensvertretung der Cannabis-Industrie – in Österreich wünschen würden. Um diesem Begehr Nachdruck zu verleihen, fand am 20. April in Wien ein Demozug über die Mariahilferstraße statt. 300 Teilnehmer:innen haben sich der „4:20 walk together“ Demo vom Westbahnhof bis zum MuseumsQuartier angeschlossen, um für die Legalisierung zu demonstrieren.

Aber: Lässt sich das Modell überhaupt auf Österreich umlegen? Wie ist es wirklich um die Gesetzeslage bestellt und: Hat Österreich wirklich das Nachsehen? Ein kritischer Blick auf den Unterschied (und die Gemeinsamkeiten) der beiden Länder aus Apothekensicht

1. Keine Cannabis Shops in Deutschland

Und da sind wir schon bei einem großen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland: während im Nachbarland Cannabis bisher auf legalem Weg nur über Apotheken mit ärztlicher Verschreibung auf einem Suchtgift-Rezept oder illegal beim Dealer des Vertrauens zu beziehen war, blüht in Österreich im wahrsten Sinne des Wortes das Geschäft mit dem „Soft-Hanf“. Denn hierzulande gilt der Grenzwert von 0,3% THC-Gehalt für Hanfvarietäten, die in diversen Lebensmittel-Formen vom Gummibärchen bis zum Powerriegel verarbeitet und frei verkauft werden dürfen. Deshalb findet man im rot-weiß-roten Straßenbild recht häufig die in Deutschland nicht vorhandenen Hanf-Shops.

Man kann diese Geschäfte mögen oder nicht – sie schließen (theoretisch) eine Lücke, die in Deutschland gerade aufbricht. Denn der Besitz und Konsum von Cannabis ist nun zwar erlaubt, es gibt aber noch keine legalen Verkaufsstellen. Bezogen werden kann als Mitglied eines „Cannabis-Clubs“ – die sind aber aktuell schlichtweg noch nicht existent.

2. Woher nehmen?

Jetzt mag man vielleicht denken: „Moment! In Deutschland wurden ja bisher bereits Cannabisblüten über die Apotheke vertrieben. Warum übernehmen die nicht den freien Verkauf?“ Eine berechtigte Frage, die aber die Apothekerverbände im Vorfeld nur sehr leise gestellt haben. Denn der Widerstand aus den eigenen Reihen kam durchaus spürbar. Auch für den deutschen Gesundheitsminister war es offensichtlich kein logischer Schritt, das bisherige Suchtgift erst einmal in den Status einer apothekenpflichtigen Substanz (mit qualifzierter Beratung bei der Abgabe) zu stellen. Er gibt den Verkauf lieber an nicht vorhandene Strukturen und setzt nebenbei die Exekutive vor einen Mount Everest an ungeklärten rechtlichen Themen.

3. In Apotheken mit Cannabis-Rezept

Für die Apotheken in Deutschland hat sich in Folge der Legalisierung allerdings ein ganz entscheidender Punkt geändert: Durch die Entlassung aus dem Betäubungsmittel-Status kann die ärztliche Verschreibung nun auf ein ganz klassisches Rezeptformular (oder E-Rezept) erfolgen. Das führt nicht nur zu wesentlich weniger Arbeitsaufwand durch Wegfall der berühmt-berüchtigten deutschen Bürokratie (und damit verbundenen Dokumentationspflicht) sondern erleichtert auch den Ärzt:innen die Verschreibung von Privatrezepten.

Bisher mussten Schmerzpatient:innen nämlich einen wahren Spießrutenlauf auf sich nehmen, ehe sie eine verschreibende Stelle fanden, die das (gut wirksame und hervorragend verträgliche) Medikament gegen ihre chronischen Schmerzen rezeptierte. In Folge der Gesetzesänderung erwartet die Kassenärztliche Vereinigung vor allem einen Anstieg an Privatrezepten.

4. Apotheken statt Hanfshops?

Nachdem die Legalisierung in Deutschland gerade also eher holprig anläuft, bleibt abzuwarten, welchen Erfolg die Demo in Wien bringen wird. Grundsätzlich finden wir in Österreich eine andere Ausgangslage vor: in den Apotheken ist bislang nur Cannabis-Extrakt zu beziehen. Mit getrockneten Blüten gibt es keine Erfahrung. Dafür besteht bereits ein Netz an Hanfshops, die vermutlich gerne und wahrscheinlich auch sehr schnell eine Versorgung mit Cannabis-Blüten übernehmen würden.

Aber vielleicht geht Österreich – im Fall des Frei-Falles – auch den gegenteiligen Weg zu Deutschland und erkennt, dass „Drogen“ (in der pharmazeutischen Definition) in der Apotheke gut aufgehoben sind und es ein probater Zwischenschritt vor dem Point of no return des komplett freien Verkaufs ist. Neben der Legalisierung von Cannabis tritt die Demonstration auch für eine Verschreibung von Medizinalcannabis auf. Sollte die Bewegung also auf Gehör stoßen, könnten die THC-haltigen Blüten in jedem Fall bald in der Rezeptur Einzug halten.

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