Christian Studenik – Vom Professor zum Unruhestands-Aspiranten


von

Astrid Janovsky

Generalalphabet statt Vorlesungsverzeichnis – eine große Umstellung für Studenik.privat

ao. Univ.-Prof. i.R. Mag. Dr. – ein Titel, der alleine die ganze Überschrift füllt (weshalb er gleich ganz weggelassen wurde) und vermutlich bisher selten vor dem Namen eines Aspiranten zu finden war. Aber der beliebte Pharmakologie-Professor der Uni Wien will es in der Pension noch einmal wissen und startet zu seiner insgesamt dritten beruflichen Karriere – und zwar dort, wo er eigentlich nie hinwollte: In der Apotheke.  

„Ich wollte nie in eine Apotheke“ erklärt der vermutlich bekannteste Kapperlträger der österreichischen Pharmaziewelt. Tja, sag niemals nie – das wusste schon James Bond in den 80ern. Fast zur selben Zeit startete Christian Studenik an der Universität Wien seine damals bereits zweite Karriere. Davor war er schon zwei Jahre erfolgreich in der Industrie unterwegs gewesen; bei Pfizer im Marketing. „Ja“, bestätigt der offensichtlich vielseitig Talentierte. „Ich war für die Gruppe Herz-Kreislauf/Psychopharmaka zuständig. Die betreute ich von der pharmakologischen Seite und natürlich auch vom Wirtschafts- und Marketingaspekt.“ Natürlich. „Es ist leichter, sich das wirtschaftliche Wissen anzueignen als das pharmazeutische“, erklärt Studenik und ergänzt: „Das war cool.“ Die Realität hat‘s bewiesen: Seine damaligen Kolleginnen und Kollegen von der WU hätten wesentlich größere Probleme gehabt, sich das fehlende pharmazeutische Wissen anzueignen. Die wussten damals aber auch noch nicht, dass sie mit einem zukünftigen Professor im Büro saßen. Vermutlich gelten da ein wenig andere Maßstäbe für den Begriff „leichter“. 

Körperliche Belastung an der Tara unterschätzt

Studenik zieht den Zirkelschluss zu seiner aktuellen Lebensrealität: „Der Umstieg von der Uni zur Industrie ist wesentlich einfacher als von der Uni zu Apotheke. Apotheke ist eine komplett andere Welt – wie ich jetzt festgestellt habe.“ Es folgt ein nicht ganz so lockeres Lachen. Apothekenmitarbeitende haben an dieser Stelle vermutlich Verständnis. Alleine die körperliche Belastung ist für den Professor im Ruhestand schon gewöhnungsbedürftig.

„Ich wusste nicht, wie anstrengend das ist. Dabei habe ich in den letzten 30 Jahren allen Absolventinnen und Absolventen gepredigt, dass sie das Aspirantenjahr unbedingt absolvieren sollen.“ Jetzt lacht er wirklich.  

(Im Foto: Studenik mit seinem Freund und Chef, Apothekeninhaber Mag. Daniel Gjoncaj)

Der Übergang vom Hörsaal zur Tara war ein nahtloser. „Ich wollte keine Zeit verlieren“, zwinkert Studenik. Keine kleine Weltreise zum Pensionsantritt? „Das hatte ich schon nach meinem Studium“, winkt der Ehrgeizige ab. „Da bin ich zwei Monate durch die ganze Welt gezogen.“ Wobei das Reisen ein ständiger Begleiter während des Aspirantenjahres wurde. Seit dem 1. Oktober steht er an der Tara in der Apotheke zum Lebensbaum in Salzburg – rund 350 Kilometer weg von seinem Wohnsitz nahe dem Neusiedlersee; den sieht er aktuell nur am Wochenende. Die Distanz ist eine Mischung aus Absicht („Ich wollte nicht so nahe an der Uni dran sein“) und Zufall („Die Apotheke gehört einem Freund von mir.“). Deshalb darf der Neo-Aspirant auch geblockt arbeiten. Relativ. Montag ist sein freier Tag, dafür ist er meist samstags im Einsatz. Vermutlich auch ein ganz neues Arbeitsgefühl für den ehemaligen Staatsdiener. In Salzburg steht Studenik eine kleine Dienstwohnung zur Verfügung – ebenfalls nicht ganz der Aspiranten-Standard, wenngleich in Zeiten von Personalmangel durchaus denkbar. Die verlässt er selten. „Am Abend bin ich immer sehr, sehr müde.“  

Fan des Aspirantenkurses

Ein erstes Resümee nach vier Monaten Aspirantenzeit: Rezeptur gab es bisher noch nicht, dafür aber bereits eine Einführung in die Warenübernahme und das „echte“ Apothekenleben. „Wir haben schon auch einige anstrengende Kunden“ seufzt Studenik, zieht aber gleich wieder Positives daraus: „Ich bin in einer sehr beratungsintensiven Apotheke. Das gefällt mir.“ Man merkt, dass ihm dieser Aspekt Spaß macht. Genauso wie der Besuch des Aspirantenkurses einmal im Monat. Klarer Fall von Perspektivenwechsel. „Das ist total gut organisiert,“ schwärmt der älteste Berufsanwärter, „und die Leute sind total nett.“ Es soll erwähnt werden: „Die Salzburger Apothekerkammer ist wirklich toll.“ 

Die Beratungstätigkeit gefällt dem ehemaligen Dozenten, die körperliche Anstrengung ist noch gewöhnungsbedürftig.privat

Zurück zur ersten Karriere. Als Industriebotschafter verbrachte der damalige Magister viel Zeit auf Kongressen und traf dort auf einen gewissen Heistracher. Bei Pharmaziebsolvent:innen der Uni Wien, deren Matrikelnummer mit „19“ beginnt, klingelt es nun vermutlich. Der bot ihm eine Dissertationsstelle an. Und ab dem Moment hatte die Industrie einen schlauen Kopf verloren und die Universität einen der (zukünftig) beliebtesten Professoren gewonnen. Wobei das ehrlicherweise zu diesem Zeitpunkt nicht der Plan war. „Ich wollte eigentlich nur die Dissertation machen und nachher wieder in die Industrie zurück,“ erinnert sich Studenik. Wie das halt so ist mit den Plänen. Was folgte, waren 37 Jahre an der pharmazeutischen Fakultät, die dem verhinderten Pensionär viel Freude bereitet haben. Er hätte auch statt der Apotheke den Unruhestand als Dozent wählen und ab und an zu Vorlesungen an seine alte Wirkstätte zurückkehren können. „Aber das wollte ich nicht. Irgendwann muss Schluss sein.“ 

14 Semester studiert

Wie kam es überhaupt zur Wahl des Studiums? Wenig überraschend: Die Begeisterung für Naturwissenschaften. Schon zu Gymnasialzeiten hatte Studenik an der Vorbereitung zur Chemieolympiade teilgenommen, sich dann aber – wie viele andere, die heut in der Apotheke stehen – für etwas mit mehr Vielfalt und Praxisbezug entschieden. Und zum Schluss für alle zum Aufatmen: Studeniks eigene Studiendauer lief über knapp 14 Semester. Geschuldet natürlich nur den langen Wartezeiten auf einen Laborplatz – beruhigt aber trotzdem irgendwie. 

Anmerkung: Es könnte sein, dass die Autorin bei diesem Porträt ein klein wenig voreingenommen war, da sie bei ebenjenem Professor ihre Diplomarbeit absolviert hatte. Man möge bitte großmütig darüber hinwegsehen. 



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