NR-Wahl 2024: Viel Theorie, wenig Praxis – die Parteiprogramme der “Big Five” und ihrer Herausforderer


von

Ulrike Krestel

Am 29. September wird auch über die österreichische Gesundheitspolitik bestimmt.AdobeStock_274979076/Hannes Mallaun

In der österreichischen Politik nimmt die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einen zentralen Platz ein. Besonders im Vorfeld der kommenden Wahlen treten Interessenskonflikte zwischen den Parteien zutage. TARA24 hat die Gesundheitsprogramme der wichtigsten Parteien für die bevorstehende Nationalratswahl unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: zahlreiche Forderungen, jedoch nur wenige konkrete Lösungsvorschläge.

Die Forderungen der “Big five”

ÖVP: Fokus auf Pflegeversicherung und Digitalisierung

Die ÖVP plant die Einführung einer Pflegeversicherung zur langfristigen Finanzierung des Pflegesektors. Zudem sollen Pflegekräfte und Gesundheitsdienstleister steuerlich entlastet werden. Die ÖVP setzt auf eine wirtschaftsorientierte Gesundheitspolitik, um den Sektor für Investitionen attraktiver zu machen.

SPÖ: Mehr Gerechtigkeit und Versorgungsgarantie

Die SPÖ setzt auf soziale Gerechtigkeit und besseren Zugang zu Fachärzten. Termine bei Spezialisten sollen nicht länger als zwei Wochen dauern. Dazu fordert die SPÖ eine Quote für Kassenpatient:innen bei Wahlärzt:innen, den Ausbau der Primärversorgung und zusätzliche Kassenstellen. Auch die Zahngesundheit junger Menschen soll durch kostenlose Zahnbehandlungen bis zum 23. Lebensjahr verbessert werden.

Im Pflegebereich fordert man eine umfassende Reform. Pflegeleistungen sollen kostenfrei werden, und es sollen Pflegeservicestellen in allen Bundesländern eingerichtet werden. Zur Bekämpfung des Personalmangels wird eine Ausbildungsoffensive gefordert, inklusive fairer Bezahlung während der Ausbildung und Anerkennung des Berufs als Schwerarbeit.

FPÖ: Eigenverantwortung und heimische Priorität

Die FPÖ betont die Bedeutung der Eigenverantwortung im Gesundheitssystem und fordert eine effizientere Nutzung der Ressourcen, insbesondere regional. Unterstützung für die häusliche Pflege soll durch finanzielle und strukturelle Mittel verbessert werden. Eine zentrale Zielsteuerung soll den steigenden Bedarf an Pflege abdecken und gleichzeitig regionale Lösungen ermöglichen.

Die Grünen: Nachhaltigkeit und Prävention im Fokus

Die Grünen haben unter Gesundheitsminister Johannes Rauch eine Gesundheitsreform beschlossen. Ihr Parteiprogramm betont ein gerechtes und nachhaltiges Gesundheitssystem mit Fokus auf Zugang und Prävention. Geplant sind wohnortnahe Versorgung und präventive Gesundheitsförderung, etwa durch gesunde Ernährung und Bewegung in Kindergärten und Schulen. Die psychische Gesundheit soll durch solidarische Finanzierung und bessere Therapieangebote gestärkt werden.

NEOS: Effizienz und Reformen

Die NEOS verfolgen einen umfassenden Reformansatz, insbesondere durch das Prinzip „ambulant vor stationär“. Sie fordern eine einheitliche Finanzierung aus einer Hand und eine engere Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsberufen. Ein besonderes Anliegen ist ihnen die vollständige Kostenübernahme für Psychotherapie durch die Krankenkassen.

Die Pläne der Herausforderer

KPÖ: Gerechte Entlohnung für pflegende Angehörige

Die KPÖ fordert umfassende Reformen im Pflege- und Gesundheitssystem. Dazu gehören verbesserte Personalschlüssel, eine Ausweitung der Ausbildungsplätze, angemessene Bezahlung und Arbeitszeitverkürzung für Pflegekräfte. Im Gesundheitssystem sollen Wartezeiten für Kassenärzt:innen
auf maximal 14 Tage verkürzt, die Rezeptgebühr bis 2030 eingefroren und langfristig abgeschafft werden. Auch sollen Medikamente kostenlos bereitgestellt werden. Die KPÖ fordert zudem eine gerechte Entlohnung für pflegende Angehörige und Community Nurses sowie einen Ausbau der Psychotherapie und geschlechtergerechte medizinische Versorgung.

Liste Petrovic: Prävention und bessere Arbeitsbedingungen

Die Liste Petrovic fordert umfassende Reformen im Gesundheitssystem mit Fokus auf Prävention, Arbeitsbedingungen und Datenschutz. Geplant sind Gesundheitsbildung für Kinder, um Krankheiten vorzubeugen, und umweltpolitische Maßnahmen zur Verbesserung der Luft- und Bodenqualität. Zur Bekämpfung des Ärztemangels sollen zusätzliche Stellen geschaffen und die Zusammenarbeit im System verbessert werden. In der Pflege werden schnellere Reformumsetzungen, bessere Arbeitsbedingungen und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit gefordert.

Bierpartei: Primärversorgung und faire Bezahlung

Die Bierpartei fordert den Ausbau von Primärversorgungszentren, um die medizinische Betreuung näher zu den Patient:inne zu bringen und die Spitäler zu entlasten. Zudem soll der Leistungs- und Honorarkatalog angepasst werden, um Ärzten und Ärztinnen zu ermöglichen, unabhängig von finanziellen Überlegungen die beste Behandlung zu bieten. Mehr Kassenordinationen und eine Ausbildung mit Jobgarantie für angehende Ärzt:innen sind ebenfalls Teil ihrer Forderungen.

KEINE: Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizi

Die Partei KEINE (Wandel) setzt sich in Österreich für eine umfassende Reform des Gesundheitswesens ein. Ihr Hauptanliegen ist die Stärkung der Prävention, um durch gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und psychische Gesundheit chronischen Krankheiten vorzubeugen. Zudem fordert die Partei eine Optimierung der Gesundheitsfinanzierung, die eine integrierte Finanzierung zur Verbesserung der Koordination zwischen ambulanter und stationärer Versorgung vorsieht. Ziel ist eine gerechte Krankenkassenfinanzierung, bei der alle Versicherten unabhängig von Wohnort oder Krankenkasse gleiche Leistungen erhalten.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der besseren Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker und Therapeuten sollen enger kooperieren, die Digitalisierung nutzen und die Pflegeberufe aufgewertet werden. Die Partei fordert auch bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und eine umfassende Kostenanalyse sowie zusätzliche Präventionsangebote.

Darüber hinaus möchte Wandel/Keine die Kassenverträge verbessern, um die Arbeitsbedingungen für Kassenärzt:innen attraktiver zu gestalten und den Ärztemangel zu bekämpfen. Die Partei setzt sich für eine vollständige Kostenübernahme von Psychotherapie durch die Krankenkassen ein, um allen Menschen, insbesondere Kindern und Jugendlichen, uneingeschränkten Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung zu ermöglichen. Außerdem sollen Krankenkassen die Kosten für Wahlarztbesuche übernehmen, wenn kein zeitnaher Termin bei einem Kassenarzt verfügbar ist. Insgesamt zielt die Partei darauf ab, das Gesundheitswesen durch Prävention, gerechte Finanzierung, bessere Zusammenarbeit und umfassende Versorgung zu reformieren.



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