Apotheken legen sich ins Zeug, um Lieferengpässe möglichst abzufedern. Viele greifen dabei zu Eigenanfertigungen. Das kostet Zeit und bringt wenig Geld. Zumindest dürfte der Einsatz aber von den Patientinnen und Patienten honoriert werden. Die sehen nämlich ausnahmsweise die Schuld nicht bei der Apotheke, sondern bei der Politik.
Das noch immer aktuelle Thema der Lieferengpässe hat auch in Schladming Einzug gefunden. Waren im Jahr 2019 laut Angaben der AGES 323 Arzneimitteln nicht verfügbar, kam es 2023 zu einem Peak mit rund 1.500 betroffenen Arzneimittel aufgrund einer Vertriebseinschränkung.
Ein Umstand, der den Apotheker:innen noch gut in Erinnerung ist und zu manchem Leid geführt hat. Dr. Olaf Rose von der PMU Salzburg gab in seinem Vortrag den anwesenden Apotheker:innen einen Überblick über die Auslöser, den Umfang und die Konsequenzen der derzeitigen Lieferengpässe.
Problem bei Rohstoff-Anbietern
Im Zuge seiner Nachforschungen zeige sich, dass „logistische Probleme seitens der Hersteller fast immer lösbar sind“, so Rose. Tatsächlich resultieren nur zwölf Prozent der Engpässe aus logistischen Problemen. Der steigende Preisdruck sei für die Hersteller spürbar, jedoch sei die Tendenz einer Verringerung der Rohstoff-Anbieter künftig das größte Risiko. Eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa sei ökonomisch kaum mehr denkbar und so sei es in Anlehnung an den Critical Medicines Act wichtig gewesen, eine der letzten verbleibenden Produktionsstätten für Penicillin, in Kundl (Tirol), durch staatliche Subvention zu unterstützen. Zu bedenken gab Rose, dass die verpflichtende Vorratslagerung einzelner EU-Staaten zu Lasten anderer Länder gehe.
Rund 30 Prozent der Patient:innenkontakte einer Apotheke seien in Österreich von einem Lieferengpass betroffen, vergleichsweise in Deutschland 39 Prozent und dem Kosovo 48 Prozent. Die Dauer, um einen solchen Fall zu beheben – sei es ein Telefonat mit dem verschreibenden Arzt oder das Finden einer Lösung – beträgt in Österreich zwölf Minuten, in Deutschland und dem Kosovo 16 Minuten. Würde man diesen Gedanken nun weiterspinnen, so verbringe durchschnittlich das gesamte Personal einer Apotheke insgesamt 12 Stunden pro Tag damit, die Probleme der Verfügbarkeit zu beheben. Dies ist ein Kostenfaktor und eine Beeinträchtigung der Apothekenarbeit, die zu thematisieren sei!
Zehn Prozent der Therapien ernsthaft gefährdet
Der angesprochen Mehraufwand weckte merklich Emotionen bei den Zuhörenden in Schladming. Eine Apothekerin bestätigte diese Aussage und meinte „oft mehr als 20 Minuten mit nur einem solchen Fall beschäftigt zu sein“. Eine andere hingegen hätte bei sich in der Apotheke „bestimmt weniger als 30 Prozent davon betroffene Patientenkontakte, sicher ein Umstand, der auch von der Lage und Art der Kundenbeschaffenheit abhängt.“
Ernsthaft durch den Versorgungsengpass seien in Österreich glücklicherweise nur zehn Prozent der Therapien gefährdet, in Deutschland 21 Prozent und dem Kosovo knapp 40 Prozent. Behoben werde das Problem laut Rose häufig durch Eigenanfertigungen. Auch hier kam viel Bestätigung aus dem Publikum. „Die Antibiotikasaft-Knappheit hat uns einiges abverlangt”, klagte eine Apothekerin, “Viele magistrale Säfte wurden angefertigt, um die Nachfrage einigermaßen decken zu können.“
Die Besorgnis der betroffenen Patient:innen sei groß, jedoch wären sie auch einigermaßen mit den angebotenen Lösungen und Informationen seitens der Apotheker- und Ärzteschaft zufrieden. Tendenziell sei es aufgrund der Lieferprobleme eher nur zu kürzeren Verzögerungen bei der Medikamentenabholung oder einem Wechsel zu einem Generikum als zu Therapieabbrüchen gekommen.
Apotheken wollen Probleme lösen
Einigkeit herrsche auf Patient:innenseite bei der Schuldfrage: Fast 87 Prozent der Befragten sehen Verfehlungen der Politiker:innen als Ursache für die Medikamenten-Knappheit, nur 29 Prozent hingegen die Schuld auf Seiten der Apotheker:innen. Allgemein fühlen sich Patient:innen sehr sicher in der Apotheke, bemängelt werde unter anderem eine „fehlende Lobby für Kinder“.
Was wollen nun die Apotheker:innen? Laut Rose ganz klar: „Überlasst uns die Problemlösung! Und gebt den Ärzt:innen ein Telefon – lasst sie es aber auch abnehmen!“. Ein Vorschlag, der im Publikum viel Beifall bekam.
Ohnehin würden fast 40 Prozent der Arztpraxen die Apotheke in der Verantwortung für den Umgang mit der Arzneimittelknappheit sehen, was mehr Freiheiten bei der Problemlösung wünschenswert mache.